Regenbogenkoalition, Programmreform, Gebührenerhöhung – es hat alles nichts geholfen: der ORF kommt mehr und mehr in die Bredouille. Hier zehn Spar- & Reformvorschläge. Ernstgemeinte, wohlgemerkt.
Vorweg: ich bin kein Feind des ORF. Auch wenn mich manche dafür halten, aus welchen Gründen immer auch. Im Gegenteil. Die Idee eines öffentlich-rechtlichen Medienangebots, das nicht – oder zumindest nicht ausschliesslich – dem kategorischen Imperativ des Marktes, dem Drang nach Reichweite, Rendite und machtpolitischer Relevanz, gehorcht, ist mir grundsätzlich sympathisch. Der ORF hat einen Mehrwert, eine Qualitätsverpflichtung, eine Aufgabenstellung. Und gar nicht so selten erfüllt er diese Aufgabe auch. Schon recht, werden Spötter einwenden, aber es gibt auch jede Menge Fragwürdigkeiten und Gegenbeispiele. Warum muß Ö3 exakt so tönen, wie es tönt? Was unterscheidet CSI Miami auf ORF 1 essentiell von CSI New York auf RTL? Erschliesst sich der genuin österreichische „Public Value“ des Senders in Programmangeboten wie „Vera exklusiv“, der „Brieflos-Show“ oder „Weihnachten auf Gut Aiderbichl“? Und wenn Landesonkel Pröll eine tägliche Belangsendung wünscht, braucht es dafür ein eigenes ORF-Minimundus in Sankt Pölten?
Nun: über all das lässt sich trefflich streiten. Das wird auch getan. Im Übermaß. Zumindest an hitzigen Scheingefechten mangelt es nicht. Geführt vornehmlich von den Abgesandten und Lobbyisten der politischen Parteien, die sich den ORF pfründemässig in ähnlicher Weise aufzuteilen versuchen wie den Rest der Republik. Das ist die wahre Crux des Unternehmens, und jeder Versuch, die ungenierte Umklammerung aufzusprengen, hat sich bislang als als üble Farce und Schuß in den Ofen herausgestellt. Zudem kommt der Ex-Monopolist mehr und mehr unter strukturellen Druck: zuviel Personal, wuchernde Lohnkosten, privilegienfette Alt- und Sonderverträge, marktferne Werbetarife, sinkende Publikums-Loyalität, zunehmende Hinterfragung des Status Quo im EU-Kontext. Ob Alexander Wrabetz – spät, aber doch – mit seinen vor dem Menetekel der Wirtschaftskrise forcierten Sparvorschlägen sowohl seine Mitarbeiter (samt Betriebsrat), den gravitätischen und oft genug (be)fremd(lich)en Interessen verpflichteten Stiftungsrat und letztlich auch den sog. anonymen Gebührenzahler überzeugt, steht noch in den Sternen. Zu wünschen wäre es ihm. Und uns. Denn eine wirkliche Alternative zur – jahrzehntelang eingeübten und mehrheitlich gern gelittenen – Staatsreligion ORF ist weit und breit nicht in Sicht.
Was tun? Es liegt mir fern, den ungebetenen Besserwisser raushängen zu lassen. Aber natürlich fällt einem als Konsument und (schon historisch ORF-affiner) Medienmensch so einiges auf. Abspeckpotentiale und Einsparmöglichkeiten liegen förmlich auf der Hand. Es scheint jedoch weithin ein Tabu zu sein, sie auch nur anzudenken oder offen auszusprechen. Man könnte ja als Kollegenschwein gelten. Oder als Kulturbanause. Oder als verkappter McKinsey-Kapitalist. Mir egal. Der gemeine Kolumnist gilt eh als Träger einer güldenen Narrenkappe, also will ich Sie, pardon!, durchaus auch mal mit heiligem Ernst belästigen dürfen. Hier also ein kleiner Merkzettel für ORF-Notretter. Gehen wir der Reihe nach vor.
Eins: TW1. Ich hör’ da immer etwas von „strategischem Interesse“, aber bislang hat mir kein Mensch erklären können, wofür man eisern eine Frequenz mit einem Trash-, Randsport- und Nebelwetter-Sammelsurium besetzt hält. Insbesondere, wenn man das alternativ erträumte Informations- & Kultur-Angebot absehbar nicht finanzieren kann. Und sich eventuell überhaupt auf nur einen – hochwertigen! – TV-Kanal beschränken sollte.
Zwei: Mittel- und Kurzwelle. Leute, das World Wide Web ist schon erfunden. Und Internet-Radio lässt sich aus jedem Wohnzimmer betreiben. Von jedermann, ganz ohne ORF-Entwicklungshilfe.
Drei: das Radio-Symphonieorchester. Nice to have, und kulturell natürlich wertvoll. Aber zu den Essentials eines Rundfunkunternehmens hat der Betrieb eines eigenen Orchesters vielleicht noch vor fünfzig Jahren gehört. Längstens. Die ORF-Bigband existiert auch nicht mehr.
Vier: fünf von neun Landesstudios. Tut mir leid, Herr Landeshauptmann. Jeweils ein Stützpunkt im Osten, Westen, Norden, Süden reicht allemal. Provinzkaisertum hat keine Zukunft.
Fünf: externe Beratungsunternehmen. Kein Geheimnis: meist dient Consulting nur der vorsorglichen Absicherung entscheidungsschwacher oder gänzlich unfähiger Manager. Wer immer z.B. BCI zu Ö3 geholt hat und für Kommerz-Rezepturen und Strategie-Banalitäten ungebrochen Millionen zahlt, gehört schlichtweg gefeuert.
Sechs: die Formel Eins-Übertragungen. Sauteuer. Langweilig. Vollkommen unzeitgemäß. Bernie Ecclestone, go home.
Sieben: die ORF-Entwicklungsabteilung. Sorry, wenn man immer nur „Starmania“ und „Dancing Stars“ (nebstbei: dreist kopierte oder schlicht im Ausland eingekaufte Formate) in einer Art Endlosschleife laufen lässt, kann man sich gleich sparen, so zu tun, als ob („Es ist eh kein Geld da für neue Konzepte…“)
Acht: Abfertigungen für aktive Manager. Das ist, wenngleich ein „wohlerworbenes Recht“, doch eher ein falsches Signal, wenn nicht gar ein handfester Skandal. Übrigens: wie sieht’s denn mit diversen Nebenjobs vorgeblich schwerbeschäftigter Spitzenkräfte aus?
Neun: Leider-nein-Pensionisten. Viele werden zwangspensioniert, einige können sich’s anscheinend ewig richten. Und halten sich für unersetzlich – von Buchner bis Fiedler, von Seledec bis… Sind sie aber nicht.
Zehn: HDTV. Chef-Eierkopf Franz Manola & die Techniker-Elite werden jaulen, aber was soll’s – man kann nicht eisern sparen und gleichzeitig Technologie-Trendsetter sein. Die BluRay-Klientel wird’s verschmerzen.
Zehn sachte Fingerzeige. Zuviel? Zuwenig? Zu radikal? Zu soft? Wie immer auch: die ORF-Zukunft bringt in jedem Fall Blut, Schweiß und Tränen mit sich. Da gibt’s noch viel zu tun. Da muß man durch. Besser mit Schwung als ohne.