Archive for September, 2003

Wandelbar, kein Klappverdeck

22. September 2003

Convertible: die neueste Wandlung in der langen Historie des österreichischen Pop-, Rock- und Elektronik-Musikers Hans Platzgumer. Ein biographischer Waschzettel zum ersten Album unter neuem Namen.

convertible [-tebl] I. adj.
1. um-, verwandelbar;
2. konvertierbar; umwandelbar; (bond) Wandelobligation
3. auswechselbar, gleichbedeutend
4. bekehrbar
5. (mot.) mit Klappverdeck; II s.
6. (mot.) Kabrio´lett n.

(Langenscheidts Großes Wörterbuch)

Geben Sie „HP Zinker“ in Google, die Internet-Suchmaschine, ein und Sie erhalten 1180 Treffer. Oder den Namen „Hans Platzgumer“. 5440 Hits. Sprich: Querverweise auf unzählige Seiten, Porträts, Miniaturen von, zu und über Hans Platzgumer. Einen der eigenwilligsten, kreativsten und produktivsten Musiker des deutschsprachigen Raums. Und über sein bislang populärstes und bekanntes Projekt – die legendäre Formation HP Zinker.

Jetzt ist der Kern dieser Legende wiederzuentdecken. Allerdings nicht als sentimentstrunkene Retro-Replika, sondern quasi als Neuerfindung, als Wieder- und Nachgeburt, die mit gierigen Zügen Gegenwart ein- und ausatmet. HP ZINKER transformiert und konvertiert in das Jahr 2003 firmiert unter „Convertible“.

Gegründet wurde HP Zinker 1989 gemeinsam durch Hans Platzgumer und Frank Pümpel. Platzgumer, ’69 in Innsbruck geboren, hatte bis dahin schon durch Begabungen und Aktivitäten aufhorchen lassen. Nach einem Studium der klassischen Gitarre am Konservatorium Innsbruck und privatem Klavierunterricht setzt der gerade mal 17 Jahre alte Bersch sein erstes Statement: das Audio-Manifest „Tod der CD!“, ein LoFi-Dokument (natürlich nur auf Vinyl), das heute ein gesuchtes Sammlerstück ist. Wenig später folgen erste Tourneen durch Europa und einige Ostblockländer. Platzgumer lebt zu jener Zeit teils in Berlin, teils in Wien, wo er 1989 ein Elektroakustik-Studium an der Musikhochschule abschließt. Parallel dazu veröffentlicht er Alben, solo, aber auch mit neuen Projekten wie KÖB, den Capers oder Platzlinger (ein Duo mit dem Berliner Free Jazz-Schlagzeuger Peter Hollinger).

Sommer 1989 folgt der Sprung nach New York. „And There Was Light“, das erste Zinker-Album, führte zur Gründung von Matador Records, heute eines der wichtigsten Indie-Labels weltweit. Auch das Label Thrill Jockey in Chicago erhält durch Platzgumer & Co. wichtige Startimpulse. In London übernimmt Roughneck. Gemeinsam mit New Yorker Szenegrößen wie Sonic Youth, Jon Spencer Blues Explosion, Lemonheads oder Helmet steht man auf der Bühne. Nach fünf Alben endet mit „At The Mountains Of Madness“ die erste Lebensperiode von HP Zinker. Fazit: Tourneen weltweit, zahlreiche Singles, Videos, Bootlegs, Compilations, Grammy-Nomination (für die Covergestaltung von „Mountains“ durch Stefan Sagmeister).

Nebenher hat sich Platzgumer an Theater- und Filmmusik („Tief Oben“) erprobt. Konsequenterweise zieht er dazu nach Los Angeles, studiert vor Ort autodidaktisch klassische Movie Scores und symphonische Orchestrierung und wird Mitglied der amerikanischen Association of Composers, Authors and Performers.

In den USA erscheint, wenn schon nicht alles, so doch einiges erreicht. 1995 zieht es Platzgumer folgerichtig zurück nach Europa. Zunächst nach Hamburg. Abstecher zu den Goldenen Zitronen, wo er u.a. das richtungsweise Album „Economy Class“ mit einspielt und mit den Zitronen durch Europa tourt. Parallel dazu intensive Forschungen im neuen Bereich der Elektronik (u.a. mit Projekten wie Aura Anthropica, Separator, Cube & Sphere) und die Produktion des – kommerziell sehr erfolgreichen – Albums „Es ist egal, aber“ der Hamburger Band Tocotronic. Wieder Umzug, diesmal nach München. Gründung des eigenen Tonstudios „Son Montuno“, der Veröffentlungsplattform „Seperator Series“ in Kooperation mit dem Label Disko B und zahlreiche DJ-Performances sowie Liveauftritte in verschiedensten Besetzungen.

And the beat goes on… 1988: Fertigstellung von ‘Fingerfood’ und ‘Cube & Sphere’ mit dem Wiener Musiker Gerhard Potuznik. Beginn der Zusammenarbeit mit dem japanischen Sänger/Künstler CaMi Tokujiro im Projekt Shinto. Neue Platte als Aura Anthropica auf dem englischen Label Domino Records, weitere Releases auf Disko B (München), Cheap (Wien) und The Music Cartel (NY). Produktion eines Hörspiels für den Bayerischen Rundfunk: ‘Unterwegs’ von Jack Kerouac.

Platzgumer erhöht des Tempo weiter, die Discografie nimmt beachtliche Ausmaße an. Bis zur Jahrtausendwende folgen weitere Veröffentlichungen im experimentell-elektronischen Bereich. Darunter neue Alben mit Cube & Sphere und Shinto, die CD ‘Mercury Rising’ mit der schottischen Sängerin Catriona Shaw sowie die Fertigstellung eines weiteren Soloalbums (‘Datacard’). Dazu kommt die Produktion des deutschen Hörspieles ‘Radio Noir’ von Albert Ostermayer, ein Soundtrack zur brasilianischen TV-Dokumentation ‘Sao Paulo’, die Zusammenarbeit mit dem Münchner Videokünstler Georg Gaigl (Videoclips, Plattencover, Installationen), Remixe und Auftragsarbeiten u.a. für DJ Hell, Tocotronic, Towa Tei und Peter Sandbichler und zahlreiche Auftritte in Europa und Japan. 1999 markiert schließlich auch die Geburt von Marvin, Hans Platzgumers erstem Kind.

In Folge reduziert der Künstler zwar Zahl der Live-Auftritte, vertieft sich dafür aber in Film-Scores (‘Pash.com’, ‘White Noise: Der Weisse Rausch – Das Weisse Rauschen’), Hörspielproduktionen und multimediale Ausdrucksformen in Verbindung mit Video-, Internet-, Performance- und Kochkunst. Fazit: vier Videos und zahlreiche Aufführungen der ‘Datacard’-Tracks, Produktion der deutschen Hörspiele ‘Welche Farbe hat Rainhard Fendrich?’, ‘Günther Koch Remixed’, ‘High’ und ‘Sakakibara Seito’, welche großteils auch als CDs auf den Markt kommen.

Doch auch „ein gewisser Pop-Appeal“ (Platzgumer) kehrt zurück. Fertigstellung neuer Alben mit Queen Of Japan, einer „Fake-Supergroup“, die fast ausschließlich skurrill verfremdete Cover-Versionen darbietet, und Aura Anthropica. 2001 schließt Platzgumer ein Multimedia-Studium am SAE-College ab und wendet sich mehr und mehr dem Webdesign zu. Aber die Musik kommt keinswegs zu kurz: es gibt abermals einen Cube & Sphere-Release und ein neues Soloalbum (‚Denial Of Service‘), 2002 folgt ein Electro-Pop-Album („Software“, Doxa Records) gemeinsam mit Catriona Shaw. Eine Kollaboration mit der Filmemacherin Siegrun Appelt („Railroad2“) wird in 13 europäischen Bahnhöfen konzertant aufgeführt. Auch an Queen of Japan, Shinto und HPStonji schraubt Platzgumer weiter herum. Sogar für André Heller ist er als Produzent und Remixer tätig. Ein Buch von und über Hans Platzgumer ist in Vorbereitung.

Dann steht plötzlich wieder HP Zinker auf der „to do-list“ des Multi-Talents. Ein nostalgischer Anflug? Ein Wiederaufgreifen der gerade hoch im Kurs stehenden Indie-Rock-Formel? Ein Comeback nach Maß? Ja und nein. Denn Platzgumer zögert, den alten Namen wieder auszugraben und einen Mythos aufzupolieren. Um es in seinen eigenen Worten zu sagen: „Es wird ein neues Album nach vielen Jahren elektronischer Erfahrung geben, der Titel ist „Convertible“… Kombiniert klassisches Pop-Songwriting mit diffizilen digitalen Soundscapes. Postrock 2003. Hans Platzgumer produziert und spielt alleine. Live als Rock-Trio mit Teilen der Originalbesetzung.“ (e-mail vom Herbst 2002)

HP Zinker 2003 ist also Convertible. Ein paar Details wurden nachjustiert, das Grobkonzept aber konsequent umgesetzt. Wie’s klingt? Ausgeschlafen, ruhig (nicht immer) und kraftvoll (fast immer), mächtig, kompromißlos. Rock-Klischees prallen auf Maschinenmuster, Egomanie auf Detail-Frickelein, gerade Beats auf querschlagende Sound-Einsprengsel und Moll-Akkorde. Platzgumers eigenwillige und sehr persönliche Sicht der Dinge wird nicht durch das Bandformat gefiltert. Convertible ist eine Introspektion mit selbstbewußter Außendarstellung. Ein Statement. Mit Gewißheit eines der wichtigsten künstlerischen Statements im Bannkreis der kargen österreichischen Pop-Landschaft anno 2003. (Wobei es kaum Sinn macht, den Kosmopoliten Platzgumer auf seinen Paß zu reduzieren…). Daß mit Universal Music Austria erstmals ein Major-Label einen der produktivsten und innovativsten Musiker weit und breit zu würdigen weiß, darf als erfreuliches Detail gewertet werden.

Hans Platzgumer, Hannah MacKenna und E.Stonji haben, um Convertible Realität werden zu lassen, mehr als eineinhalb Jahre im Studio (Son Montuno, München) und im Cyberspace zugebracht. Resultat: vierzehn Songs und Zwischenstücke („Interludes“), die ziemlich geradlinig Post-Rock und Psychedelia mit klassischem Songwriting verbinden. „While the guitar gently weeps, the soundscapes eternally float and the lyrics touch the core of human relations, this records bridges the gap between the 60ies, Radiohead and Aphex Twin”, steht auf Platzgumers Homepage zu lesen (www.hansplatzgumer.de) Und wieder ist Stefan Sagmeister, dem erst 2002 eine Personalie im Wiener MAK gewidmet war, als Cover-Gestalter mit im Spiel.

Live wird Convertible durch eine klassische Rock-Dreierformation – Gitarre/Vocals, Bass, Drums (und nur sehr wenig Elektronik) – umgesetzt. Platzgumer hat als Mitsreiter die Franzosen Christophe Toulet am Bass und Stephane Brunet am Schlagzeug auserkoren. Für Februar 2004 ist eine Tour durch Österreich, Deutschland und die Schweiz geplant.

Gibt man „Convertible“ in die Google-Suchmaschinerie ein, erhält man über zwei Millionen Treffer. Davon hat kaum einer mit Hans Platzgumers neuestem Projekt zu tun. Noch. „Your Pull Is Gone”, die erste Single aus dem kommenden Album, erscheint am 27.Oktober 2003. Das Album selbst folgt Ende Januar 2004.

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Universal Soldiers

11. September 2003

Fallen die CD-Preise? Universal Music macht es in Amerika vor – Dumping-Strategien und Druck auf den Handel sollen gegen Internet-Piraterie und Schwarzbrennerei helfen. Deutschland wartet, wie ganz Europa, noch ab.

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Ceterum censeo: CDs sind zu teuer! Jahrelang war das ein Stehsatz, der in keiner, wirklich keiner Debatte zur Gegenwart und Zukunft der Musikindustrie fehlen durfte. Gleichsam das Credo frustrierter Konsumenten, Handelspartner, Internet-Ideologen und Wirtschaftsanalysten, im Gegenzug mehr oder minder geschickt entkräftet und umgehend verteufelt von der Mehrzahl der Musikindustriekapitäne und Plattenbosse.

Der Preis einer CD, hieß es unisono von deren Seite, sei ja nicht an den marginalen Fertigungskosten des Tonträgers zu messen – die kämen tatsächlich billiger als jene des Vorgängers, der Vinyl-LP. Die drauf enthaltene Musik aber, neudeutsch: der „content“, schlage mit immer höheren Beträgen zu Buche. Respektive deren Vermarktung. Videos, Medienkooperationen und Handels-Promotionzuschüsse würden Unsummen verschlingen. Doch ein Künstler, dessen Werk nicht massiv mit Geld nach vorne geprügelt werde, hätte inmitten des allgemeinen Marketing-Overkills und der Reizüberflutung kaum eine Chance. Selbstverständlich, so der Tenor der „Big Five“ Universal, Warner, BMG, Sony und Capitol/EMI, müsse da der Konsument sein Scherflein beitragen – ein durchschnittlicher CD-Preis zwischen 15 und 20 Euro hätte schon seine Richtigkeit. Und an einen Preisnachlaß sei nicht einmal im Traum zu denken.

Über Nacht aber war alles anders. Am Donnerstag, dem 4. September 2003, schreckte eine Nachricht die Branche auf: Universal, der weltgrößte Musikkonzern, senkt ab Anfang Oktober die Großhandelspreise für CDs bis zu einem Drittel. Radikal, weil flächendeckend. Zunächst allerdings nur im Land der begrenzten Unmöglichkeiten, den USA. Resultat: eine unverbindliche Preisempfehlung von 12,98 Dollar, also knapp 12 Euro, pro Silberscheibe. In Kenntnis der Marktmechanismen konnten die Universal-Manager davon ausgehen, daß der durchschnittliche CD-Preis – für reguläre Ware, keine „Nice Price“-Schnäppchen – damit auf rund zehn Dollar sinken würde. „Eine Revolution, eine wahrhaftige Faustwatsch’n“, so der FM4-Feuilletonist Martin Blumenau. „Ein gewagter Schritt“, wie auch Universal-Chairman Doug Morris eingestand. Die Meldung sei eingeschlagen wie eine Bombe, erklärte ein Vertreter einer Vereinigung unabhängiger Plattenläden gegenüber der „L.A. Times“. Die Schrecksekunde der Major-Konkurrenz dauerte Stunden, in vielen Fällen Tage. Bei einigen hält sie – no comment – immer noch an.

Dieser Schlag kam wirklich überraschend. So unangekündigt jedenfalls, daß mancher regionale Universal-Geschäftsführer sich am 4. September noch ungläubig die Augen rieb beim Studium der Mail-Depesche aus dem Hauptquartier, während bei der Vorzimmerdame die ersten Journalisten bereits dringliche Auskunft zum brisanten Thema begehrten. Dabei waren die Vorbereitungen seit Monaten gelaufen. In Marktanalysen hatten Meinungsforscher im Vorfeld herausgefunden, daß 53 Prozent aller US-Konsumenten (Zielgruppe 16 Jahre und älter) keine CDs und Cassetten mehr kauften, weil sie zu teuer kämen. Ziel der neuen Preisstrategie, hieß es aus den USA, sei es also schlicht, „die Musikfans in die Geschäfte zu bringen und die Verkäufe zu steigern“.

Im Klartext: man war und ist dringend auf der Suche nach einer attraktiven Botschaft, die als Kampfsignal gedeutet werden kann und darf. Die Mehrzahl der Konsumenten hat anno 2003 auch schon mal von Kazaa und CD-Brennern gehört, ist damit aber nicht wirklich vertraut. Manche besitzen keinen High Tech-PC bzw. Internet-Zugang, viele sind – nicht zuletzt aufgrund der aktuellen RIAA-Klagen und massiven Abschreckungskampagnen – gewillt, die Finger davon zu lassen. „Stealin’ is bad karma“, in diese Kerbe schlug folgerichtig auch Apple-Vordenker Steve Jobs mit seinem iTunes Music Store. Anfang September hatte er mit der prototypischen Download-Plattform bereits 10 Millionen Downloads verkauft, zum Durchschnittspreis von 99 Cent je Musiktitel. Die hohen Preise des traditionellen physischen Tonträgers ließen sich in Anbetracht der Situation auf Dauer nicht halten.

Unter Experten gilt die CD als längst entwertetes Produkt mit Ablaufdatum. Nachfolgeformate wie die Super Audio-CD (SACD) oder DVD-Audio, die bislang unkopierbare, qualitativ höchstwertige Mehrkanal-Klangeindrücke bieten, gewinnen abseits technikverliebter Esoterik-HiFi-Zirkel erst langsam Fans und Käufer. Bislang waren die CD-Nachfolger zu teuer, oft inkompatibel, zu überkandidelt für den Alltag des durchschnittlichen Pop-Konsumenten. Zumal der längst begonnen hatte, seine Lieblingsscheiben höchst kompakt als MP3-Kollektion auf der Festplatte seines Computers zu archivieren oder auf schnuckeligen Mini-Playern mit sich herumzutragen. Der Nachschub an aktuellen Ohrwürmern, Charts-Stürmern und Eintagsfliegen wurde – da unkompliziert, treffsicher und vor allem gratis – meist bei Kazaa & Co. gezogen. Es sei nun Ziel der Anstrengung, so Universal Music-Präsident Zach Horowitz, die Konsumenten weg von illegalen Musikangeboten zurück in die Geschäfte zu holen. Josh Bernoff, ein Analyst von Forrester Research, sieht das anders: „Im Grunde ist die Botschaft dieses Schritts: „Wir geben auf“.

Vielleicht ein voreiliger Schluss: denn in Wirklichkeit ist der Schritt der drastischen Preissenkung für Universal weit weniger dramatisch, als er auf den ersten Blick aussieht. Bluten müssen vor allem die großen Handelsketten, denen im Zug der Preissenkung die Rabatte und Sonderkonditionen gestrichen werden. Der kleine Einzelhändler, also der Plattenladen á la „High Fidelity“, darf – sofern es ihn noch gibt – aufatmen. Plötzlich erhält er dieselben Konditionen wie WalMart & Co., die noch dazu mehr Regale für die billigeren Tonträger freimachen sollen. Dran glauben müssen allerdings auch die Künstler, deren Beteiligung sich im Regelfall an den Händlerabgabepreisen festmachen läßt. Den Marketingstrategen in den Chefetagen ist derlei herzlich egal – ihre Aufmerksamkeit gilt voll und ganz dem größten Feldversuch seit der Erfindung des Digitaltonträgers. Kann, soll, wird die CD so wieder „heiß“ werden? Man darf jedenfalls Wetten abschliessen, daß die anderen Majors das Universal-Modell rasch adaptieren und übernehmen. Universal hat sich selbst und den Rest der Bande unter Zugzwang gesetzt.

In Europa ticken die Uhren – noch – anders. „Das Signal aus den USA heißt: unsere Preise können flexibel sein“, so Universal Deutschland-Chef Tim Renner. „Wir beobachten die Entwicklung, aber planen zur Zeit selbst keine Veränderung des Preissystems“. Wie bitte? Nun: Import-Restriktionen, EU-Schutzzölle und bürokratische Barrieren verhindern das ungenierte Überschwappen der US-Dumping-Welle. Vorerst. Allerdings wissen auch Renner und seine Kollegen, daß sich ein Preisgefälle auf Dauer nicht künstlich abschotten läßt. „Wenn sich das System für den Handel, den Markt und für Universal bewährt“, so Renner, „gibt es keinen Grund, nicht auch in Deutschland über Veränderungen nachzudenken“.

Eine zu zögerliche Reaktion? „Der 4.September ist der Tag, an dem die Musikindustrie im deutschsprachigen Raum ihr eigenes Todesurteil unterschrieben hat“, ereiferte sich der Radiomoderator und Net-Feuilletonist Martin Blumenau auf der Homepage des Wiener Kult-Radiosenders FM4. Ohne weltweit einheitliche Preislogik kein Aufschwung. „Wenn die Europäer, vor allem die Deutschen, an ihrer derzeitigen Position festhalten, werden sie allesamt versinken“. Resultat des Mahnrufs: eine intensive Diskussion unter den Hörern. Innerhalb der üblichen Bandbreite – von rechtschaffenen Brandredner pro Künstler, Kleinlabel und Indie-Musicstore bis hin zum abgebrühten Filesharing-Anarchisten. Überwiegender Tenor: ein erster Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn der kalifornische Marktanalyst Sean Beanen partout noch nicht das Ende der Baisse sehen will: „Sie können die Download-Schlupflöcher morgen zusperren, und die Industrie hätte immer noch nicht ihre Probleme gelöst“.

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