Anmerkungen zu einem Phänomen, an dem man dieser Tage (oder gar die nächsten Jahre über?) kaum vorbei kommt.
Gelegentlich erlaube ich mir den Spaß und streue unschuldig-beiläufig das Stichwort „Starmania“ in den üblichen Smalltalk. Das Ding geht hoch wie eine Tretmine. Denn die Reaktion ist – selbst Wochen nach der TV-Ausstrahlung – immer dieselbe, egal ob es sich um eine Runde von Branchenkollegen handelt, um Journalisten, Musiker oder harmlose Nachbarn mit noch harmloseren Brotberufen. Es bricht augenblicklich eine heftige Diskussion los. Eine Diskussion, in der rationale Argumente gegen Emotionen kaum eine Chance haben.
Das spricht für das „Starmania“-Konzept. Denn daß ein biederes Karaoke-Wettsingen zu einem Medienevent werden könnte, das Massen und Millionen bewegt, darauf hätte man vor einiger Zeit keinen Cent verwettet. Der ORF hat die internationalen Vorbilder nicht nur frühzeitig geortet, sondern auch clever adaptiert – so clever, daß sich heute ARD & Co. bei Reinhard Skolic anstellen und der „Original“-Erfinder Simon Fuller durch die Finger schaut.
Die Diskussion dreht sich weniger um die künstlerischen Qualitäten der „Starmania“-Protagonisten (die interessieren vorrangig Fünf- bis Fünfzehnjährige), mehr schon um das Kalkül der Macher hinter den Kulissen. Und tatsächlich gäbe es da einiges zu diskutieren. Etwa die Vermutung, daß der ORF „Starmania“ jetzt jahrelang als moralisches Feigenblatt vorweisen wird, wenn die Frage nach Engagement und Sendezeit für die heimische Musikszene aufkommt. Oder die Expertisen zum Thema „return on investment“, die Spötter prognostizieren läßt, der Profit aus den, grob geschätzt, etwa 200.000 verkauften „Starmania“-CDs, Singles inklusive, stehe zumindest für Universal in keinem Verhältnis zum Aufwand. (Der Marktanteil des Konzerns spricht da allerdings eine andere Sprache.) Oder der kühl kulturkritische Ansatz, daß ein Kenner wie Bogdan Roscic ja wohl die Produkte der singenden „Gurkenbauern“ (Copyright Alf Poier) nur nach Betäubung seiner Geschmacksnerven als „sensationell“ bezeichnen könne, oder nach Lektüre seiner Bonus-Abrechnung. Oder das Rätselraten darüber, welchen Schnitt ein Herbert Fechter mit den „Starmania“-Shows macht, wieviel der ORF Peter Wolf nach L.A. überweisen durfte oder ob Michael Tschuggnall schon den Standard-Künstlervertrag in der Edelsinnstrasse unterzeichnet hat.
Fakten sind bei solch erregten Erörterungen, wie gesagt, kaum im Spiel (da sie kaum jemand kennt), dafür umso mehr Emotionen. Das ist gut auf Konsumentenseite, verständlich im Musikergilde-Online-Forum, weniger angebracht an der Business-Front. Wenn Sie mich fragen: mir ist jeder Euro, der mit „Starmania“ verdient wird und entschiedene Investitionen in andere A&R-Projekte, etwa neue Alben der Waxolutionists oder von Super City Sound System, ermöglicht, herzlich willkommen. Mindestens so willkommen wie den Musikern rund um Chefdirigent Thomas Rabitsch jene nicht unbeträchtlichen Summen, die der ORF in kreativ maßgeschneiderte Playbacks für die „Starmania“-Cracks investierte. Und damit die Studio-Dauerflaute zumindest mindern half. Applaus, durchaus!
Noch besser gefiele mir bei der angedachten zweiten Staffel von „Starmania“, wenn man die positiven pekuniären Effekte für die heimische Pop-Landschaft konsequent ausbauen würde. Was etwa, wenn man dem ORF erlaubte, einen höheren SMS- oder Anruf-Mehrwert-Share jenseits angeblicher reiner „Kostendeckung“ zu lukrieren? Und diese für österreichische Marktverhältnisse durchaus gewaltigen Beträge, zumindest teilweise, zweckgebunden der Nachwuchsarbeit zur Verfügung zu stellen? Was heißt erlauben, man müßte Lindner, Scolik & Co. regelrecht – Franz Morak, herhören! – dazu auffordern. Denn ein Kulturgroschen, der von vielen gar nicht bemerkt, von anderen freiwillig oder sogar stolz geleistet würde, stünde einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen allemal gut zu Gesicht. Selbst wenn damit vorrangig eigene Szene-Foren wie der „FM4-Soundpark“ ein solides Finanz-Rückgrat erhielten. (Beim deutschen RTL-„Superstar“ bleibt das Geld ja auch in der Bertelsmann-Familie. Welchen Alternative Rock Star damit wohl Thomas Stein finanziert? Oder fließt das alles ins Recording Budget der Scorpions …?)
Sie sagen, sowas darf der ORF gar nicht? Ach wo. Product Placement oder Unterbrecherwerbung darf er ja auch nicht. Und tut es, noch dazu ziemlich ungeniert, doch. Also dann gleich offiziell und mit vollem Karacho. Wenn so ein, zwei Millionen für die österreichische Musikszene abfallen, bin ich für die Fortsetzung von „Starmania“ bis in alle Ewigkeit. Oder zumindest bis die nächste Konzept-Sau durchs Dorf getrieben wird.
Denkt Mischa Zickler, Österreichs Simon Fuller, schon an die „Zweite Chance“ für ehemalige Austropop-Heroen?