„There’s no business like show business“, lautet einer der Stehsätze der Branche. Was aber, wenn der Show das Business abhanden kommt?
„Alles, was veröffentlicht werden soll und veröffentlicht wird, ist Propaganda. Nur, was nicht öffentlich werden soll und dennoch veröffentlicht wird, ist Journalismus” hat, sinngemäß, ein nicht unkluger Mann einmal gesagt. Diese Kolumne hat somit einen Ausgangspunkt. Nein, ich will hier nicht die unsäglichen In Memoriam-Jörg Haider-Festspiele thematisieren. Oder die Abwendung des selbstverschuldeten Bankrotts einer exklusiven VIP-Klientel-Hausbank mit Steuergeldern. Oder das grosskoalitionäre Perpetuum Immobile der Innenpolitik. Dafür gibt es andere Blätter. Oder, zeitgemässer: mediale Plattformen.
Was dann? Wirtschaft. Daran geht derzeit nichts und niemand vorbei. „It’s the economy, stupid!“ hat Bill Clinton einst im Wahlkampf 1994 verkündet (und Barack Obama hat die Lektion gelernt). Es dreht sich tatsächlich alles um ökonomisches Haben und Sein, und nur ein Dummkopf kann den Blick davor verschliessen. Ich war, zugegebenermassen, solch ein Dummkopf. Jahrelang. Habe an das Wahre, Gute, Schöne geglaubt. An die geheimnisvolle, annähernd heilsame Kraft des Rock’n’Roll. An Druck von unten, Weisheiten von oben und Argumente von links, rechts oder woimmer sie herkommen mochten (solange sie halbwegs plausibel klangen). An Ideale. Freundschaft. Und derlei mehr. Schluss damit! Es ist die Wirtschaft, die die Dinge steuert. Und sei es nur die Ökonomie der Aufmerksamkeit oder ein schlichtes menschliches Kalkül, das uns das eine tun und das andere unterlassen lässt. Empathie als Rechenaufgabe? Die Monetarisierung des sozialen Ichs? Nein, soweit würde ich nicht gehen. Aber natürlich ist – pardon!, daß ich jetzt so beherzt in die Binsen greife – fast jedem von uns die Jacke näher als die Hose. Und der eigene Vorteil sicher kein Nachteil. Das letzte Hemd hat zudem bekanntlich keine Tasche.
Nun, allmählich könnte man durchaus etwas konkreter werden, oder? Und aus dem Blickwinkel des Wirtschaftstreibenden – sind wir nicht alle Wirtschaftstreibende? – ein paar aktuelle, heisse Eisen anfassen. Okay. Reden wir z.B. über den „Amadeus“. Die einzige nennenswerte Trophäe, die die Musikwirtschaft hierzulande zu vergeben hat (sieht man von einigen Genre-Initiativen, etwa dem Hans Koller-Preis im Bereich Jazz, ab). Hier gab und gibt es allerlei Konzepte, Entwicklungen, Absichten. Mario Rossori, der langjährige Organisator des „Amadeus“, wird letzteres, so hört man, anno 2009 nicht mehr sein. Etwas Neues muss her. Etwas Zeitgemässeres, Frischeres, Besseres. Nun: ich bin in der privilegierten Position des reinen Beobachters. Ich muß mir um die Befindlichkeiten diverser IFPI-Mitglieder, um die ökonomischen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten dieses Awards und um seine Innen- und Aussenwirkung nicht den Kopf zerbrechen. Ich werde – wie der Grossteil der Meute – irgendwann am „Amadeus“-Buffet stehen, demonstrativ cool wirken (wollen, soetwas lässt sich nur als Absichtserklärung formulieren) und mir das Maul zerreissen. Über die Qualität der Schnitzelpanier, über die auftretenden Künstler, Laudatoren und Moderatoren, über die vergebenen Preise und ihre Empfänger sowieso. Business as usual.
Aber eines mag ich zuvor klar zum Ausdruck gebracht haben: es war eventuell keine gute Idee, alte Loyalitäten, langjährige Erfahrungswerte und eingeführte Strukturen so sang- und klanglos über Bord zu kippen. Zumindest hätte man damit noch ein Jahr warten können, bis die Situation mit dem ORF (der sich ziert, die natürliche mediale Trägerrolle wieder zu übernehmen) und Puls 4 (wo Markus Breitenecker zurecht zu Tode beleidigt wäre, wenn man Spielchen mit seinem Sender spielt) final geklärt ist. Und ein kleines Jubiläum, nämlich „10 Jahre Amadeus“, halbwegs glücklich abgehakt werden kann. Kann sein, daß man anno 2010 sowieso etwas ganz anderes erfinden muß, angesichts der wirtschaftlichen Grosswetterlage. Nach fairem Ideen-Wettstreit durchaus auch ohne Patenonkel Mario, es gibt schliesslich keine Erbpacht auf Dienstleistungs-Jobs. Aber hoffentlich auch keine allzu durchsichtigen neuen Freundschaftsdienste. Wenn nur mehr das Geldbörsel regiert, sollte man es auch offen auf den Tisch legen.
Damit zu einer ebenfalls nicht unsensiblen Materie: AMAN. Sagt Ihnen nichts? Hinter dem Kürzel steckt ein Netzwerk von Labels, die versuchen, den reichlich überdimensionierten Begriff „Musikindustrie“ mit genuin österreichischen Inhalten und Produktionen lebendig zu erhalten und über die engen Grenzen dieses Landes hinaus Strahlkraft zu entwickeln. Dazu hat man sich, allen voran die wackeren Aktivisten Georg Tomandl und Stephan Dorfmeister, einiges einfallen lassen. Zuviel oder zuwenig, die Spatzen pfeifen es von den Dächern: so, wie man sich’s vorgestellt hat, funktioniert es nicht. Die triste Marktsituation macht einen Totalumbau notwendig. It’s the economy, stupid! Und bei der Geschäftsführerwahl hatte man zudem kein Glück. Aber man will, und ich stehe als AMAN-Vorstandsmitglied nicht an, dies hiermit dokumentierterweise ebenfalls zu tun, die Flinte keinesfalls ins Korn werfen. Das wird die nächsten Monate über absehbar eine zähe und arbeitsreiche Angelegenheit, aber der Job muß getan werden. Akkurat. Konsequent. Sonst kann man die österreichische Musikwirtschaft (wie wir sie bislang kannten) gleich ganz zusperren.
Um in diesem Kontext umgehend ein paar starre Mienen mehr zu erzeugen: ich plädiere für eine radikale Evaluierung (ach ja, das Lieblingswort von Morak selig…) aller Förder-Strukturen und Business-Biotope im Musikbereich. Ihrer Effizienz und ihrer Synergien, soweit vorhanden. Von AMAN bis zum MICA, von ÖMF bis SKE, von den Verwertungsgesellschaften bis zum ORF. Mit strikt wirtschaftlichem Blickwinkel. Und zählbaren Resultaten. Wenn das geschafft ist, dürfen wir uns allesamt wieder trauen, das Wort „Kultur“ in den Mund zu nehmen.