Billig-Fluglinien werden immer mehr. Und immer mehr zur Alternative für teure Linien-Flüge. Wer z.B. nach Berlin will, kann auch von Bratislava aus starten.
Ich fliege zwei- bis dreimal im Monat von Deutschland nach Österreich. Berufsbedingt. Lange Jahre von Hamburg aus, der Metropole mit dem elegantesten Flughafen (zumindest im innerdeutschen Vergleich), seit dem Sommer des Vorjahrs von Berlin. Das eigene Auto ist auf der derartig langen Strecken – annähernd eintausend Kilometer – keine sinnvolle Alternative, die Bahn nervt mit überbelegten Waggons, spärlichem Service und alles andere als günstigen Preisen. Immerhin kann man im Liegewagen zwischendurch ein gutes Buch lesen. Sofern nicht das Schnarchen der Kabinengenossen der Kontemplation Abbruch tut. Und Kabinengenossen schnarchen, so die Regel des Vielreisenden, immer. Oder die Heizung fällt aus.
Also Fliegen. Die Zeiten, wo man mit diesem Terminus eine elitäre Aura von Weltläufigkeit und einen Hang zum Luxus verband, sind längst passé. Das Flugzeug ist heutzutage der Postbus des Kosmopoliten. Und ähnlich der Situation der Post haben sich auch im Fluggewerbe Selbstverständnis, Leistungsumfang, Qualitätsanspruch und Konkurrenzsituation verändert. Teilweise dramatisch.
Gut so. Das Quasi-Monopol der AUA und Lufthansa führte zu absurden Erscheinungen. Teilweise war (und ist) es billiger, nach New York oder Hongkong zu jetten, als sich relativ spontan zu entscheiden, die eineinhalbstündige Reise nach Wien anzutreten. Und selbst hier war man, legte man auf Flexibilität Wert, schon nah dran an der Abgehobenheit der Business-Preisklasse. Nebstbei: warum Manager darauf bestehen, für ein etwas g’schmackigeres Käsebrötchen und den zweifelhaften Distinktionsgewinn eines Vorhangs, der die Business Class von der „Holzklasse“ trennt, den doppelten Preis zu bezahlen, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.
Im Lauf der Jahre bekommt man dann die Tricks raus, wie sich der Drang der Fluglinien, die Jets voll zu bekommen, für sich nutzen läßt. Etwa indem man konsequent „last minute“ bucht, auch auf die Gefahr hin, daß sich manchmal kein Angebot findet. Übrigens auch eine interessante Erscheinung: die „ausgebuchten“ Flieger sind dennoch, bucht man dann regulär, oft halbleer. Künstliche Verknappung des Angebots, Lufthansa & Co. wollen wohl eine Berechenbarkeit günstiger Flugverbindungen hintanhalten. Die undurchschaubare Preisgestaltung fast aller Major-Fluglinien läuft unter „hochprofitable Mischkalkulation“, so ein Experte. New York-JFK sei nun mal generell attraktiver als Berlin-Tegel. Warum aber Flüge von Österreich nach Deutschland in der Regel mehr kosten als umgekehrt, darauf konnte ich bis heute keine Antwort finden. Genauso auf die Frage, warum ein Einzelflug genauso viel kostet wie die Strecke tour-retour.
But the times, they are a-changing. Die Billigflieger sind da. Erst als vielbestaunte, doch eher exotische Erscheinung in fernen Landen. „Making travel affordable for everybody – and not just rich people“ war der Schlachtruf, als 1985 die irische Ryanair mit einer Turbopropeller-Maschine an den Start ging. Die „budget airline“ unterbot die lokalen Platzhirsche Aer Lingus und British Airways um mehr als die Hälfte; kaum jemand gab dem Unternehmen eine längerfristige Chance. Zwar hatten Southwest und andere Fluglinien in den USA schon gezeigt, wie ein Billig-Carrier wirtschaftlich erfolgreich sein kann – aber in Europa liefen die Uhren anders. Erst im Zug der Deregulierung seit 1997 ist es möglich, daß in der EU registrierte Fluggesellschaften alle EU-Staaten anfliegen und die Preise nach eigenem Ermessen gestalten dürfen. Ryanair erweiterte sein Service sofort auf das europäische Festland und fliegt heute mit 36 Jets 45 Ziele an. Passagieraufkommen: sieben Millionen pro Jahr. Bekannte Entrepreneure wie Richard Branson (Virgin) oder der griechische Reeder Stelios Haji-Ioannou (EasyJet) zogen nach. Seit ein, zwei Jahren schießen nun – während die Etablierten fusionieren und kämpfen wie wild – die Mini-Airlines en masse aus dem Boden. Derzeit liegt der Marktanteil bei fünf bis zehn Prozent. Branchenkenner glauben, daß es innerhalb der nächsten fünf Jahre über fünfzig sein könnten.
Hauptschauplatz der Preisschlacht ist zur Zeit Deutschland. Seit Herbst des Vorjahres versuchen viele Anbieter aber auch in Österreich zu landen. Ryanair steuert von Salzburg, Graz und Klagenfurt aus den Flughafen Stansted im Osten Londons an, mit Linz wird noch verhandelt. Andere Anbieter lugen über die Alpen, starten auch von Wien oder dem nahen Bratislava aus (siehe Kasten) oder haben sich – wie Buzz – schon wieder aus dem kleinen Markt zurückgezogen.
Wie fliegt es sich nun mit den Billigsbergern? Ein nicht unfreudiger Selbsttest wird angeleiert. Die Homepage von Sky Europe ist rasch gefunden, klar strukturiert und ohne unnötiges Propaganda-Geklingel. Flüge nach Berlin ab 69 Euro (one way), und das viermal wöchentlich – das klingt mehr als brauchbar. Schlußendlich werden es eine Handvoll Euro mehr, die Ticket-Kategorien zwischen „Special“, „Promo“ und „Smart“ sind nicht alle zu haben. Je länger die Vorbuchungsfrist, desto größer die Chance, einen besonders günstigen Tarif abzustauben. „Wir drehen das last minute-Prinzip um“, so Sky Europe-Chef Christian Mandl, ein Belgier mit österreichischem Paß. „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Höchste Effizenz sei das grundsätzliche Erfolgsgeheimnis seines Unternehmens, so Mandl. Das Bruttogehalt eines Piloten betrage nur 1100 Euro (die Kaufkraft sei in der Slowakei aber mit dem Gehalt eines AUA-Piloten vergleichbar), es gäbe keine kostspielige Logistik- und Image-Infrastruktur, man erspare sich das Ausstellen von Tickets oder die Bezahlung von Reisebüro-Provisionen, bedient werden nur Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ohne Rücksicht auf Anschlußmöglichkeiten, geflogen wird von Nebenflughäfen.
In meinem Fall heißt der Nebenflughafen Bratislava. Tatsächlich wirkt der Airport der slowakischen Hauptstadt, kaum fünfzig Kilometer von Wien-Schwechat entfernt und bequem per Shuttle-Bus erreichbar, ein wenig verloren in Raum und Zeit. Der (bewachte Gratis-)Parkplatz grenzt direkt an das Hauptgebäude, das wiederum – an einem Sonntagvormittag – eher menschenleer ist. Am Rollfeld alte MIG-Hubschrauber, eingemottete Jets, fünf Maschinen insgesamt. „Wie die Kulisse zu einem Fünfziger Jahre-Agententhriller“, merkt mein Begleiter an, zeigt sich dann aber doch sehr angetan von der absoluten Hektik-Freiheit des Betriebs. Zollkontrolle und Formalitäten sind rasch erledigt, die Embraer 120-Propellermaschine steht direkt beim Ausgang auf das Vorfeld. Kapazität: 30 Passagiere, halbvoll. Angenehmer Flug, keine Besonderheiten, es gibt Kaffee und Wasser. No frills? Ach, bitte. Weiche Landung nach knapp einer Stunde in Tempelhof, einer ebenfalls atmosphärisch und historisch nicht uninteressanten Berliner Zieladresse. Zumal Tempelhof deutlich zentraler liegt als Tegel.
„Billigflieger erfüllen ihren Zweck, nicht mehr nicht weniger“, urteilten die Kollgen vom profil. Eher mehr, würde ich sagen. Und daß AUA und Lufthansa ein rauherer Wind entgegenbläst, seit es Alternativen gibt (ab Februar fliegt auch AirBerlin die Strecke, mit Lockangeboten ab 29 Euro), tut gut. Sieh’ da, plötzlich gibt es auch bei den altbekannten Adressen „Spezialangebote“. Fahr’ mit mit dem knallroten Flugautobus!
(FALTER)