18 Jahre Pause – und nun eines der fulminatesten Live-Comebacks des Jahres: Roxy Music weihen am 26. September die neue Konzerthalle im Wiener Gasometer ein.
Die achtziger Jahre begannen 1972. Exakt: am 16. Juli 1972. „I tried but I could not find a way“ deklamiert zu diesem Zeitpunkt ein aufreizend gelackter, weitgehend unbekannter Nachwuchs-Dandy namens Bryan Ferry, dazu hämmert auf dem preßfrischen Vinyl eine mit Federboas und Pumafelljacken verkleidete Kunststudenten-Truppe (darunter der spätere „Ambient“-Erfinder Brian Eno) manisch in die Instrumente. „Next time is the best time we all know – but if there is no next time where to go?“
Die offensive Zeit-Ansage, inszeniert auf „Remake Remodel“ – dem ersten Song auf dem ersten Album von Roxy Music (das der britische „New Musical Express“ umgehend zum „besten ersten Album aller Zeiten“ erklärte) – führt schnurstracks in die Gegenwart. Denn dieser programmatisch-visionäre Auftakt katapultiert noch neunundzwanzig Jahre später die Band wieder auf die Bühne, quasi ansatzlos, und er macht umgehend klar, warum man sich auf dieses Live-Comeback freuen durfte, ja freuen mußte wie sonst keines in diesem Jahr. Hier ist eine Legende am Werk, die Pop (mit)definieren half. Und: diese Legende ist intakt.
Ferry, 56, probat erhalten im obligaten Silbersakko, und die Original-Mitstreiter Andy Mackay, 54, und Phil Manzanera, 50 – Eno hat abgesagt, wünscht aber allseits viel Vergnügen – schütteln mühelos jene Formel aus dem Handgelenk, die die aktuelle Avantgarde gerade angestrengt nachzubauen sucht: eine Mixtur aus Hedonismus, Retro-Futurismus und eleganter Dekadenz. Bei Bands wie The Strokes, Zoot Woman, Fisherspooner oder Ladytron (bezeichnenderweise benannt nach einem Roxy Music-Song) schwingt unleise, aber für das jugendliche Zielpublikum dennoch kaum dechiffrierbare Ironie mit, bei den perpetuierten Neuauflagen von Achtziger-Erfolgen – von New Order über Human League bis hin zu, sorry Fans!, Depeche Mode – ist der Anknüpfungspunkt ein routiniert-pragmatischer, solide qualitätsorientierter, und hinterläßt doch einen nostalgiebitteren Nachgeschmack. Alleweil mehr jedenfalls als bei Roxy Music.
Dreißig Jahre nach Bandgründung und vierzehn Jahre nach der letzten Roxy Music-Tournee besitzen Ferry und seine neun Live-Mitstreiter alles, was einen süffigen, von ernsthaften Comeback-Ambitionen leger Distanz nehmenden Konzertabend – dem ersten im neuen, 3200 Plätze zählenden Auditorium der Wiener Gasometer übrigens – verspricht. „Es gibt nur wenige Bands“, so der „Daily Telegraph“ zum Tournee-Auftakt in Dublin im Juni, „die einen solch reichen Katalog vorweisen können. Zeitlose Songs, die nicht einfach vergessen werden sollten“. Daß die Plattenfirma zum Live-Comeback einmal mehr eine „Best Of“-CD auf den Markt wirft (mit einer in Anbetracht der legendären Roxy-Plattenhüllen mit Covergirls wie Amanda Lear, Jerry Hall und Marylin Cole, der Ex-Ehefrau von „Playboy“-Gründer Hugh Hefner, schändlich plumpen Verpackung), kann den Nachlaß der Edelschmelz-Manufaktur nicht beschädigen.
Auch Ferry & Co. haben die Dekonstruktion ihrer Karriere keineswegs im Sinn. Die Live-Inszenierung – von fulminanten Hymnen wie „A Song For Europe“ oder „Both Ends Burning“ bis hin zu den aseptischen Spätwerken á la „More Than This“ – hält sich weitgehend an die historischen Vorlagen, ein neues Album ist nicht in Planung. „Ich habe nie ernsthaft an eine Reunion gedacht“, so Ferry. „Aber dann kam ein Konzertveranstalter auf uns zu, mit einem Angebot über eine Tournee mit 50 Terminen weltweit. Ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte, wie alles zuvor – es war zu verlockend. Außerdem werden wir ja nicht jünger. Dennoch, um der Wahrheit die Ehre zu geben: wir legen heutzutage weniger Make-up auf als früher“.