Das Kleinstwagen-Konzept des Smart fährt zwar Millionenverluste für Mercedes ein, hat aber dennoch Zukunft. Die lässt sich schon in der Gegenwart erfahren: in Gestalt des Smart ForTwo der zweiten Generation.
Das Vehikel ist auch nicht lang, also machen wir’s kurz: die 735 Millionen Euro Verlust, die die Mercedes Car Group im Vorjahr einfuhr, hat sie – Achtung, Doppeldeutigkeit! – nicht verdient. Angeblich war ja Smart dran schuld, die schnuckelige Microcar-Corporation unter dem grossen Firmendach von Daimler-Chrysler. Seit Jahren drehen die Aktionäre durch, überwiegend die Araber (Ölmogulen muss das Konzept seit jeher ein Dorn im Auge sein), und werfen dem Vorstand und Management bei jeder sich bietenden Gelegenheit an den Kopf, daß die Kleinwagenfamilie ein Milliardengrab sei. Ist sie auch. Vielleicht war der Smart ja sogar das Sargwägelchen der frisch geschiedenen Ehe Daimler-Chrysler, wer weiß. Die Produktion des Viersitzers und des Roadsters wurde jedenfalls eingestellt, die Hälfte der Mitarbeiter gekündigt, die eigenständige Tochtergesellschaft wieder in den Mutterkonzern eingegliedert. „Konsequente Fokussierung“ heisst das im Branchen-Jargon. Jetzt rollt nur mehr der ForTwo vom Fliessband, etwas gewachsen (um 19 Zentimeter) und erstmals auch mit Zielrichtung USA. Und dennoch werden Skeptiker vermuten, daß der Verbrennungsmotor des Fahrzeugs (im Testfahrzeug ein spritziger Dreizylinder-Aluminium-Turbo) weiterhin die Banknoten seines Herstellers und dessen Aktionären als Energiequelle nutzt.
Ich wollte mich selbst davon überzeugen, und muß Sie enttäuschen. Aus dem Auspuff kommt der übliche, benzolhältige Duft der westlichen Wohlstandsgesellschaft, versetzt mit weniger als 110 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer, das ist schon mal ein beachtlicher Wert. Ja, wir werden das allmähliche Erliegen des Individualverkehrs noch erleben, meine Damen und Herren! Und genau das ist die Chance des Smart. Das ahnen, oder besser: wissen auch die MCG-Strategen. Und werden ihre Renditen schon noch einfahren. Schlucken tut das Ding unter 5 Liter, auch das durchaus probat (wenn auch gerade wieder mal in den Zeitgeist-Magazinen Ein-Liter-Magersüchtler abgefeiert werden, aber das glaube ich erst, wenn ich selbst Zapfhahn spielen darf). Tatsächlich kommt man mit einem vollen Tank gut zwei Wochen durch, wenn man seine Kreise im üblichen Rahmen und im urbanen Raum dreht.
Ich gestehe: einen Wochenenausflug habe ich mit dem zitronengelben Test-Vehikel unterlassen. Nicht, weil ich Angst gehabt hätte, auf der Autobahn von einem Laster überrollt zu werden oder auf den Feldwegen des nördlichen Weinviertels den Elchtest nicht zu bestehen. Sondern weil ein solch futuristischer Kabinenroller in Gegenden wie dieser immer noch ein Exotikum ersten Ranges ist. Und das knapp zehn Jahre nach der Vorstellung der ersten fahrtauglichen Konzeptstudie. Ich höre imaginär den Swatch-Erfinder und Smart-Propheten Nicolas Hayek fluchen, die Ingenieure aus Stuttgart hätten die Sache verbockt. Und die geniale Vision konkurrenzloser Kleinheit, Praktikabilität und Wendigkeit an den Rand des Abgrunds gekarrt.
Aber Hayek sollte sich mal im Weinviertel umschauen: da gurken Hundertscharen in bizarren Micro-Cars über die Landstrassen. Führerscheinlos. Das wird, unter uns, wohl der Grund sein, weswegen hier so wenige Winz-Mercedes’ unterwegs sind. Am Preis kanns nicht liegen. Die Matchbox-Wägelchen kosten alle relativ viel. Vielleicht reissen ja die avisierten tolldreisten Billig-Kopien aus China die Grenzen zwischen Stadt und Land nieder. Beim Smart kann man den hohen Grundpreis (wie getestet rund 15.000 Euro – und dennoch verdient MCG kein Geld damit, wie zur Hölle geht das?) noch nachvollziehen: Sicherheitszelle, Panoramadach, Projektionsscheinwerfer, ESP und und und. Ein Luxus-Einkaufskorb.
Was weniger taugt, und da müssen sich die Ingenieure tatsächlich mal an die Nase fassen: die Automatik. Man hat in Permanenz das Gefühl, als Wackeldackel auf der Hutablage unterwegs zu sein – das Getriebe ruckt, daß es keine Freude ist. Experten versichern, das hätte mit der Kürze des Wagens zu tun, wäre durchaus Stand der Technik und schon weit besser als im alten Smart. Aber, sorry!, das ist – im Kontrast zur knalligen Farbgebung – nicht das Gelbe vom Ei. Da geht noch was. Auch die Plastiklandschaft im Cockpit verträgt ein Quentchen mehr Originalität und Solidität. Und eine Servolenkung sollte selbstverständlich zur Serienausstattung gehören. Der Winz-Parkraumbedarf macht ja Freude, das Ansteuern der Lücke ob des gehörigen Rumkurbelns weniger.
Der kleine Hüpfer ist, allen Unkenrufen zum Trotz, ein Kraftfahrzeug. Clever, smart, mit Zukunft. Vergessen Sie die Araber, behalten Sie die Aktien.