Archive for Februar, 2008

Think big!

25. Februar 2008

Ein „Oscar“ ist ein „Oscar“ ist ein „Oscar“. So ziemlich das Höchste, was man im Film-Business abstauben kann (neben einem Millionen-Kassenknüller). Gratulation, Stefan Ruzowitzky!

die-falscher.jpg

Nicht, daß mir der “Oscar” per se wahnsinnig viel bedeuten würde – er ist nicht mehr (aber auch nicht weniger) als ein veritables Marketing-Instrument der US-Filmindustrie. Dennoch war die Freude groß, als ausgerechnet Stefan Ruzowitzky für “Die Fälscher” eine der goldglänzenden Statuetten in die Hand gedrückt erhielt. Hollywood ist nun mal der Olymp des Kommerzkinos, und auch wenn die Abstimmung an der Kinokasse für das KZ-Drama mit Karl Markovics (zunächst) nicht überwältigend ausging, fiel hier zurecht das Scheinwerferlicht auf ein relevantes, handwerklich rundes und routiniertes Stück heimischer Filmproduktion. Daß Ruzowitzky in seiner Dankesrede an legendäre Grössen wie Billy Wilder, Fred Zinnemann und Otto Preminger erinnerte, die von den Nazis aus Österreich vertrieben wurden, setzte seinen Streifen in einen – nicht nur historisch – durchaus angemessenen Kontext. Denn der Leitspruch des Regisseurs lautete immer „Think big!“.

Ruzo, so die kollegial geläufige Abkürzung seines Namens, lief vielen, die in der ehemaligen DoRo-Zentrale in der Wiener Winckelmannstrasse ein- und ausgingen, über den Weg. Und fiel immer schon durch verschmitzt-freundliche Zielstrebigkeit und cleveren Pragmatismus auf. Es ist dennoch ein weiter Weg vom Dolezal/Rossacher-Assistenten und Musikvideoregisseur zum Academy Award-Gewinner. Ich erinnere mich an sein Filmdebut „Tempo“, das offensiv mit dem Zeitgeist spielte und mit einem Elektronik-Musikteppich heimischer Provinienz punkten konnte. Die Alpensaga „Die Siebtelbauern“, der Nachfolger, war dann der erste grosse Wurf – ein Klassiker des österreichischen Kinos. Aber natürlich musste erst der Big Bang in Hollywood erfolgen, damit die heimische Kulturpolitik „nun in doppelter Hinsicht einen Arbeitsauftrag“ (Alfred Gusenbauer in einer ersten Reaktion auf die Oscar-Meldung) verspürt. Was immer das konkret bedeuten mag.

Im Spektrum der Möglichkeiten liegt jedenfalls eine gut geölte, brauchbar dotierte und sensibel nach Qualität, Nachhaltigkeit und Talenten fahndende Förderungs-Maschinerie. Ich kenne mich zuwenig aus im Film-Business, um feststellen zu können, ob hier das Optimum erreicht ist – insgesamt aber scheint es mir in Anbetracht der Marktgrösse und Strukturwidrigkeiten nicht so schlecht zu klappen *).

Wer immer allerdings – Schnitt! – das holzschnittartige, unbeholfene Drehbuch zum – vergleichsweise teuren – Falco-Film durchgehen liess, sollte seine Entscheidungskriterien nochmals überdenken. Ich erspare mir an dieser Stelle eine Kritik zu „Falco – verdammt, wir leben noch“; Regisseur und Drehbuchautor Thomas Roth hat andernorts schon genug Fett abgekriegt. Nur soviel: Hans Hölzel höchstpersönlich hätte dieses abgründig biedere Fernsehspiel (samt aufdringlicher Mega-Marketing-Walze) wohl mit einem Anflug von Ekel zur Kenntnis genommen. Und mit einem unterkühlt-treffsicheren Sager final vom Tisch gewischt. Eventuell wäre auch genau ein respektvoller Halbsatz dabei abgefallen – für Manuel Rubey, den „Mondscheiner“-Sänger und Falco-Impersonator. Der am allerwenigsten das Problem dieses Filmprojekts ist.

Kritikermeinung und Kassenzahlen sind aber (fast) immer zwei Paar Schuhe. Dem preisgekrönten „Die Fälscher“ ist zu wünschen, daß er mit Oscar-Turboschub in die Kinos zurückkehrt. Das Falco-Fernsehspiel lebt wohl, verdammt!, noch ein längeres Leben in den heimischen Kino-Hitlisten (aber auch nur hier), ausser, die Marketing-Walze endet in einem Overkill. Daß man die annähernd comic-artig verzerrte Erinnerung an Falco nicht ewig ausschlachten kann, lässt sich – nicht exakt empirisch, aber mit dem eigenen Bauchgefühl übereinstimmend – aus einer spontanen Privatumfrage im Bekanntenkreis ableiten. Thomas Rabitsch’ aufwändige und integre Falco-meets-Klassik-Inszenierung wird da noch halbwegs wohlwollend zur Kenntnis genommen. Eine „Best of Falco“-Soundtrack-CD, eingesungen von Manuel Rubey, braucht aber, mit Verlaub, keine Sau.

Interessant wäre es, um noch kurz beim Thema zu verharren, zu imaginieren, wie ein Falco-Bio-Pic mit einem Drehbuch und unter der Regie von Stefan Ruzowitzky ausfallen hätte können. Der Gedanke liegt gar nicht so fern: hätte Rudi Dolezal, der sich – nicht gerade unpeinlich – als einzig denkmöglicher Nachlasswalter von Falco sieht und geriert, die Vision und Zielstrebigkeit gehabt, diesbezüglich einen Film abzuliefern (eventuell ein besserer Gedanke, als eine Buch-Schmonzette fremdschreiben zu lassen), wäre dem Produzenten der begabte Ex-Assistent als möglicher Regisseur eingefallen. Oder auch nicht. Egozentrik ist kein guter Ratgeber. Und dies alles, zugegeben, ein Szenario der Unmöglichkeiten, Halbherzigkeiten und verpassten Gelegenheiten. Immerhin hätte man es sich so ersparen können, die DoRo-Videos aus den achtziger Jahren teuer neu in Szene setzen zu müssen.

Falco jedenfalls hätte gut zu Ruzowitzky gepasst (und vice versa), „Think big!“ war auch sein Motto, abseits aller scharf dazu im Kontrast stehenden Skepsis und Depression. Und so eine Hollywood-Trophäe hat man halt gern daheim als Briefbeschwerer. Rudi Dolezal hat fix versprochen, noch einen nachhause zu holen.

*) Gegenstimme von Helmut Grasser, seines Zeichens stellvertretender Obmann der Vereinigung kreativer Filmproduzenten Film Austria: „Wir haben in Österreich aktuell eine Filmförderung, die mit 12,1 Mio. Euro genauso hoch ist wie im Jahr 1984“, so Grasser. Im internationalen Vergleich liege man damit im hinteren Drittel. „Um die Förderungen auf europäisches Niveau zu heben, müssten die entsprechenden Gelder mindestens verdoppelt werden“. Ich fürchte, die Kohle gibt es nicht. Die wird hierzulande festgeschriebenerweise in die Staatsoper, Theater, Musical & Operette gesteckt. Eventuell auch noch in die Albertina oder in das Kunsthistorische Museum. Vornehmlich also in museale und repräsentative Kunst.

Werbung

Protestsongcontest kompakt

16. Februar 2008

Ein Protestsongcontest ist ja eigentlich ein Widerspruch in sich. Immerhin steckt das Reizwort „wider-“ drin. Solange man das Thema nicht allzu ernst nimmt. Was sich eher nachteilig auf die Brisanz der Veranstaltung auswirkt, wie eine Sammlung der vermeintlich besten Widerstandshymnen der letzten Jahre belegt.

protestsongcontest.jpg

Ich gehe ja selten bis gar nicht ins Theater. Warum auch? Auf Nachfrage konnte mir nicht einmal Freund K., einschlägiger Kritikerpapst beim „Falter“, ein Stück nennen, das man in der Vorjahres-Saison unbedingt hätte sehen müssen. Nun bin ich auf derlei Banausentum keineswegs stolz. Zweckdienliche Hinweise werden gerne entgegengenommen. Eventuell finde ich mich dann mit einem Burgtheater-Abo, Volkstheater-Ticket oder Festwochen-Generalpass wieder. Allein: magnetische Anziehungskräfte haben die genannten Institutionen jetzt seit Jahren und Jahrzehnten nicht entwickeln können, eher das Gegenteil. Das hält meine Skepsis in Bezug auf das aktuelle Sprech- und Schautheater hoch.

Mit einer Ausnahme: dem Rabenhoftheater in Erdberg. Aus meinem Blickwinkel ist es das vergnüglichste, aktuellste und gewitzteste Off-Off-Burgtheater-Refugium Wiens. Direktor Gratzer und sein Team machen – nicht zuletzt mit Hinsicht auf das Budget, das etwa dem einer güldenen Türschnalle in der Burg entsprechen dürfte – einen wirklich guten Job. Respekt!

Als einer der Dauerbrenner des Hauses gilt der alljährliche “Protestsongcontest”, der in Kooperation mit FM4 und dem “Standard” seit 2004 nach aufmüpfigen Künstlern und Bands fahndet. Was mehr oder weniger auch gelingt: die Veranstaltung, eine tolldreiste Paraphrase auf den Eurovisions-Songcontest, schwankt zwischen ersthafter Auseinandersetzung mit dem Protest-Potential der Popkultur und läppischem Studenten-Gschnas. Letzteres, weil es vielfach an wirklich kritischen, wortgewandten und energiegeladenen Beiträgen mangelt (die Gewinner des Jahres 2008 zum Beispiel, Ruperts Jazz Construction, entlocken Kennern der Materie kaum mehr als ein Gähnen. Nebstbei: ein Live-Publikum, das auf jeden kritischen Einwand der Jury mit Buh und Bäh reagiert, hat den Sinn der Veranstaltung missverstanden. Und sollte eventuell doch eher ein Gschnas in Erwägung ziehen…).

Daß es auch anders geht, zeigt eine CD, die – ausgewählt von den Contest-Initiatoren Gratzer, Stocker und Freigaßner – die besten Stücke der Jahre 2004 bis 2007 versammelt. Ein Bombensong wie “Sandbürger” von Rainer von Vielen sprengt betuliche Kinderzimmer-Dramatik, „ironische“ Banalität und eskapistische Öko-Romantik augenblicklich in Stücke. Hier offenbart sich, wie eine dringliche Depesche dreissig Jahre nach Arik Brauer, den Schmetterlingen und Sigi Maron zu klingen hat. Leider bleibt der Song ein Solitär.

Denn selbst Profis wie Rainer Binder-Krieglstein, Mieze Medusa oder Christoph & Lollo können nicht mithalten, lassen aber allemal aufhorchen. Schön hinterhältig auch die Wort- und Musikspende von Georg Freizeit und den Rosaroten, die eben nicht wie viele andere “die Weisheit mit den Löffeln” gefressen haben. Was per se weise und insbesondere für treffsicher Kritik eine conditio sine qua non ist. Nur Rummaulen und Krachschlagen kann jeder Depp.

Ein Freiexemplar für jede Partei-, Medien- und Konzernzentrale! Insgesamt ist diese Sammlung eine kompakte Steilvorlage für den Protestsongcontest 2009.

Various Artists, PROTESTSONGCONTEST 2004 – 2007 (Pate/Edel)

%d Bloggern gefällt das: