Archive for November, 2007

Konken!?

28. November 2007

Wer oder was ist Konken? Professionelle Unkenrufer wissen darauf eventuell eine Antwort. Unsereiner weiss ja nicht mal, was Unken sind. Und fällt damit beim virtuellen Millionenquiz durch. Besser also, Sie machen sich mit Unken und Konken vertraut.

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Wer oder was ist Konken? Eventuell wurde dieser Tage ein neues Wort kreiirt, das wir demnächst in Wikpedia, im Duden oder eventuell gar in der Encyclopaedia Britannica wiederfinden werden: „konken – aus Angst ablehnen, nicht verstehen (wollen)“. Der Hintergrund? Hier zu finden, in einem ebenso kurzweiligen wie lehrreichen Beitrag von Ritchie Pettauer auf der Ö1-Matrix-Page: http://oe1.orf.at/highlights/112356.html

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Dichand bloggt.

26. November 2007

„Die Zukunft war früher auch besser“ (Karl Valentin)

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„Das Internet wird immer wichtiger.“ Sagt Hans Dichand. Krawuzikapuzi! „Mir geht es um Kommunikation mit dem Leser“. Echt? Diese Frage ist ja schon bei den „Krone“-Leserbriefen angebracht. Jetzt begibt sich der alte Herr zu(un)guterletzt noch aus dem Vorhof der Macht heraus schnurstracks hinein in den Hinterhof des Online-Journalismus. Ob der Ober-Webmaster nun auch im eigenen Blog vox populi spielt? Weiss Dichand Bescheid über Netiquette, Trolle und Flames? Welchen Avatar bringt die WAZ in Stellung? Und meldet sich bald auch Kräuterpfarrer Weidinger zu Wort? Fragen über Fragen. Dichand bloggt. Die Welt steht nimmer lang.

Todesanzeige

22. November 2007

2007 wird in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem die Musikindustrie starb. Nicht allein: mit dem Tod von Georg Danzer, Joe Zawinul und Werner Geier ist jeweils auch eine subjektiv wie objektiv sehr spezielle, bewegte und bewegende Ära zu Ende gegangen.

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„Es ist nichts zu loben, nichts zu verdammen, nichts anzuklagen, aber es ist vieles lächerlich; es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt. Die Zeitalter sind schwachsinnig, das Dämonische in uns ein immerwährender vaterländischer Kerker, in dem die Elemente der Dummheit und der Rücksichtslosigkeit zur tagtäglichen Notdurft geworden sind. Der Staat ist ein Gebilde, das fortwährend zum Scheitern, das Volk ein solches, das ununterbrochen zur Infamie und zur Geistesschwäche verurteilt ist. Das Leben Hoffnungslosigkeit, an die sich die Philosophien anlehnen, in welcher alles letzten Endes verrückt werden muß. Wir sind Österreicher, wir sind apathisch; wir sind das Leben als das gemeine Desinteresse am Leben. Wir haben nichts zu berichten, als daß wir erbärmlich sind. Mittel zum Zweck des Niedergangs, Geschöpfe der Agonie, erklärt sich uns alles, verstehen wir nichts. Wir brauchen uns nicht zu schämen, aber wir sind auch nichts, und wir verdienen auch nichts als das Chaos.“

Zitatende.

Diese harsch urteilende, eventuell ultimativ pessimistische Rede hielt Thomas Bernhard anlässlich der Verleihung des österreichischen Staatspreises für Literatur 1968. Ich habe das Zitat einmal – oberflächlich unpassend, bei näherer Betrachtung schmerzlich treffend – den Liner Notes einer Sammlung von ausgesucht ausgefallenen Austropop-Raritäten vorangestellt. Werner gefiel dieses Detail (und wohl nur dieses Detail). Seltsam, daß mir das zuerst in den Sinn kommt.

Werner Geier ist tot. Das Ende war ob einer unheilbaren Krankheit absehbar, aber die finale Nachricht hat doch eine Flut kollektiver Erinnerungen, Assoziationen und Bilder ausgelöst. Und Trauer allseits. Werner Geier war einer der letzten eines Typus von Radiomoderatoren, der heute kaum mehr – seitens des Managements, weniger der Hörerschaft – gebraucht, gesucht und geschätzt wird. Er prägte die Ö3-„Musicbox“ ab Beginn der achtziger Jahre bis zu ihrem Ende 1995, auch bei FM4 spielte er in den Anfängen eine wesentliche Rolle. Diese besaß er zudem als Label-Betreiber („Uptight“), Produzent, DJ und Sprachrohr der Wiener Elektronik-Szene, der er mit zu Weltgeltung verhalf. Selten hat jemand so gebrannt für Musik, für neue Ideen, für das Gute, Wahre, Schöne. Die Rezeption von Grössen wie Joy Division, Nick Cave, Henry Rollins, Stereo MCs, Massive Attack, Tricky (und vieler anderer) wäre hierzulande anders verlaufen ohne ihn. Und meine eigene Sozialisierung erst recht. Respekt, noch im Nachhinein. Werner Geier ist tot. Er lebt in uns allen weiter.

Auch das künstlerische und menschliche Vermächtnis von Georg Danzer und Joe Zawinul wirkt nach, in einem Mass, das man vormals leise erahnen, aber nicht wirklich bemessen konnte. Ihr Tod zählt zu den grossen Verlusten des Jahres. Die latente Aufbruchshaltung, der feine Witz, die überbordende Kreativität, Querverbinder-Leidenschaft und gesellschaftspolitische Integrität von Persönlichkeiten wie Werner, Georg oder Joe fehlen der heimischen Kulturlandschaft sehr. Mehr, als Nachrufe eventuell aufzuzeigen vermögen. Peace, over & out.

Weniger Trauer und Respekt, bisweilen sogar schon – offene oder verdeckte – Häme und Schadenfreude fällt der Musikindustrie zu. Sie ist ein abstraktes Gebilde, gewiss, ein bunt lackierter Moloch, ein Seitenarm des idealistisch verbrämten und dabei fast immer strikt kapitalistisch durchformatierten Medien- und Entertainment-Business. Und heute nur mehr ein Abglanz ihrer selbst. Der Patient ist soweit abgemagert, orientierungslos, verunsichert und aller Kräfte beraubt, daß der Tod von alleine eintritt. Oder schon eingetreten ist. Nennt mich einen Pompfüneberer, aber wir haben es mit einem Zombie zu tun, einem Wirtschaftskörper, der noch zuckt, aber keine Zukunft mehr hat. Erörterungen um das Warum und Wie klingen vielfach nur mehr wie Grabreden. 2007 wird in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem die Musikindustrie (wie wir sie kannten) starb.

Mein Urteil fällt natürlich höchst subjektiv aus. Ich mache es an vielen Details fest. An Ex-CEOs, die stempeln gehen. An Labels, die die Rolläden runterlassen. An Vertragsentwürfen und Geschäftsmodellen, die Ratlosigkeit signalisieren. An Künstlern, die die Welt nicht mehr verstehen. An Umsatzzahlen, die keine Investitionen mehr lohnen. An den Worten des legendären Managers Peter Jenner (Pink Floyd, T.Rex, The Clash, Billy Bragg), der unlängst in Wien weilte: die Lage sei weit schlimmer, als es uns die Manager ungebrochen vorgaukeln. Und an späten, dafür umso klareren Erkenntnissen wie dieser:

„Wir haben uns etwas vorgemacht. Wir haben gedacht, unsere Inhalte sind perfekt, so wie sie sind. Wir haben erwartet, dass unser Geschäft unbeeinflusst bleiben wird, während die Welt der Interaktivität, der permanenten Onlineanbindung und des Filesharings explodierte. Natülich haben wir uns getäuscht. Aber wie? Wir sind stehengeblieben oder haben uns nur quälend langsam bewegt. Wir haben versehentlich Konsumenten den Krieg erklärt. Und das Ergebnis: Die Konsumenten haben gewonnen.“ (Warner-Chef Edgar Bronfman, „Musikwoche“, 15.11.2007)

Eventuell ist diese Entwicklung, um letztlich nochmals auf Thomas Bernhard zu kommen, eine spezielle Ausprägung des Chaos, das wir alle verdient haben. Wir brauchen uns nicht zu schämen. Aber gibt es viel, das uns stolz machen könnte?

Zeremonienmeister

21. November 2007

Wer keine(n) hat, braucht eine(n): Imagemaker. Von jener Sorte, die die Karriere ihrer Künstler steuern. Oder komplett erfinden und detailliert modellieren. Netrebko, Villazón, Garanča stehen im Vordergrund, aber wer zieht im Hintergrund die Fäden? Und wie?

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„Alle echte Kunst ist moralischer Fortschritt“ (Beethoven)

Wäre der Gegenstand der Untersuchung ein strikt journalistisches Unterfangen, ergäbe sich allerhand Spielmaterial für Verschwörungstheoretiker. Denn von fünfzehn angeschriebenen Managern, Machern und Insidern der Musikindustrie, Unterabteilung Klassik, liessen sich gerade drei herab, auf einen vom Autor dieses Artikels vorgelegten Fragenkatalog zu antworten. Viele reagierten weder auf e-mails noch Anrufe. Einige meinten, erst ihre Chefs oder Abteilungsleiter oder PR-Spezialisten involvieren zu müssen. Andere wiederum liessen durchblicken, die Fragen beträfen sie nicht, nur am Rande oder seien generell zu heikel.

Zu heikel? Fragen wie: Kann die Konzentration auf wenige Superstars in Zeiten schwächelnder CD-Verkäufe die Umsatz-Einbrüche der Musik-Industrie wettmachen? Noch dazu, wo die Antwort darauf ein – verhaltenes oder kräftiges, ganz nach Firma und Geschmack – „Ja“ sein darf… Traut man etwa dem eigenen Erfolg nicht? Denn der spricht für sich, und das ohne falsche Bescheidenheit.

Nach Angaben des Bundesverbandes der phonographischen Wirtschaft wurden in Deutschland im vergangenen Jahr fast elf Millionen CDs mit klassischer Musik verkauft, was einem Wachstum von rund fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Gleichzeitig wurden rund eine halbe Millionen Klassik-DVDs abgesetzt, ein Stückzahlenplus von 28 Prozent. Die Beliebtheit des Genres sei insgesamt „überproportional gewachsen“, so der Ex-Geschäftsführer der deutschen Phonoverbände, Peter Zombik. „Die Zahlen zeigen, daß der Klassikbereich nichts von seiner Attraktivität verloren hat“. Dieser Einschätzung entspricht das Ergebnis des „Digital Music Report 2007“ des Branchenverbands IFPI: demnach war in den USA die klassische Musik bei Downloads das am schnellsten wachsende Genre mit einem Zuwachs von 23 Prozent. In der traditionellen Hochkultur-Hochburg Österreich dürfte es generell noch ein Scherflein mehr sein.

„Eine Stärke des Klassikmarkts ist sicherlich die Schwäche des Popmarkts: die letzten Innovationen liegen Jahre zurück“, kann sich dazu Christian Kellersmann, Managing Director Universal Classics & Jazz in Berlin, einen Seitenhieb nicht verkneifen. Früher lief es genau andersherum. „Pop und Rock zu verkaufen ist einfach“, so der „brandeins“-Autor Helmut Ziegler zur Jahrtausendwende, „weil das nach Glamour riecht, nach lockeren Schritten und bedeutungsvollen Nächten. Klassische Musik riecht anders. Nach zu engem Hemdkragen. Nach ernstem Gesicht und Furchen auf der Stirn. Nach verklemmt raschelndem Bonbonpapier. Das ist ungerecht. Klassische Musik kann auch Pop sein, Drama, Liebe und Wahnsinn. Es muss sich nur der Geruch ändern.“

Sieh’ einer an: ähnliches, einen Hang zum strengen (Leichen-) Geruch nämlich, hatte auch Franz Zappa einst erspürt, allerdings für das Genre Jazz. Hier erwarb sich Christian Kellersmann seine ersten Manager-Sporen , weil er ergrauten Dixieland-Bärten oder atonalen Freejazzern tolldreist Acid Jazz und HipHop gegenüberstellte, für frischen Wind und steigende Umsatzzahlen sorgte und generell eine nicht unrespektvolle, aber keinesfalls in Ehrfurcht erstarrte Haltung an den Tag legte. Was ihn folgerichtig auch zum Chef der Klassik-Abteilung, einem weiteren Problemfall im Content-Zoo des weltgrössten Musikkonzerns, werden ließ. In punkto Vermarktung, wohlgemerkt. Denn die Künstler-Akquise liegt weiter in den Händen der Deutschen Grammophon (Hamburg) und der Decca (London), die unter dem Dach des Universal-Konzerns ein Beinahe-Monopol für Klassik besitzen. Am Rest des Markts übrigens auch. „Der Klassikmarkt war nie schwach, sondern nur mit sinnlosen Aufnahmen überfüttert.“ Weiß Michael Blümke, Marketing-Leiter bei harmonia mundi. Universal Classics & Jazz und seine Firma haben eine Gemeinsamkeit: sie vermochten 2006 ein zweistelliges Umsatzplus zu verzeichnen.

Dabei könnten die Strategien, die beiden Firmen verfolgen, nicht unterschiedlicher sein: Kellersmann wartet mit einem Staraufgebot bei den Künstlern auf – neben Anna Netrebko und Rolando Villazón sorgten auch Sting mit einem Klassikalbum sowie Veröffentlichungen zum Mozart-Jahr für das gute Ergebnis. Harmonia mundi hingegen kümmert sich eher um die Nische und geht antizyklisch vor. So folgten auch nach der einjährigen Mozart-Hausse noch etliche einschlägige Aufnahmen mit René Jacobs, dem Freiburger Barockorchester oder dem Pianisten Andreas Staier. Die Nische wird aber selbst hochspezialisierten Labels wie harmonia mundi durch mehr und mehr autonome Künstler und Komponisten streitig gemacht: sie bedienen sich zunehmend des Internets und innovativer Vertriebskanäle, um die Regeln des „big business“ zu umgehen. Michael Nyman etwa wandte sich anno 2006 von seinen ehemaligen Major-Partnern EMI, Decca und Warner ab und gründete sein eigenes Label, MN Records. Er habe weder Einfluss auf die Veröffentlichungspläne noch auf das Marketing nehmen können, beschwerte sich der Komponist: „Um eine Oper herauszubringen, musste man erst etwas Populistischeres veröffentlichen und sich so das Recht auf die Opernveröffentlichung erkämpfen. Ich fand das zunehmend frustrierend.“

Ebenso für Wirbel in der Branche sorgte der Stardirigent John Eliot Gardiner. Der Brite führte im Jahr 2000 mit seinem Monteverdi-Chor und den English Baroque Soloists alle Bach-Kantaten auf. Gardiner plante, die Mitschnitte bei der Deutschen Grammophon herauszubringen, doch die kippte schon nach den ersten Veröffentlichungen das 51 CDs umfassende Großprojekt. Auf Gardiners flugs gegründetem Eigen-Label Soli Deo Gloria erscheinen die Bach-Kantaten tatsächlich vollständig. Vertrieben werden sie per Abo. Und Gardiner will offenbar noch weiter gehen: als einer der ersten Orchesterleiter setzt er darauf, Konzerte mitzuschneiden, noch während des Auftritts auf CDs zu brennen und dem Publikum schon beim Verlassen des Konzertsaals anzubieten.

Es tut sich was bei der alten Tante Klassik, das ist – bei allen unüberbrückbaren Gegensätzen zwischen Kunst und Kommerz – die für alle Seiten erfreuliche Botschaft. Die starke Resignation, die die Branche Ende der neunziger Jahre erfasst hatte, ist einer neuen Beweglichkeit gewichen. Auch die Elektromärkte am Rande der Stadt haben nun wieder Regalflächen für Hochkultur-Ikonen. Nach den Stars der achtziger Jahre (Anna-Sophie Mutter, Nigel Kennedy) und den Rennern der Neunziger (Vanessa Mae, Andrea Bocelli, Cecilia Bartoli, André Rieu, der „Titanic“-Soundtrack) hat man nun neue Leitsterne ausgemacht. Untereinander und im Dialog mit dem Feuilleton, der Event-Industrie und dem kritischeren Teil des Publikums. In einem Artikel für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ stellte der Autor Axel Brüggemann, Chefredakteur des auflagenstarken Fachmagazins „crescendo“, das Ende der langjährigen Krise in Aussicht. „Es gibt jedenfalls Hoffnungszeichen“, merkte er an, „neue Stars, neue Konzepte und eine neue Bescheidenheit“.

Diese neue, durch die Umstände erzwungene Bescheidenheit wird allerdings kräftig konterkariert durch die einzige Taktik, die wirklich Reichweiten, Popularität und Crossover-Erfolge zu garantieren scheint: die Konzentration (auch im Sinne einer publikumsorientierten Ökonomie der Aufmerksamkeit) auf wenige Fixsterne am Klassik-Firmament. Hier läuft das alte Spiel des Hochtreibens von – sowieso schon horrenden – Live-Gagen durch populistische CD-Einspielungen, das Anwerfen der Promotion- und Marketing-Maschinerien und die Pawloffschen Reflexe der Massenmedien gezielter und ungenierter denn je. Die oft und viel beschworene Seelen- und Repertoire-Tiefe des Klassik-Fundus erscheint da zweitrangig. Haben die Spin Doctors des Business insofern dazugelernt? „Ich wehre mich gegen das Image des Machens und Gemacht-Werdens“, bemerkt Christian Kellersmann zum brisanten Thema. „Man kann sicherlich Dinge beeinflussen, künstlerische Qualität muß aber á priori vorhanden sein, sonst lässt sich nichts ausrichten.“

Daß der Druck, im hochenergetischen Spannungsfeld zwischen Kunst, Kommerz, Kultur- und Konzernpolitik zerrieben zu werden, auch (und erst recht) vor den „big names“ nicht Halt macht, hat man zuletzt an heftigen Diskussionen rund um die Absagen von Anna Netrebko bei den Salzburger Festspielen 2007 oder den temporären Rückzug von Rolando Villazón gemerkt. „Die Medien sind gnadenlos“, so Kellersmann. „Ständig wird das Messer gewetzt. Auch das Feuilleton agiert nicht anders. Dabei tragen alle Verantwortung. Nicht nur die vermeintlich böse Plattenindustrie.“ Zu rasch könnte die Win-Win-Situation für Künstler, Handel, Manager und Medien durch öffentliche Abstürze vom Drahtseil, das durch zu hohe Erwartungen überspannt wurde, wieder kippen.

„Ein Karajan hat sehr wohl die Klaviatur des Marketing und der Promotion zu bedienen gewußt“, so Kellersmann. „Nur waren die fünfziger, sechziger und siebziger Jahre da viel unschuldiger und biederer“. Noch vor zehn Jahren, führt der Experte weiter aus, hing man in der Branche dieser vermeintlich „guten alten Zeit“ an. „Coverfotos von Tillmanns, Teller, Corbijn? Das war nicht vorstellbar. Es hiess, oh, ein Foto für die CD-Vorderseite müssen wir auch noch machen, wie ärgerlich… Heute denken wir über alles nach. Fotograf, Kleidung, Image, Konkurrenz, Medienumfeld.“ Gegen unerfreuliche Entwicklungen wie Compact Disc-Materialschlachten zum Dumping-Preis oder die generelle Entwertung der Handelsware Musik durch neue Technologien liesse sich nur mit klar definierter Qualität und hochkonzentrierter Kommunikation vorgehen.

Auch auf die Gefahr hin, als Zeremonienmeister des Kapitals und Imagemaker des Teufels gebrandmarkt zu werden. Kellersmann kann damit leben. „Letztlich haben sogar jene, die mich vorher mit Überschriften wie „Kellermeier & seine Kumpane“ verleumdet haben, gemerkt, daß ich nicht gekommen bin, um die Klassik zu ruinieren, sondern sie zu erfrischen“. In der Tat. „Worüber wir noch gar nicht gesprochen haben, ist der zeitgenössische Komponist mit tonalem Anspruch. Und daß sich das klassische Genre auch als sehr aktuelle Kunstform zeigen kann, will, muß….“ Aber das ist wiederum ein ganz anderes Thema. Oder auch nicht.

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