Archive for März, 2008

Neues aus dem Kuriositätenkabinett

25. März 2008

Ein aktueller Rundumschlag: vom iPhone über das Sicherheitspolizeigesetz und die Plakatstreitereien in Wien bis zum „Amadeus“. Und retour. Welcome zur Achterbahnfahrt.

img_0004_2.jpg

Jetzt also, endlich!, ist das iPhone auch in Österreich gelandet. Relativ unspektakulär. Die Warteschlangen vor den T-Mobile-Shops blieben aus. Hat sie jemand ernsthaft erwartet? Jeder Early Adopter, Technikfreak und Gimmick-Afficionado hatte doch längst eins der schicken Dinger daheim, bevor Apple mit seinem „Roll Out“ auch das kleine Österreich ins Visier nahm. Etwa Alfred Gusenbauer. Höchst privat, natürlich. Ein Geschenk, eventuell auch ein Grauimport oder Testexemplar, was weiss man schon. Daß man dem Bundeskanzler jetzt ob dieser nebensächlichsten aller denkbar nebensächlichen Fragen einen Strick (oder zumindest einen Stolper-Faden) zu drehen versucht, zeigt einmal mehr, auf welchem Niveau hierzulande Politik gemacht wird.

Dabei gäbe es gerade im Bereich der Telekommunikation allerlei politischen Diskussions- und Handlungsbedarf. Das rund um Weihnachten hurtig durchgepeitschte Sicherheitspolizeigesetz (SPG) etwa ermöglicht es jedem Streifenpolizisten, rasch mal bei meinem Internet-Provider oder meiner Telefongesellschaft anzuklopfen und Daten zu erfragen oder meinen Standort anpeilen zu lassen. Sorry, mein Vertrauen in die Horngacher-Truppe und ihre internen Kontrollmechanismen ist zu gering, als dass ich sie als Staatsbürger mit einem generellen Freibrief ausstatten möchte. Bezeichnenderweise haben sich nicht nur Datenschützer, diverse NGOs, die Oppositionsparteien und die Richtervereinigung gegen das neue SPG ausgesprochen, sondern auch Vertreter von SPÖ und ÖVP. Darunter die Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Dass Frau Prammer und alle anderen Koalitionssachzwängler dann im Parlament für das Gesetz gestimmt haben, mag ein kurioser Widerspruch in sich sein – aber derlei ist man in einer Operettenrepublik ja fast schon gewohnt.

Weil wir schon beim Thema K&K (Kommunikation und Kuriositäten) sind: sind Ihnen in letzter Zeit die überall in Wien affichierten Plakate aufgefallen, wo gross „Plakatieren verboten“ drauf steht? Keine Ahnung, ob es sich dabei um einen gewitzten Protest gegen die Monopolisierungs-Walze der Gewista im Bereich Kultur- & Kleinplakatierung handelt oder das eher plumpe Gegenteil davon, nämliche faktisch-klebrige Verbotsschilder – aber auf die Dada-Idee, mit Plakaten gegen Plakate vorzugehen, muss man erst mal kommen. Dass die „Wildplakatierung“ das grösste Problem der Wiener in den letzten Jahren und Jahrzehnten gewesen sein soll, hab’ ich jedenfalls noch nie gehört. Aber natürlich nehmen wir gerne zur Kenntnis, wie rührend sich die Stadtverwaltung und mit ihr lose verbundene Firmen um das Stadtbild und unser Seelenheil kümmern. City Lights und Rolling Boards sind ja auch wirklich viel schmucker und unaufdringlicher als popelige Poster irgendwelcher Provinzzirkusse, Kleinkünstler und Kulturinitiativen.

Damit zum Stichwort „Kultur“: lassen Sie es rasch wieder in der Schublade verschwinden, wenn es um Veranstaltungen wie den österreichischen Musikpreis „Amadeus“ geht. Ich meine das gar nicht böse. Ich tue mir nur zunehmend schwer, als Jury-Mitglied (okay, ich nehme das halbwegs ernst…) unter den nominierten Künstlern und Acts eine Wahl zu treffen. Eine Wahl, die ich vor mir selbst verantworten kann, und die der Sache auch gerecht wird. Hier geht es doch rein um Verkaufszahlen, wofür benötigt man also meine Stimme? Und, sorry, ob jetzt „Kinder“, eine Benefiz-Schmalzorgie der „Neuen Österreicher“ oder „Dein Weg“ von Mario Lang die „Single des Jahres national“ wird, geht mir echt am Arsch vorbei (mein Tipp: Christl Stürmer, einmal mehr).

Wobei: wenn’s die Retortenerfindung „Neue Österreicher“ – where have all the old ones gone? – wird, wird’s pikant. Denn der ORF ist ja bekanntlich nicht mehr an Bord. Da aber Österreichs (Kommerz-)Popszene am Ö3-Tropf hängt und man eigentlich den ganzen „Amadeus“ nur erfunden hat, um einmal jährlich kräftig die TV-Werbetrommel rühren zu können (klarerweise mit allseits starrem Blick auf die Quoten), ist die ganze Chose mit Puls 4, KroneHit & Cie. ein ordentlicher Schuss ins eigene Knie. Bitte mich nicht falsch zu verstehen: mir ist die Vision eines jungen, landesweiten, quergebürsteten Senders abseits der retardierenden ORF-Maschinerie höchst sympathisch. Vor allem, wenn er Aufmerksamkeit gegenüber der Kreativszene dieses Landes entwickelt (etwas, das festgeschrieben zuvorderst dem Künglberg zufiele). Auch wenn’s da und dort noch an der Umsetzung hapert. Und Mausi Lugner sich generell gleich wieder vertschüssen darf. Aber den Senderwechsel für den „Amadeus“ zum innovativen Schritt nach vorn zu erklären, ist doch reichlich gewagt. Was sich in Wahrheit als „Medienpolitik“ (die Anführungszeichen sind bewusst gesetzt) und Ego-Problem diverser Macher vor und hinter den Kulissen erklären lässt, nimmt leider die gesamte Szene in Geiselhaft. Und führt den „Amadeus“ zwangsläufig an den Abgrund vollkommener Bedeutungslosigkeit.

Tja. Nebbich. Nebstbei: bevor ich mein Versprechen einlöse und die Zukunft der Musikindustrie anhand des iPhone darlege, kann irgendjemand Steve Jobs ausrichten, er soll es jetzt mal gut sein lassen mit seiner – reichlich hintertriebenen – Guerilla-Marketing-Taktik? Diese ganzen vermeintlichen Grau-, Dunkelgrau- und Schwarzzonen in Sachen legal, halblegal oder illegal entsperrter, kopierter, importierter Handies (haaa-l-l-oooo!, ja, es handelt sich auch beim iPhone letztlich nur um ein Handy!) nerven. Ein probates Produkt zum probaten Preis, alles funkt, alles legal (und zugriffsgeschützt vor Kottan & Co.), that’s it – zumindest für einen Spielzeugwart wie mich. Und eventuell auch für Alfred Gusenbauer

Werbung

Wundersames Wien

12. März 2008

Man möge mich des Nepotismus zeihen – aber wie könnte ein Magazin wie “Wien Live” (oder ein Blog aus Wien) ohne einen Fingerzeig auf das wundersamste, zärtlichste, berückendste Wien-Album des Jahres auskommen? Insofern ist es nur würdig und recht, hier Ernst Molden aufs Podest zu bitten.

In seinen Texten und seiner Musik schöpft dieser “letzte Viktorianer” (H.C.Artmann) seit zwei Jahrzehnten aus der reichen urbanen Mythenwelt der Donau-Metropole. Die Motive der Song-Kleinode auf „Wien“ reichen von Fleischhauern, Praterhuren und dem hiesigen Volkssport des Wiesenliegens bis zu höchst persönlichen Szenarios wie „Ein langer Tag am Wasser“. Das musikalische Unterfutter verehelicht elektrischen Blues mit zart gesetztem Lokalkolorit – und sei es ein verminderter Akkord, der eine Rockballade nach US-Baumuster kaum merklich nach Ottakring entführt.

Ernst Moldens Band, durch die intensive Konzertpraxis der vergangenen Jahre zusammengeschweisst „zur tight groovenden Musikmaschine“ (Rainer Krispel, „Augustin“), übersetzt die Vorgaben des Poeten am Mikrofon und an der Gitarre ebenso knapp wie trittsicher ins grosse Format. Gäste wie Ex-„Ostbahn Kurti“ Willi Resetarits tragen das ihre dazu bei. Produziert wurde „Wien“ – wie schon das Vorgängeralbum „Bubenlieder“ – vom Münchner Grenzgänger Kalle Laar (Trikont, Temporary Soundmuseum).

Übrigens: fast zeitgleich mit “Wien” erscheint ein weiteres Molden-Album. Namens “Foan”. Hier übersetzt der Singer-/Songwriter Song-Klassiker und Vorlagen internationaler Vorbilder – von Nick Cave bis Johnny Cash – ins lokale Idiom. Wer den Vergleich sucht, kann “Wien” und “Foan” gleich im Deluxe-Doppelpack erwerben.

Ernst Molden, Wien + Foan (monkey./Hoanzl)

Im Bauch von Bombay

8. März 2008

Der Grossteil der heimischen Pop-Elite ist „weltberühmt in Österreich“. Von kosmopolitischem Erfolg lässt sich aber erst erzählen, wenn man etwa in einer Stadt reüssiert, die allein dreimal soviele Einwohner hat wie die gesamte Republik. Was der Accapella-Truppe Bauchklang in Mumbai gelang, dem wirtschaftlichen Zentrum Indiens. Eine Magical Mystery Tour. 

p1070094.jpg

Vorab, zur Klarstellung (hat hier gerade noch irgendjemand etwas von „Dritter Welt“ gemurmelt?): Mumbai hat eine bessere Presselandschaft. Die deutlich bessere, wachere, gütigere Presselandschaft jedenfalls im Vergleich zu unserem medialen Alpen-Streichelzoo. Man male sich, um dieses Urteil ähnlich rasch und ultimativ fällen zu können wie der Autor dieser Zeilen, folgendes Szenario aus: eine weithin einzigartige, doch letztlich auch höchst exotische Pop-Attraktion wählt den umgekehrten Weg und landet, aus Indien kommend, in Wien. Und macht hier drei Tage lang Station. Ich wette, kein Schwanz würde auch nur eine Zeile schreiben. Sieht man eventuell von Blog-Aktivisten mit einem Schuss Goa in den Genen ab.

In Mumbai aber überschlägt sich die Presse schon in der Luft, bevor Bauchklang auch nur einen Ton von sich geben. Das „Time Out Magazine“ bringt einen ersten Vorbericht. Die „Hindustan Times“ und der „Mumbai Mirror“ ziehen nach. „Radio One“ bittet ins Funkhaus. Selbst der legendäre „Rolling Stone“, lokal frisch am Markt, hält Hof. Für das Quintett, dessen Wurzeln im beschaulichen Umfeld von Sankt Pölten in Niederösterreich liegen, ein ermunterndes Signal. Schliesslich ist man nicht an die westindische Küste aufgebrochen, um mit gehobenem Strassenmusikantentum ein paar Urlaubstage zu finanzieren. Im Gegenteil. Das „Blue Frog“, so der Name und das Logo des Gastgebers, ist der hippste, grösste, feinste Club des ganzen Subkontinents. Und Bollywood klopft auch an. Aber alles der Reihe nach.

Von oben, vom Flieger aus sieht die Stadt eigentlich recht harmlos aus. Was vielleicht daran liegt, daß ihre Grenzen nicht recht abzustecken sind auf einer imaginären Landkarte und nächtens der Lichterschein weniger gleissend, dicht und stolz funkelt als in vielen urbanen Knotenpunkten dieses Planeten. Aber Mumbai, bis Mitte der neunziger Jahre landläufig unter dem Namen Bombay bekannt, ist eine gewaltige Metropole. In jeder Hinsicht. Das wirtschaftliche Zentrum Indiens. Die wichtigste Hafenstadt eines Erdteils. Kulisse von Bollywood, der weltgrössten Filmindustrie-Maschinerie. Und wenn wir schon bei Superlativen sind: ob diese Metropole jetzt die bevölkerungsreichste der Welt ist (im engeren Sinne: 13,7 Millionen Einwohner zählt Mumbai bereits ohne Vorortegürtel, mehr als 21 Millionen die gesamte Region, aber die Behörden sind eher auf Schätzungen angewiesen denn auf exakte Statistiken) oder nur die fünftgrösste, ist relativ.

Relativ egal, da einen Mumbai vulgo Bombay – beide Namen stehen in Verwendung – bei gleissendem Tageslicht anspringt wie ein als (Wirtschafts-)Tiger getarntes Alien. Was der Reiseführer in sachlich-unterkühlter Diktion „unzureichende Entsorgungs- und Reinigungskapazitäten für Abwasser, Abgase und Abfälle nennt“, dringt schon wenige Minuten nach der Landung in Mund, Nase, Augen. Es stinkt. Mitreisende in einem der Abermillionen schwarzgelben, Trabant-artigen „Premier“-Taxis (die rasch zur mobilen Standardbehausung mutieren, obwohl ein durchschnittlicher Europäer noch nicht mal ohne Rückenverkrümmung drin sitzen kann) witzeln, selbst die Luxushotels in der Nähe des Flughafens hätten ein Problem, das sich mit Luftfiltern, Ventilatoren und Raumdeos nicht lösen liesse: die Stadt selbst.

Diesen Moloch von Stadt. Menschen, Menschen, Menschen, wohin das Auge blickt. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Dann sind die Bettdecken oft aus Asphalt. Ein Ameisenhaufen auf Amphetamin. Oder Chai Tee. Etwa die Hälfte der Bevölkerung Mumbais lebt in Slums, ohne Wasseranschluss und Kanalisation. Daß der jährlich vier Monate lang anhaltende Monsunregen die Megatonnen an Müll, Schlamm, Staub und Smog regelmässig hinwegspült wie eine Sintflut, löst das Problem nicht. Im Gegenteil. Es verschärft die Situation. Die unabwendbare Vermengung von Nutz- und Abwasser ist Seuchenherd Nummer eins. Impfungen sind nicht Pflicht, werden aber dringend angeraten. Die Bevölkerungsdichte – etwa die zehnfache einer durchschnittlichen europäischen Metropole – ist abnorm. Die kaum je absente Hitze wirkt wie ein zusätzlicher Brennspiegel. Babylon lässt grüssen.

Apropos: die Sprachverwirrung hält sich – trotz zweihundert in diesem Schmelztiegel der Kulturen gebräuchlicher Sprachen und Dialekte – in Grenzen. Englisch liegt offiziell nur an zwölfter Stelle der Nutzer-Statistik. Und wird hier doch so gut wie jedem gesprochen. Zumindest rudimentär. Oder äusserst elegant. Und mit kosmopolitischem Selbstverständnis. Wie im Fall von Dhruv Ghanekar, einem Musiker, Studiobetreiber und Gesellschafter des „Blue Frog“. Er ist die eigentliche Triebfeder hinter der Einladung an die Bauchklang-Jungs. Daß Philipp Sageder, ein Fünftel der Acappella-Formation, mit einer Inderin liiert ist, baldige Hochzeit inbegriffen, hat wohl auch mitgeholfen. Und über die Qualität von Bauchklang, die hierzulande zu den Publikums- und FM4-Lieblingen zählen, zwei „Amadeus Awards“ kassiert und zuletzt das Album „Many People“ veröffentlicht haben (ein neues ist in der Pipeline und darf im Herbst erwartet werden), besteht nach kurzem Online-Check selbst im fernen Osten kein Zweifel. Aber ganz ohne ist so ein Trip über den Indischen Ozean dann doch nicht. Bei aller Mystifizierung potentieller „Magical Mystery Tours“, die schon berühmtere Kollegen nach Bombay, Delhi und darüber hinaus lockte (allen voran die Beatles mit ihrem Abstecher zum erst kürzlich verstorbenen Yogi Maharishi), stellt sich rasch die Frage: wie reagiert das Publikum – so es denn kommt – auf Breitwand-Klänge aus dem Bauch der westlichen Pop-Kultur? Und wer, bitte, ist eigentlich das Publikum?

Letzteres zumindest lässt sich rasch beantworten. Das „Blue Frog“ ist ein Hedonisten-Tempel der oberen Zehntausend von Mumbai. Und das bedeutet – hier existiert nackte Armut neben fast schon obszönem Reichtum, oftmals Tür an Tür – wirklich, sagen wir mal: konsequenten – Hedonismus. Die Jeunesse d’oré Mumbais ist hier geschlossen (in jeder Hinsicht des Wortes) versammelt. Der Fahrer, der uns tagelang durch Mumbai kurvt, durch groteske Staus und archaisch-anarchistische Regel-Absenz, weigert sich mitzukommen, obwohl er von der Band persönlich eingeladen wird. Sorry, no way. Ein reservierter Tisch in dem seventiesmässig UFOesk elegant gestylten Club, der erst vor wenigen Monaten eröffnet wurde, kostet mehr, als andernorts eine ganze Familie im Monat verdient.

An der Adresse D/2 Mathuradas Mills, N.M. Joshi Marg Lower Parel, Mumbai 13 würde man diesen Hort weltläufigen Kultur-Inszenierung – das Areal birgt auch einen Studiokomplex und ein geräumiges Büro – nicht vermuten. Es riecht nach Hühnerbatterie. Das tut es aber fast immer. Und überall. Nebenan ist eine Spinnerei. Um die Ecke eine Nähmaschinen-Werkstatt, Modell Singer ca. 1952. Trübes Licht taucht die üblichen Hinterhof-Fabriken, aus denen einem dutzende aufgeschreckte Werktätige entgegenblinzeln, in die Camouflage-Färbung schamhaften Old School-Unternehmertums. Dhruv Ghanekar aber strahlt übers ganze Gesicht. Er hat auch allen Grund dazu.

Bauchklang biegen Bombay. Okay, sagen wir’s auf herkömmliche Art: sie rocken, bezwingen, erobern diese Stadt. Nur mit ihren Stimmen. Und einer gehörigen Portion Charme, Diplomatie und Kommunikationsfreude. An zwei von drei Abenden stehen mit dem Tabla-Maestro Ustad Zakir Hussain und dem Percussionisten Taufiq Qureshi plötzlich zwei örtliche Superstars in einer Reihe mit Andreas Fränzl, Alex Böck, Gerald Huber, Christian Birawsky und Philipp Sageder auf einer Bühne. „Ach was, Superstars“, flüstert man mir ergriffen ins Ohr. „Das sind hier Götter!“. Generell schwankt das Publikum, das wenig bis nicht mit Beatboxing und Mouth Percussion, dem Instrumentarium des „Vocal Groove Projects“ (Eigendefinition) Bauchklang vertraut ist, zwischen starrer Faszination und begeisterten Anfeuerungsrufen. Hier agieren Sampling-Apparate aus Fleisch und Blut. Noch dazu mit hübschen, blassweissen Gesichtern. Schnöde Genre-Schubladen wie Ragga, HipHop, Drum’n’Bass, World Music und Elektronik scheinen hier niemanden zu interessieren. Die pure Energie, hemmungslose Vitalität und kopfhautmassierende Vibrationsmächtigkeit des Quintetts allerdings schon. 

Auch Bollywood kann – und will – sich dieser Wucht nicht entziehen. Die Einladung, am Soundtrack des Action-Reissers „Drona“ mitzuwirken, einem Film, von dem halb Indien schon Monate vor der Premiere spricht, kommt bald von Dhruv. Am vorletzten Tag geht’s ab ins Studio, um Standard-Synthesizer-Sounds mit menschlichen Stimm-Spuren aufzufetten. Allgemeine Aufgekratzheit, satte Zufriedenheit auf Seiten der Produzenten. Möglichkeiten weiterer Zusammenarbeit werden spontan erörtert. Irgendwie greift allmählich, aber immer deutlicher die Überzeugung Raum, daß dieser Indien-Ausflug nicht der letzte seiner Art bleiben wird und muß. If you can make it there you can make it anywhere. Oder so. Schliesslich ist schon ein Bruchteil der Bevölkerung Mumbais in absoluten Zahlen ein Millionenpublikum. Und daß es boomt in diesem Eck der Welt, die Autoindustrie (Tata!), der Handel, die Computerei, das ist unübersehbar. Daß dennoch viele – noch – nicht nach Bauchklang gieren werden, weil das Knurren ihres eigenen Magens unüberhörbar ist, leider auch.

Dem „Weltberühmt in Österreich“-Syndrom entkommen Fränzl & Co. mit Gastspielen wie diesem allemal. Das hat das Quintett immer schon vom Grossteil der heimischen Szene separiert: Selbstbewusstsein, Eigenwilligkeit und Gelassenheit. Und eine unangestrengte Internationalität, die in einem Tondokument „Bauchklang live in Bombay“ ihren bisherigen Höhepunkt gefunden hätte. So er denn je auf den Markt kommt. Kann gut sein, daß die fantastischen Fünf in absehbarer Zukunft eher weniger Interesse an alten Formaten, Medienkanälen und Spielorten haben.

%d Bloggern gefällt das: