Saint Privat lieferten für die Experten das „Album des Jahres“ 2004. Doch wie tönt das Projekt rund um den Elektroniktüftler Klaus Waldeck und Sängerin Valerie live? Was können Newcomer wie Zeebee oder Gustav? Und ist Hansi Langs Slow Club wirklich so besuchenswert, wie man munkelt? Zwecks Beantwortung der Fragen stellt der ORF sein größtes und schönstes Radiostudio zur Verfügung.
Der große Sendesaal des Wiener Funkhauses? Schon der Name der Örtlichkeit vermittelt Bedeutungsschwere, Tradition, Hochkultur. Das hat schon seine Richtigkeit, und diese Assoziationskette naturgemäß die dazugehörige Historie. Von Konzerten des Radiosymphonieorchesters über die legendären „Was gibt es Neues?“-Matinees von Heinz Conrads selig bis zum wöchentlichen Auftritt eines Dr. Kurt Ostbahn samt Gästen und Band fand und findet hier so einiges statt, was dem größten – und öffentlich zugänglichen – Radiostudio des ORF Leben und Seele einhaucht.
Das von Clemens Holzmeister, Heinrich Schmid und Hermann Aichinger anno 1935 erbaute Funkhaus in der Argentinierstraße 30a steht seit Jahrzehnten unter Denkmalschutz. Das hindert das Team des RadioKulturhauses rund um Christiane Goller aber keineswegs daran, den altehrwürdigen architektonischen Komplex mit zeitgemäßen Inhalten zu bespielen. Nicht nur der sprichwörtlichen Hofratswitwe dürfte bei der Breite des Repertoires das Herz hüpfen. Von Nick Cave bis Stermann & Grissemann, von Thomas D. bis Gunkl, von Poetry Slams bis zu Tocotronic finden sich immer wieder Künstler, Konzerte und Events im Großen Sendesaal, die für eine aktuelle, beherzte, bisweilen auch kontroversielle Programmierung stehen.
Ähnlich wie bei der seelenverwandt tönenden Litfaßsäule Ö1 wird oft unterschätzt, daß auch eine junge, popaffine – und, wenn man sich die bemerkenswerten Radiotest-Erfolgszahlen ansieht, zahlenmäßig keineswegs vernachlässigbare – Klientel hohe Ansprüche an Qualität, kulturelles Eigengewicht und programmatische Stringenz eines Angebots stellt. Ö1 gehört gehört, wie’s Wolf Haas (seinerzeit noch Werbetexter) so schön formuliert hat. Und das RadioKulturhaus besucht, wenn’s passt. Der Ort hat Museumsstaub und Hochkultur-Nimbus verloren. Und ist dabei, ein ganz neues Publikum zu gewinnen.
Etwa mit der neuen Konzertreihe „Live @ RadioKulturhaus“. Ab März konzertieren einmal im Monat Künstler und Bands der facettenreichen österreichischen Club-, Elektronik- und Pop-Szene im Großen Sendessal des Funkhauses Wien. Es handelt sich durchwegs um Acts, die lokal (und teils auch international) in den letzten Wochen und Monaten für Aufhorchen gesorgt haben, aktuelle Tonträger vorstellen und sich in diesem ganz besonderen Rahmen beweisen können und wollen.
Der Slow Club etwa. Dahinter stecken Thomas Rabitsch, Wolfgang Schlögl und Hansi Lang. „Keine Angst“ sang letzterer einst – und wurde damit eine österreichische Pop-Ikone der achtziger Jahre. Keine Angst, dem aktuellen Trend zu Nostalgie und Retro-Inszenierung hängt Lang nicht an. Oder doch. Allerdings auf eine ganz andere, überraschende, intime Weise: durch die Eröffnung eines Club-Projekts, das sich die Entdeckung der Langsamkeit auf die Fahnen geschrieben hat. Gemeinsam mit seinen namhaften Mitstreitern Thomas Rabitsch und Wolfgang Schlögl (Sofa Surfers, I-Wolf) widmet er sich nun am 18. und 19. April Songklassikern von Nat King Cole, Cole Porter, Billie Holiday und anderen. Der rote Faden, so der Wiener Sänger: „In jedem der Songs muss etwas enthalten sein, das mich berührt.“
Ein Motto, das auch für Klaus Waldeck gelten könnte, der mit Saint Privat gekonnt zeitgeistige Elektronik mit frankophilem Easy Listening-Flair verbindet. Gemeinsam mit der charmanten Sängerin Valerie (Austro-Szene-Kenner orteten sie einst bei C-Bra) adaptierte er Klassiker wie „September Song“ oder „Nothing To Lose“ und landete damit den Downbeat-Exportschlager des Vorjahrs. Nach Gastspielen im Burgtheater-Casino und bei der Ö3-„Radionight“ steht nun, im Doppelpack mit der Vorarlberger Chanteuse Zeebee, am 17. März das On Air-Debut bevor.
„Live @ Radiokulturhaus“: der Name ist Programm. Der Sendesaal, frisch renoviert und behutsam für heutige Erfordernisse adaptiert, bietet einen relativ intimen, konzentrierten Rahmen. Durch den Ö1-Konnex wird die mediale Bühne aber enorm verbreitert. Live-Streaming auf der ORF-Homepage und eine Aufzeichnung und spätere teilweise Sendung der Konzerte im regulären Programm sind geplant. Das nenn’ ich angewandte Förderung heimischen Musikschaffens! Und der Kooperationspartner one bringt die Musik für technisch Interessierte aufs Handy, sei es als „ringtone“ oder „realtone“ – letzteres entspricht weitgehend dem Originalsong und gehört heute verkaufstechnisch einfach zum guten Ton.
Alles in allem ein Angebot für aufgeschlossene Connaisseure, die schon vom Slow Club gehört haben, von Saint Privat, Zeebee, Gustav, Trio Exklusiv, Dela Dap oder Café Drechsler (um ein paar Namen der Programmplanung der nächsten Monate zu nennen) – und sich vergewissern wollen, daß diese Künstler ihr persönliches Audio-Universum entschieden zu bereichern vermögen. Wovon ich, nebstbei, ziemlich überzeugt bin.
Im übrigen bin ich der Meinung, daß Prof. Stefan Weber, Gründer und Kopf von Drahdiwaberl, den „Amadeus“ für sein Lebenswerk verdient hat.