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Danube Dancer

7. Mai 1998

Was haben Falco, Depeche Mode, Madonna und Elton John gemeinsam? Einen Remix von Peter Rauhofer. Der Wiener DJ ist längst in die internationale Top-Riege der Remixer und Produzenten vorgestoßen.

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Peter Rauhofer kann eine ziemliche Z’widerwurz’n sein. Die Geschichten, die ehemalige Kollegen und Konkurrenten über den drahtig-schmächtigen Plattenreiter zu erzählen wissen, sind Legende. Eines ist er ganz gewiß: eine Diva. Peter Rauhofer besitzt jene Eigenschaften im Übermaß, die schläfrigen Österreichern wenn schon nicht grundsätzlich unsympathisch, so doch zumindest generell suspekt sind: eine unglaubliche Verbissenheit und Zielstrebigkeit in punkto Karriere, einen Tatendrang und ein Selbstbewußtsein, das oberflächliche Beobachter mit Aufgeblasenheit verwechseln könnten. Doch Rauhofer hat noch etwas vorzuweisen – etwas, das ihn vom Gros der Lokalhelden unterscheidet: internationalen Erfolg. Seit Jahren. In deutlich zunehmendem Maß.

„Peter really is the man of the moment“, konstatierte das englische Dance-Fachmagazin „Muzik“ in seiner April-Ausgabe. „His mixes rock the world’s gay clubs, real house clubs and neo-Ritzy superclubs alike.“ Die US-Ausgabe des „MixMag“ ging einen Schritt weiter und widmete ihm gleich die Titelseite. Anstoß: eine Auftragsarbeit für Depeche Mode („It’s No Good“), die kurioserweise einerseits zum „Remix of the year ‘97“ gewählt, andererseits bis dato kommerziell nicht veröffentlicht wurde. Warum? „Die Band haßt House“, so Rauhofer. „Es war eine Idee ihrer Plattenfirma“. Die Bootlegger dürften sich über die Ablehnung gefreut haben.

Auch der zurückgewiesene Remixer mußte nicht lange trauern: gerade hat Madonna angefragt, ein Elton John-Remake („Song For Guy“) ist fertig, das Remix-Inventurverzeichnis (von Boris Dlugosch über Funky Green Dogs bis Dario G. und Ultra Naté) weist elf Clubcharts-Nummer Eins-Titel aus, die Neunziger-Version von Falcos „Kommissar“ – zu der auch Jason Nevins einen Remix beigesteuert hat – ist gerade in die Austro-Hitparade eingestiegen, und die eigenen Projekte Club 69, Size Queen und House Heroes laufen auch nicht gerade schlecht. Ständig pendelt der rastlose Rauhofer zwischen Wien und New York. „Dort kennt mich keiner als Discjockey“, bedeutet er. „Nur als Remixer und Produzent. Das ist gut so – es zwingt mich, noch härter und intensiver zu arbeiten. Das gibt mir den notwendigen Tritt in den Arsch, da ich eigentlich eine faule Haut bin“.

Faule Haut? Das wohl weniger. Vielleicht manchmal etwas vorschnell. Etwa, als er verkündete, in der Sparte „Dance“ für den „Grammy“ – die höchste Auszeichnung der US-Musikindustrie – nominiert zu sein. Dass dies nicht der Fall war, ging ebenso unter, wie die tatsächliche Nominierung des Wiener Produzentenduos Geier/Hunter („Uptight“) für die beste Jazz-Einspielung (Mark Murphy’s „Song For The Geese“).

Auch hier schließt sich ein Kreis. Es war ein Tonträger, der erstmals – strikt abseits des Austropop-Mausoleums – die heimischen Musikszene der Post-Falco-Ära versammelte und für eine lautstarke Initialzündung sorgte: „Danube Dance“. Diese 1991 erschienene Compilation präsentierte, wie der Untertitel selbstbewußt vermeldete, „Clubmusic from Vienna created by today’s most successful deejays“. Konzept und Gesamtleitung: Peter Rauhofer.

Nun steckte Dance – ein Genre, das seinen Disco-, Breakbeats- und Kraftwerk-Wurzeln entwachsen und international gerade dabei war, in diverseste Unterabteilungen (Techno, House, HipHop, Jungle usw. usf.) aufzufächern – hierzulande Anfang der neunziger Jahre noch in den Kinderschuhen. Zwar sorgten Brückenköpfe wie Alexander Hirschenhausers „Soul Seduction“ für Furore und einen überfüllten Wiener Volksgarten, Werner Geier schwenkte in der Ö3-“MusicBox“ konsequent vom Nick Cave-Apologeten zum Statthalter der Stereo MCs um und Dance-Pop-Projekte wie Beat 4 Feet, Edelweiß oder später die Bingo Boys drangen ohne großen Widerstand in die Hitparaden vor – die Differenzierung der Geschmäcker und die handwerkliche Beherrschung der neuen Produktionsmittel (Sampler, Sequencer, Tongeneratoren der Kategorie Roland 303, 808 und 909) stand aber noch aus.

„Clubmusic from Vienna created by …deejays“, das mußte in den Ohren der Rock-Traditionalisten und Jazz-Lehrgangsteilnehmer wie eine blasphemisch angehauchte Schnapsidee tönen. Tatsächlich dokumentiert „Danube Dance“ die ersten Gehversuche vieler späterer Größen. Da stoßen erstmals Richard Dorfmeister und Peter Kruder sowie Werner Geier und Rodney Hunter aufeinander (allerdings in getrennten Projekten), da geben so unterschiedliche Charaktere wie Stevie B., Gerhard Potuznik, Kriz, Alfi Budin, Makossa, Arno, Gebel oder DJ DSL Statements ab, da tauchen ominöse Größen wie Eberhard Forcher oder Wolfgang Puschnig auf. Und da liefert ein Peter Rauhofer erstmals eine Probe seines Talents ab, hartnäckig eine Vision zu verfolgen und an seiner eigenen Karriere zu feilen. „Unique Man“ wurde quasi zum Titelstück von „Danube Dance“ und tauchte später – in verkürzter und feingeschliffener Form – wieder unter dem neuen Firmenschild Club 69 auf. Auch Georg Luksch, der kongeniale Studiotüfler und Co-Autor vieler späterer Erfolge, ist hier schon mit von der Partie.

Rauhofer, damals Mitte zwanzig, nutzte geschickt seine Verbindungen in der DJ-Szene. Ausgangspunkt war, wie für viele Lokalheroen, Wolfgang Strobls „Dum Dum Records“ in der Wiener Kärntnerpassage – ein Laden, dessen Team die Szene die achtziger Jahre über mit Vinyl versorgte und selbst mit Projekten wie Georgie Red oder Graf Hadik Software lieferte. Rauhofer wußte sich allerdings rasch zu emanzipieren, wechselte als A&R-Manager zu GIG Records, kompilierte die „Dance Classics“-Reihe und stand nächtens im U4, den Sophiensälen oder im Technischen Museum am Mischpult. Bevorzugte Stilrichtung: treibender, harmonischer Vocal House. Genau der Sound, den die hedonistische, aufgeputschte In-Crowd schätzte.

Der neuen musikalischen Leitfigur der ekklektischen Neunziger, dem DJ, hatte hierzulande lange die Aura des verschwitzt-verschmitzten Plattenreiters nachgehangen. Mixkünste? Daheim, mit dem Moulinex-Rührstab, schon möglich. Entertainer-Status? Am Biertisch, beim Witzereißen, vielleicht. Damit war spätestens ‘92, ‘93 Schluß. Club 69, das lasziv-pragmatische Danceprojekt, das Rauhofer mit wechselnden Gaststimmen – von Connie Harvey über Jocelyn Brown bis Kim Cooper und Suzanne Palmer – in Szene setzte, landete mit „Unique“ und „Let Me Be Your Underwear“ internationale Hits. Die drastische, doch wirkungsvolle Formel eindeutiger Zweideutigkeit („Nachtleben hat immer mit Sex zu tun“, so Rauhofer. „Wenn ich ausgehe, geht es darum, wer wen aufreißt – egal, ob du schwul oder straight bist“) zog auch in Amerika. Das Debutalbum „Adults Only“ wurde vom angesagten Houselabel, Twisted, übernommen. Mittlerweile – anno ‘97 ist das zweite Album „Style“ erschienen – darf er sich als der Haus- und Hofstar der Danceschmiede betrachten. Die gelegentlichen Auftritte in Wien („Ich habe hier meine mentale Basis“), etwa im legendären „Heaven“-Club des U4 oder beim Life Ball, sind Szene-Heimspiele und Schmeichel-Schaumbäder inmitten einer Schar von Neidern und Bewunderern. „Ob ich auf Ö3 gespielt werde oder nicht, ist mir jedenfalls scheißegal“.

Daß solch gesteigertes Selbstbewußtsein auch auf Gegner treffen kann, die mehr aufzubieten haben als grantelnde Seitenblicke, mußte der House-Meister jedenfalls auch lernen. Ein ungenehmigtes Remake des deutschen Dance-Hits „Meet Her At The Loveparade“, das Rauhofer angeblich „nur remixt“ hat, führte zu einem erbitterten Rechtsstreit und zum Kommentar des Original-Schöpfers Da Hool, er werde „diesem Kerl den Arm brechen, wenn ich ihn sehe“.

Was schade wäre – dann muß vielleicht Madonna weinen.

(FALTER)

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