Für viele ist sie die Retterin des Genres Protestsong. Tatsächlich: Eva Jantschitsch alias Gustav tänzelt leichtfüssig im Ring, verlacht den übermächtigen Gegner und schlägt dann ansatzlos zu. Mit Worten, mit Ideen, mit Samples und Melodien. So kann, darf, soll Pop mit postmodernem Protestpotential populär werden. Und mit dem neuen Album „Verlass die Stadt“ noch populärer.
Als man erstmals von ihr hörte, war sie 26 Jahre jung, bislang nur im Elektronik-Untergrund der Wiener Szene in Erscheinung getreten und hatte ihr erstes Album auf einem geborgten Laptop im Alleingang gebastelt. Diese CD aber, mit dem rührig-verstörenden Titel „Rettet die Wale“, wurde zum Überraschungs-Debut des Jahres 2004. Und Gustav alias Eva Jantschitsch war über Nacht in aller Munde. Hymnische Rezensionen – von der „Neuen Zürcher Zeitung“ bis zu „de:bug“, von der „Presse“ bis zum „Standard“, von FM4 bis Ö1 – beförderten Gustav zum neuen Liebling des Feuilletons und der Pop-Intelligenzia.
Nun liegt Album No. zwei vor, und wieder kommt der Titel – “Verlass die Stadt” – als Imperativ um die Ecke gebogen. Die Tonspur zu den ironischen, sensibel-spitzen, doppelbödigen Texten geriet diesmal aber fast leichtfüssig. Bisweilen klingt Gustav anno 2008 wie die intellektuelle Halbschwester von Judith Holofernes, der Sängerin von Wir sind Helden. “Verlass die Stadt”, angesiedelt zwischen lässigem Pop-Eklektizismus und artifiziellem Schlager, vereint volkstümliche Blasmusik und sizilianische Mandolinen, ein hinterfotziges “Happy Birthday” und einen beinahe fröhlichen Abgesang auf die Apokalypse. “Die Schunkelseligkeit der Musik steht im krassen Unverhältnis zu den behandelten Themen”, so die Künstlerin. “Denn die Lage ist ungemein ernst und es gibt keinen Grund zur Entwarnung”.
Und wenn doch, dann wollen wir sie zuallererst aus dem Mund von Gustav hören. Das Sensorium dafür besitzt die weithin beste Pop-Schreiberin des Landes allemal.
GUSTAV – Verlass die Stadt (Chicks On Speed Records)
Kommentar verfassen