Zum Jahresausklang bitte keine kitschigen Glockentöne! Es gilt eine Radio-Ikone zu beweinen. Und sich über naiv-falsche Medienkritik zu wundern.
“There goes the last DJ
Who plays what he wants to play
And says what he wants to say
Hey, hey, hey
There goes your freedom of choice
There goes the last human voice
There goes the last DJ…”
(Tom Petty, “The Last DJ”)
Eigentlich wollte ich diese letzte Kolumne anno ´04 ja einem Mann widmen, „ohne den wir nichts wären“, wie es einer der kompetentesten Musikjournalisten des Landes, Robert Rotifer, formuliert hat. Das mag pathetisch klingen, das darf auch ein wenig übertrieben sein. In Nachrufen sind große Worte allemal gestattet. Hier handelt es sich um einen solchen. Einen Nachruf, der gewiß nicht unter die Rubrik Routine-Erledigungen fällt. „Die Popkultur hat ihre Seele verloren“, so Rotifer. „Ihre Seele hieß John Peel“.
Tatsächlich war John Peel mit seiner sonoren Stimme nicht nur der vielleicht weltweit bekannteste Radio-DJ (und dabei persönlich ein beeindruckend unprätentiöser Gesprächspartner), sondern auch einer der letzten professionellen Augen- und Ohrenzeugen der gesamten neueren Musikhistorie. Von Elvis Presley und den Beatles bis Pink Floyd und T.Rex, von Joy Division über Nirvana bis zu den White Stripes – dieser Mann hat alles und jeden erlebt, bewertet und, oftmals an vorderster Front und nicht gerade selten als einziger, einem breiten Publikum präsentiert. Einige Zeit lang, Anfang der neunziger Jahre, übrigens auch im „Nachtexpress“ auf Ö3. Peel war ein Musik-Freak im allerbesten Sinne. Eine Legende. Und er hatte Format. In Zeiten des „Format-Radios“ gehörte er damit einer längst ausgestorbenen Rasse an Medienpersönlichkeiten an (denen die Musikindustrie heute gern ein paar Krokodilstränen nachweint). Keine Ahnung, ob er die akute Radikal-Reform seines Heimat-Senders BBC überlebt hätte. So war es ein Herzinfarkt, der ihm Ende Oktober während eines Urlaubs das Mikrofon entzog. Für immer. Außer sie haben im Jenseits eine wirklich gute Rock’n’Roll-Station… Ich schließe mich „Spex“ an: Ruhe in Respekt, John.
Bei weitem lieber wäre mir gewesen, ein anderes Thema wäre der ewigen Ruhe anheimgefallen: die frischgeschminkte Leich’ namens Austro-Pop. Doch hier rappelt es einmal mehr gewaltig in der Kiste. Nun, die erste Ausgabe der gleichnamigen TV-Show habe ich leider verpasst. Wie’s Georg Danzer – dem man eine Affinität zur Materie ja schwerlich absprechen kann – gefiel, konnte man immerhin im „Kurier“ nachlesen (nebstbei: einer Zeitung mit absolut bescheuerter Online-Archiv-Abozwangsbeglückung). Mit pointierten Worten und trefflicher Argumentation. Danach ließ ich, nicht unamüsiert, den frisch ausgepackten Festplatten-Recorder in Aktion treten und zog mir Folge Zwa rein. Nicht die CD, sondern die Fernsehsendung. Ohne Pinkelpause, ohne Vorbehalte. Fazit: ja, die Kritiker haben recht. Wie sie fast immer recht haben, aus einer gewissen, den ORF-Realitäten und -Sachzwängen berufsbedingt eher fernen Position. Aber sie haben gleichzeitig auch unrecht.
Das mag einige Leser wundern, aber es wird Zeit, den Küniglberg zu verteidigen. Zumindest partiell. (Und ich bin wohl eher unverdächtig, den ORF-Propagandaminister zu spielen, hat mich doch Gerd Bacher selig einst mit Hausverbot belegt wegen öffentlicher Kritik an der mangelnden Jugendkompetenz des Senders, von Dolezal & Rossacher ganz zu schweigen… Die PR-Trommelei überlasse ich gern den, hüstel, Medienjournalisten von „TV Media“). Wohlan: die „Austropop-Show“ erfüllt, mehr oder minder elegant, ihren Zweck. Und der war und ist nun mal nicht, eine Sendung für Feuilletonisten, Archivare und detailversessene Musikfeinspitze zu sein. Sondern eine Unterhaltungs-Revue für die breite Masse abzugeben (so verdächtig mir dieses Wort „Breite Masse“, ähnlich „Kleiner Mann“ oder „Ganze Familie“, auch ist). Pop(uläres) Programm. Das braucht Schmalz und Spass und die eine oder andere Spitze. In jeder Hinsicht. Daß dabei die Musik eher eine Neben- als die Hauptrolle spielt (und viele historisch wichtige und kurzweilige Austropop-Schmankerl unter den Tisch fielen), war absehbar. Aber, ähnlich dem „Songcontest“: welcher Blödel nimmt solch ein schlicht-funktionelles Unterhaltungsformat ernst? Georg Danzer tut es. Und schießt sich damit, sorry!, als auf dem Bildschirm ganz entspannt wirkender Retro-„Nackerter vom Hawelka“ im Nachhinein selbst ins Knie.
Wirklich lustig wird’s aber erst, wenn Christof Straub von Papermoon – ein gewiß weithin respektierter Songwriter – zu dem Thema wacker, wacker einen offenen Brief schreibt. Da wird harmlos pointierten Wortspendern wie Andrea Händler jegliche Konsumenten-Kompetenz abgesprochen, und ein Markus Spiegel, gegen jede Fakten, als gescheiterter „Musik“-Produzent denunziert. Nur weil er Papermoon als Lagerfeuer-Musikanten für Spätpubertierende bezeichnete? Mein Gott. John Peels Urteil wäre härter ausgefallen, und der Mann hat sich nie ein Blatt vor den Mund genommen. Das muß man, there’s no business like showbusiness!, locker aushalten. Ernsthaft. Oder die Produzenten der Show, der sich die Maulwerker als Aufputz in die Sendung holten, öffentlich (= airplaygefährend?) anklagen… Die potentiell beleidigten Leberwürste sitzen aber, nimmt man’s genau, überall rum. Geballt am Musiker- und Medienstammtisch. Die Wahrheit kann hart sein. Doch gilt: die schärfsten Kritiker der Elche sind bisweilen selber welche.