Warum es so schwierig ist, Futter für seinen iPod zu bekommen, warum die Musikindustrie MP3-Nutzer noch immer für Satanisten hält und warum Apple-Chef Steve Jobs ein Mann mit Visionen ist.
Es ist eine fremde, seltsame Welt. Ich liebe Musik, ich kaufe im Jahr etwa siebzigmal soviele CDs wie die IFPI-Statistik im Schnitt jedem Österreicher zurechnet, und ich höre sie gerne unterwegs. Um nicht immer einen CD-Player mit mir rumschleppen zu müssen, gern via Notebook. Oder auch, wenn möglich, mittels meines neuen Lieblingsspielzeugs, Apples schickem MP3-Player iPod.
Wenn möglich? Nun: der iPod setzt voraus, daß die Musikstücke, die ich mir zu Gemüte führen will, als MP3-Files vorliegen. Das sollte heute kein Problem sein, möchte man meinen, schließlich handelt es sich um einen milliardenfach verbreiteten Quasi-Standard. Und normalerweise rippt mein Computer eine CD in Sekunden. Das bißchen Arbeit beim Umwandeln der Tracks nimmt man gerne in Kauf, da sie dann – katalogisiert und wohlgeordnet – auf der Festplatte ruhen, und die vergleichsweise weniger kompakten Silberscheiben im Regal bleiben können. So läßt sich probat eine mittlere Musikkollektion, die sonst in Kilo und Zentnern zu bemessen wäre, mit sich herumtragen.
Nun hat aber die Musikindustrie das Phänomen „kopiergeschützte CD“ erfunden. Klar, gegen Raubkopien, Schulhofpiraterie und Bootleg-Massenvervielfältigung soll und muß etwas getan werden. „Ohne Geld ka Musi“ ist ein Sinnspruch, den nicht erst Bill Gates erfunden hat. Wie gesagt: ich bin gerne bereit zu bezahlen. Für inhaltlich und audiotechnisch höchstwertige Tonträger, vorzugsweise in adäquater Verpackung (also möglichst anderes, besseres als diese öden Plastikschachteln mit zweiseitigem Billigst-Booklet). Aber ich möchte auch die Freiheit besitzen, diese CDs bzw. den darauf enthaltenen Content so abzuspielen, wie es mir beliebt. Auf meiner älteren, exquisiten HiFi-Anlage, in der Playstation, im CD-Porti , auf dem neuen DVD-Player oder im Autoradio, auf meinem PC oder Laptop, oder eben via iPod.
Die kopiergeschützte CD aber, im engeren technischen Sinne eigentlich gar keine „Compact Disc“ mehr, spielt da nicht mit. In der HiFi-Anlage erzeugt sie seltsame Geräusche. Im portablen CD-Player neigt sie zu Aussetzern. Im Auto oder am PC gibt sie überhaupt keinen Mucks von sich. Das Computer-Fachmagazin „c’t“ hat diese Silberscheiben, die herkömmlichen CDs täuschend ähnlich sehen, „Un-CDs“ getauft. Und fordert seine Leser auf, ihre Probleme mit dieser neuen Spezies an widerspenstigen Tonträgern zu reportieren. Auch eine Möglichkeit, seinem Ärger Luft zu machen. Ich kenne allerdings Freunde und Kollegen, die tragen solche CD-Objekte gleich wieder schnurstracks zum Händler zurück. Der hat damit sicher auch ganz viel Freude.
Ja, ich weiß: es gibt – meist, nicht immer – unmißverständliche Hinweise und Logos, die darauf hinweisen, daß eine CD kopiergeschützt ist. „Not playable on PC/Mac…“ usw.usf. Wie bekomme ich aber nun die Musik, für die ich bezahlt habe, auf legalem Weg in meinen MP3-Player? Und zwar ohne nervtötende und klangmindernde Umwege über eine Analogaufnahme? Die stupende Antwort lautet: gar nicht. Ein iPod scheint für die Musikindustrie ein Apparat von und für Teufelsanbeter zu sein, damit kann, darf und will sie nichts zu tun haben. Und wenn irgendwelche Schlaumeier jetzt auf „Popfile“ & Co.verweisen, dann sei ihnen gesagt, daß dort gerne umständlichst andere Formate verkauft werden, nur keine leicht – für den vom Gesetzgeber ausdrücklich erlaubten Privatgebrauch! – portier- und kopierbaren MP3-Files.
Das ist, pardon, nicht nur arrogant und weltfremd, das ist in höchstem Maße kontraproduktiv. Denn ich werde bestraft, obwohl ich nichts verbrochen habe. Und ich werde förmlich gezwungen, mich Kaazaa zu bedienen. Dort finde ich jedes Musikstück in Sekundenschnelle. Leider illegal. Dabei hat der Durchschnittskonsument jenseits der Pubertät, also auch ich, mit Piratenromantik und Anarcho-Ideologien wenig am Hut. Ich will schlichtweg Futter für meinen Player.
Wie sagte doch der deutsche Sony-Hardware-Geschäftsführer Leo Bonengl, ein Österreicher, unlängst in einem Interview mit „Computerbild“? „Das Recht auf Privatkopie muß erhalten bleiben. Es gibt da keine zwei Meinungen im Konzern.“ Danke, Leo. Schließlich möchte der Konzern ja auch weiterhin, PCs, CD-Brenner , DVD- und MP3-Player verkaufen. Und wenn ich eine Sony-CD erwerbe, möchte ich die mit Sony-Equipment jederzeit und überall abspielen können. „My First Sony“ könnte andernfalls rasch “My Last Sony” sein. Zumindest auf der Software-Seite.
Bei allem Verständnis für vom in rasanter Talfahrt befindlichen Markt gebeutelte Managing Directors: wann versteht man endlich, daß man nicht sturköpfig gegen den Konsumenten agieren kann? Der Kunde ist König, hieß die Leitregel. Ist lange her. Der Kunde ist ein Kleinkrimineller, dem man präventiv Fußfesseln anlegen muß – so lautet der Wappenspruch der Musikindustrie anno 2003. Dabei müßte man nur mal aus der Chefetage einen Blick auf die CeBit oder die Berliner Funkausstellung werfen, oder gelegentlich ein paar HiFi-Magazine am Kiosk erwerben: da ist längst nicht mehr von CDs die Rede (eher schon, abfällig bis ratlos, von den Un-CDs), sondern von Servertechnologien, Multimedia Streamern, Breitband-Vernetzung und fetten Festplattenspeichern. Und MP3 ist in diesem Kontext ein fixes Kürzel. Und wird es auf Jahre hinaus bleiben. (Microsofts WMA-Format z.B. kann mein iPod gar nicht leiden).
Ich warte also auf den Tag, da mir die Japaner das Lebenswerk von Bruce Springsteen als wohlfeiles MP3-Bündel zugänglich machen. Eventuell mit einer Surround-„Greatest Hits“-DVD als Zugabe. Würd’ ich glatt ein einige Euro hinlegen für solch ein Angebot. Denn die Zeit und die Lust, meine Vinyl-Sammlung in digitale Files umzuwandeln, die fehlt mir. Doch mein iPod braucht Futter, Futter, Futter.