Archive for März, 2009

Lego-HiFi

29. März 2009

MASCHINENRAUM – die Kolumne in der “Presse am Sonntag” (3) Heute: Die Stereo-Kompaktanlage von heute ist kompakter denn je. Und klingt auch noch besser.

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Können Sie sich noch an das „HiFi-Rack“ erinnern? Das war eine Art Hausaltar für den gehobenen Musikgenuß, bei genauerer Betrachtung aber nicht viel mehr als ein Holzkastl (meist im modischen Schwarz der achtziger Jahre, Ikea hat diese Farbgebung selbst bei Billy-Regalen längst verworfen) mit einigen Zwischenfächern, Glastüren und Rollen untendran. Und natürlich der Inhalt! Da funkelte es wertig in Normbreite 43,4 Zentimeter, und eine Zeitlang galt die Formel: je mehr LEDs, desto besser für die Ohren. Nicht unoriginell. Für den Connaisseur ein Schmuckstück, für die Gattin meist ein Ärgernis. Von den mannshohen Lautsprechern ganz zu schweigen.

Nun könnte man die Renaissance der schwarzen oder silbernen Blechklotze samt Alu-Front einläuten; Yamaha tut dies gerade mit den Geräteserien A-S700, A-S1000 und A-S2000, die allesamt superbe Kritiken einfahren und sentimentale Gefühle befeuern. HiFi wie damals, als die Dire Straits noch richtig knackig klangen! Aber irgendwie passt derlei nicht recht zu den MP3-Wurlitzern von heute. Obwohl natürlich auch Computer-Nerds längst klar sein sollte, daß die billigen Aktiv-Plastikbrüllwürfel, die übl(ich)erweise neben dem Monitor Platz finden, nicht mal für’s Kinderzimmer taugen. Hoch an der Zeit, den High Fidelity-Imperativ mit dem digitalen Alltag in Einklang zu bringen.

Dringend ans Herz legen möchte ich Ihnen da das „Box Design“-Projekt des österreichischen HiFi-Pioniers Pro-Ject. Der Chef dieses Unternehmens, Heinz Lichtenegger, hatte einst, nach dem Fall des eisernen Vorhangs, die Verve, die tschechische Plattenspieler-Manufaktur Tesla zu übernehmen. Und mit den analogen Schmuckstücken zu Dumping-Preisen zum Weltmarktführer aufzusteigen. Jetzt schlägt Lichtenegger wieder zu. Und produziert Verstärker, iPod-Docks, Tuner und mehr im Mikro-Format. Tönendes Lego, sozusagen. Und es tönt wirklich probat. Sogar Röhrenklang kann geordert werden, einmal mehr zu moderatem Kurs. Racks gibt es für diese Design-Boxen auch, in bunten Farben oder in nostalgischem Schwarz. Der Hausfrauenfaktor dürfte zugunsten des Systems ausfallen: am liebsten möchte man die Kästchen und Kistchen beim Abstauben streicheln. Und dann weiterhören. Eine echte Kompaktanlage.

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Die rettende Krise

23. März 2009

„Crisis? What Crisis?“ sangen einst Supertramp, und das Album-Cover mit dem lächelnden Liegestuhlbenutzer unter dem bunten Sonnenschirm wurde zum Sinnbild offensiver Ignoranz. Aber hat der Mann nicht eventuell recht?

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„Ich verstehe gar nicht, wieso Menschen Angst vor neuen Ideen haben; ich habe Angst vor den alten.“ (John Cage)

Dieser Tage mach’ ich mich gern bei Symposien, Buchvorstellungen, Podiumsdiskussionen und öffentlichen Gesprächsrunden wichtig. Nicht, weil mich die Eitelkeit treibt, zuviel Tagesfreizeit oder eine akute Loggorhoe. Oder gar der Umstand, daß ich mich generell gern zum Affen mache. Aber als selbstständiger Unternehmer ist man natürlich von der Konjunktur abhängig. Und die Realwirtschaft, das sogenannte „Musikbusiness“, läuft bekanntermaßen lau. Aber auch nicht lauer als, sagen wir, vor zwei, drei Jahren. Trotz des allgemeinen „Krise, Krise!“-Geschreis und selffulfilling prophecy-Katzenjammers. Unsereins, gebe ich bei Gelegenheit gern zu Protokoll, ist die Krise ja gewöhnt. Eine Branche, die sich seit dem Jahr 2000 quasi halbiert hat, hat die Katastrophe längst zum Normalzustand erhoben. Und lernt vielleicht eher als alle anderen, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Quasi als Avantgarde des Digitalzeitalters.

Oder auch nicht: dann geht sie mit Pauken und Trompeten unter. Das Bild der „Titanic“-Bordkapelle, die todesmutig (oder schicksalsergeben, ganz nach Geschmack) weiter aufspielte, als das Schiff schon mächtig Schräglage hatte, kommt einem in den Sinn. Nun könnte man natürlich ziemlich zynisch werden: die Journalisten, Kollegen und Privatexperten, die jahrelang meinten, die urböse Musikindustrie hätte schlichtweg alles verschlafen, verbockt und verneint und wäre somit selbst schuld an ihrem Untergang, sitzen – oho! – im selben Boot. Old School-Medien, Filmwirtschaft, Copyright-Owner, Software- und Content-Produzenten und all die Dienstleister und Händler rundherum, sie laufen gerade im Eilschritt in grellbunten Rettungswesten Richtung Oberdeck. Und klappern und knirschen mächtig mit den Zähnen, allesamt. Panik auf der Titanic. Alles klar auf der Andrea Doria?

Über diesen Business-Status Quo zu schreiben, zu reden oder auch nur öffentlich nachzudenken, bringt derzeit mehr als das Business selbst. Und zwar in harter Währung (für deren Härte ich aber langfristig auch nicht meine Hand ins Feuer legen würde). Okay, werden Sie einwenden, das sei aber schon ein sehr spezieller Ausweg, ein kurioser Notausgang aus der Krise! Schließlich könne nicht jede(r), der/die in der Bredouille sitze oder gar schon auf der AMS-Wartebank, daraus einen Schicksalsroman machen. Arbeitstitel: „Das Um und Auf des Auf und Ab“. Oder eine Vorabend-TV-Serie. Oder auch nur ein Thema für ein Provinz-Symposion. Richtig!, wage ich einzuwenden. Aber arbeiten wir nicht alle in der sogenannten Kreativindustrie?

Dieser Tage las’ ich in der neuen, inhaltlich prallen und unternehmerisch mutigen (und am Rand auch von mir mit Buchstaben befüllten) „Presse am Sonntag“ ein Interview mit dem Autor Wolf Lotter. Der Exil-Österreicher zählt zu den Gründern des Neo-Entrepreneur-Zentralorgans „brand eins“. Und damit zu den Vordenkern der „kreativen Revolution“ – so auch der Titel seines aktuellen Buches, das im Murmann Verlag erschienen ist und u.a. Beiträge von Matthias Horx, Dieter Gorny und einigen weiteren Thinktank-Routiniers enthält. Lotter stellt da einiges in den Raum, das den bärtigen Kapitänen, die bislang auf der Brücke standen, gar nicht gefallen wird. Und die Lotsen eines neuen „Creative Industries“-Kurses rasch hellhörig machen sollte. Beispiel gefällig? „Das größte Problem ist, daß die Kreativwirtschaft noch in der Kultur- und Kunstszene feststeckt. Die hat sich angewöhnt, jede ökonomische Haltung zu verweigern und sich der Heimeligkeit und Selbsttäuschung hinzugeben. Der Künstler hat sich zu einem Pausenclown entwickelt. Die Kreativen sitzen wie Hofnarren in Seifenblasen fest. Jetzt müssen sie sich in Prozesse integrieren, die was bringen. (…) Die Lösung heißt schlicht und einfach Beweglichkeit.“

Anders ausgedrückt: die Krise ist eine Chance. Eigentlich ist sie mehr als das: die einzige Chance. Die Voraussetzung nämlich dafür, daß sich wirklich etwas ändert, daß radikal neue Ideen entstehen und radikal andere Wege beschritten werden. Denn es gelten ungebrochen ein paar eherne Regeln. Erstens: die Zitrone wird immer solange gepresst, wie sie noch Saft hergibt. Zweitens: der Leidensdruck ist (noch) zu gering. Drittens: erst wenn es wirklich ans Eingemachte geht und kein Tropfen mehr fliesst außer der (Angst-)Schweiß von der Stirn, verlässt man die üblichen Routinen, Routen und Trampelpfade. Gezwungenermaßen eventuell auch die fetten Positionen und Posten, „wohlerworbenen Rechte“, Allgemeinplätze samt ihren potjemkinschen Fassaden und vermeintlichen Wohlstands-Schlupfwinkel mit Renditegarantie. Gut so!, sagt Lotter. Sage auch ich. Denn daß es so nicht weitergeht, nicht ewig weitergehen konnte, liegt auf der Hand. Und wenn die Autoindustrie erst sterben muß, um draufzukommen, daß Zweieinhalb-Tonnen-Blech/Benzin-Karren im Jahr 2009 ein Sinnbild für saurierhafte Blödheit sind, dann möge sie sterben (die ratlosen Verschrottungsprämien der Politik werden das nicht verhindern). Und wenn die Musikindustrie darauf beharrt, daß die Welt eine Scheibe ist, und der ORF, daß fünf Prozent Zuschlag zu relativ sehr wenig schon eine tolle Leistung, und der p.t. Konsument darauf, daß gefälligst alles gratis zu sein hat etc. usw. usf., ja dann habt noch ein paar schöne Stunden (es können auch Jährchen sein, aber nicht allzuviele), bevors endgültig ab auf den Schrotthaufen der Geschichte geht.

„The revolution will not be televised“, wie uns schon Gil Scott Heron sang. Und ich würde nicht darauf setzen wollen, mit dem Schreiben eines Drehbuchs, einer Grabrede oder auch nur eines kurzen Blogbuch-Eintrags inmitten rauchender Trümmer und einstürzender Altbauten mein Brot zu verdienen. Eventuell wird mir aber nichts anderes übrigbleiben.

Die Gegenwart der Zukunft der Vergangenheit

22. März 2009

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der “Presse am Sonntag” (2) Fazit einer spontanen „sentimental journey“: alles wird teurer, nur die schöne, ewig neue Welt der Unterhaltungselektronik nicht.

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Ich habe ein seltsames Hobby. Ich lese gern die Zeitung von gestern. Im Ernst: in alten, bisweilen gar vergilbten Gazetten, Magazinen, Zeitschriften zu blättern – also etwas, das schon sprichwörtlich widersinnig ist – macht mir tierisch Freude. Weil es so wunderbar vorführt, wie rasch die Gegenwart zur Vergangenheit wird. Und wie sehr Journalisten und von ihnen befragte Experten, Politiker und sonstige Visionäre oft daneben liegen. Oder, um es mit Karl Valentin zu sagen: „Die Zukunft war früher auch besser“.

Das stimmt, ist aber nur bedingt wahr. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, daß alles teurer wird, nur eines nicht, nämlich all die bunten Gimmicks, Gadgets und Gerätschaften, die der Fachhandel unter dem schnöden Überbegriff „Unterhaltungselektronik“ führt? Tatsächlich kann man mit formidablen High Tech-Krücken heute besser hören, sehen und die Realität festhalten, gestalten und geniessen denn je. Und das zu Preisen, die vor einiger Zeit noch ins Reich der Phantasie verwiesen worden wären. Beispiele gefällig?

Vor mir liegt, wahllos herausgegriffen, eine Ausgabe der Zeitschrift „Digital World“ (ja, die gibt’s auch heute noch!), Untertitel „Technik, die Spass macht“, erschienen zum Jahreswechsel 2003/2004. Also knapp fünf Jahre alt, das Heft. Herrlich! Da wird einem z.B. eine stattliche Spiegelreflex-Kamera von Nikon, Modell D-2H, nahegebracht. Auflösung 4,1 Megapixel zum Preis von 4000 Euro. Bei der rasanten Entwicklung der Sparte sehe ich Profis weinen ob der Summen, die in Geräte investiert wurden, die innert Monaten veralteten. 17 Zoll-Computermonitore für 700 Euro. DV-Camcorder mit „ordentlicher Bildqualität“, 1900 Euro. Frühe, klobige MP3-Player. Ein Überblick über gängige Speicherkarten – eine Ein-Gigabyte-Compact Flash-Card kostete sage und schreibe 300 (!) Euro. Eine SD-Card mit gleicher Kapazität nochmals einen Fünfziger mehr.

Schliesslich wird mit dem P-800 von Sony-Ericsson einer der ersten Personal Digital Assistants angepriesen, nicht UMTS-fähig und mit 16 MB Speicher wohlfeil zum „Strassenpreis“ von 800 Euro. Man konnte damit immerhin telefonieren. Dass ein paar Seiten weiter dann ein grosser Artikel zum Thema „Nepp per Handy und Internet“ zu finden ist, ist da vergleichsweise tröstlich. Manche Dinge ändern sich nie.

iGenleben

15. März 2009

MASCHINENRAUM – die Kolumne in der „Presse am Sonntag“ (1) Heute: der neue MacMini kann immer noch kein Brot backen. Gut so.

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Am besten, ich gesteh’s gleich zum Einstieg: ich bin ein Apfelmann. Ein Jünger von Steve Jobs. Ein Adorant, um nicht zu sagen: Apologet des Computerherstellers Apple. Halt! Letzteres ist insofern falsch, als die High Tech-Ware aus Cupertino, Kalifornien längst nicht nur schnöde PCs konkurrenziert, sondern auch Mobiltelefone, TV-Geräte, Spielkonsolen, HiFi-Anlagen und Musikstudios. Daß sich Jobs & Co. vom zweiten Teil des Firmennamens „Apple Computers“ getrennt haben, ist da nur folgerichtig. Inzwischen ist man eine „Digital Lifestyle Company“. Und es würde mich nicht wundern, wenn die demnächst auch noch Espressomaschinen, Handstaubsauger und Eierbecher („iErbecher“) mit dem Apfel-Logo an den Start bringt. Schick designt, nur marginal überteuert und perfekt vernetzt mit dem Rest vom Fest. Ich würde das Zeug blind bestellen. Aber, wie gesagt: ich bin Adorant.

Und damit auch absehbar ein personifiziertes Feindbild der Windows-Fraktion, Hardware-Bastler und Linux-Ideologen. Seit den achtziger Jahren tobt der Streit, und ein Ende ist nicht absehbar. Hie die Äpfelsekte (die Anführer tragen schwarze Rollkragenpullis), da die Gates-Anhänger, dort die strikten Verfechter von Open Source und freier Ideen- und Warenwirtschaft. Haben Sie mal einen Blick in einen beliebigen Thread geworfen, wo diese Fanclubs aufeinander treffen? Simmering gegen Kapfenberg ist da ein Pfitschigogerl-Match dagegen.

Nun stellte Apple dieser Tage allerlei neue Gerätschaften vor, darunter generalüberholte iMacs (die All-in-One-Kompaktrechner des Herstellers) und eine neue Generation des MacMini. Die „Brotdose“ ist seit 2005 das Vorbild für die Minituarisierung von PCs schlechthin. Und dabei kräftig genug für einen durchschnittlichen Arbeitsalltag. Dennoch setzte in Web-Foren das Geheul enttäuschter Fortschrittsapostel ein. Und die Häme der Anti-Apfelianer folgte auf dem Fuß: das Ding sieht immer noch aus wie bei seiner Einführung. Reichlich unspektakulär. Es kann nachwievor kein Brot backen. Oder Haustier klonen. Es funktioniert einfach. Und verbraucht weniger Strom denn je. Wunderbar!, sag’ ich. Endlich kein Fortschritt um des Fortschritts willen. Kein innovativer, aber leider inkompatibler Formfaktor. Keine neue Modefarbe. Die Wunderdinge stecken in der Apfeldose. Und hier nicht in den Chips, sondern in der Saft-, äh, Software. Mehr dazu demnächst in diesem Theater.

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