MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der “Presse am Sonntag” (12) Ist die Lomografie die Antithese zum “Höher, schneller, weiter” der Kamerahersteller und Profifotografen?
Dass ein wenig Lob für eine (eben nicht ganz) schlichte, vergleichsweise billige Kompaktkamera solche Reaktionen auslöst, hätte ich, zugegeben, nicht vermutet. Aber möglicherweise sind Reizthemen für Kolumnisten breiter gestreut als angenommen. Meine letztwöchige Epistel, eventuell doch Alternativen zu teuren, schweren, überqualifizierten Spiegelreflex-Schlachtschiffen in Betracht zu ziehen, rief die Profi-Fraktion auf den Plan. Eine Bridge-Kamera sei per se ein „Gummilinsen-Glumpert“. Und alles unter einer bestimmten Vollformat-Nikon – die aber auch, pardon, 2000 Euro kostet, und das ohne Objektiv – sowieso indiskutabel. Bei Daguerre!: habt ihr sie noch alle? Dass mehr Materialaufwand und Geldbörsendicke üblicherweise bessere Leistungsdaten bedingen, ist so zutreffend wie banal.
Aber kommt es darauf an? Ich sage: nein. Wie sonst etwa wäre der Erfolg der „Lomografie“ erklärbar, wo man die Non-Perfektion zur Tugend erklärt? Es ist schon eine erstaunliche Geschichte, ganz frisch nachzulesen in einem kiloschweren Prachtband („Lomo LC-A. The Greatest Camera Of All Time“), die in Österreich ihren Ausgang nahm. Eine simple sowjetische Schnappschusskamera mit 32mm-Objektiv und Lichtstärke 2,8 wurde von ein paar Studenten mit Witz, Verve und Konsequenz zum Zentralorgan einer Spassbewegung erklärt. Statt „höher, schneller, weiter“ gilt das Motto „spontaner, bunter, besser“. Millionen Menschen weltweit folgten dem Ruf. Steckten ihre Canons, Sonys und Nikons weg und schossen ungeniert drauf los.
Mittlerweile wird das putzige Kästchen in China gebaut (selbst die Russen haben die Analog-Ära hinter sich gelassen), und die Lomographische Gesellschaft führt einige kuriose Apparate mehr im Sortiment, von der Fischaugen-Unterwasser-Kamera bis zum poppigen Acht- und Neun-Linsen-Ungetüm. Die Detailliebe der Lomo-Society, ihr künstlerischer Zugang zur Fotografie und der Drang zur Vermessung und Bebilderung der Welt ist auch nach zwanzig Jahren noch spür-, seh- und greifbar. Gratulation!
Witzig, daß nun ein ehemaliger Lomo-Mitstreiter, Florian Kaps, auch noch die Polaroid-Sofortbildfotografie retten will. Unter dem Titel „Das unmögliche Projekt“. Klingt spannend. Ist spannend. Demnächst mehr darüber in diesem Lichtspieltheater.
Die SOFA SURFERS: der seltene Fall einer Band, die sich einem steten Wandel unterwirft, um gleichbleibend hohe Spannung und konstante musikalische Qualität zu liefern. In der Pipeline: das neue Album „Blindside“.
Was wiegt die Seele? Träumen Roboter von elektrischen Schafen? Wie tönt die ehemalige „Kaffeehaus-Sound“-Metropole Vienna, Austria anno 2009? Fragen über Fragen. Hier werden Antworten entworfen. Und gleich wieder verworfen, je nachdem. Es ist jedenfalls ein seltenes Ereignis, daß einer der gefragsten Pop-Exportartikel Österreichs hierzulande auf der Bühne steht: die Sofa Surfers. Demnächst tun sie es wieder: im Radiokulturhaus (am 16. Juni) und ein paar Tage später am Donauinselfest, auf der FM4-Bühne. Mit einem neuen Album – Titel: „Blindside“, geplanter Erscheinungszeitraum: Herbst 2009 – im Talon. Die Live-Umsetzung ist ein Aviso, das Spuren hinterlassen soll. Und Spuren hinterlassen wird.
Seit ihrem Erstling „Transit“ von 1997 spielen die Sofa Surfers in der Off-Mainstream-Szene auf europäischer Ebene ganz vorne mit. Angesiedelt im Spannungsfeld zwischen Elektronik, Breakbeats und Dub, sorgte bereits die allererste Single „Sofa Rockers“ für Aufhorchen, nicht zuletzt durch einen Remix von Richard Dorfmeister (der auch auf den einschlägigen „K & D Sessions“ zu hören ist). Seitdem kenne, schätze, liebe ich die Band. Für Publikums-Furore und Kritikerbegeisterung standen auch die opulenten, von Licht- und Video-Inszenierungen von Timo Novotny (Life In Loops) begleiteten Live-Auftritte des Quartetts. Wolfgang Schlögl (alias i-Wolf), Markus Kienzl und Wolfgang Frisch veröffentlichten nebenher immer auch Solo-Werke, nur Schlagzeuger Michi Holzgruber – bislang – nicht.
Anno 2005 erschien mit dem sogenannten „roten Album“ das bislang letzte Opus der Sofa Surfers, das sich ganz grundsätzlich von den vorherigen unterschied: erstmalig trat hier Gastsänger Mani Obeya in Erscheinung. Damit war Soul nicht mehr nur als Spurenelement vorhanden, sondern als Basiswirkstoff. „Eine Hardcore-Band nach dem Krach“, so Wolfgang Schlögl. „Dieser Sound muß sich nicht hinter Effekthascherei verstecken“. Was auch für das kommende Album „Blindside“ gilt. Die Formation bringt abermals, zumindest partiell, einen neuen Sound-Entwurf ins Spiel, in dem elektrifizierte Gitarren der natürlichen Wucht der Bass- und Drum-Attacken zusätzliche Dynamik, Dichte und Dringlichkeit verleihen. Das fünfte Album der Band markiert jedenfalls eine weitere Zäsur im dialektisch geradlinigen Zick-Zack-Kurs der Sofa Surfers. Anbei „100 Days“ als erster Vorgeschmack, frisch aus dem Studio, absichtsvoll ungeschliffen, aber noch ungemastered.
Zuletzt begeisterten Schlögl, Kienzl, Frisch und Holzgruber durch ihren Soundtrack zum heimischen Kino-Ereignis „Der Knochenmann“ mit Josef Hader und Birgit Minichmayr. Das Quintett steuerte zu bislang jeder Verfilmung der Wolf Haas-Vorlagen rund um den fiktiven Privatdetektiv Simon Brenner die Tonspur bei. Ein weiterer Brenner-Film ist bereits in Planung. Garantiert wieder an Bord: die Sofa Surfers, die best-eingeführte und beste Elektro-Dub-Rock-Institution des Landes.
MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der “Presse am Sonntag” (11) Spiegelreflex oder doch nicht? Die Kamerahersteller machen es einem auch nicht gerade leicht.
Jetzt haben also digitale Spiegelreflexkameras allmählich ein Preis-/Leistungsniveau erreicht, wo man zu grübeln beginnt. Sollte man sich solch ein schmuckes Teil nicht gönnen? Die kleinen Schnappschusskameras in allen Ehren, die können auch einiges. Wenn aber D-SLRs (so die Kurzbezeichnung für die professionelle Abteilung) mit stolzen Markennamen und durchaus brauchbaren Eckdaten mittlerweile für unter vierhundert Euro über den Ladentisch gehen – okay, es handelt sich meist um einen Abverkauf von Vorgängermodellen –, dann rückt eine Grundsatzentscheidung näher.
Wollte man nicht immer schon Fotoreporter sein, bewaffnet mit einer Nikon, Canon, Olympus oder Pentax? Oder sich gar eine Leica leisten? Auch ich habe dereinst mein erstes Zeilenhonorar in eine Spiegelreflex von Minolta (die Marke existiert nicht mehr, der Quasi-Nachfolger heisst Sony) investiert, eine analoge Schönheit, die seit Jahren einen Dämmerschlaf tief unten, tief hinten in einer Schublade schläft.
Der erfahrene Fotograf weiss: es ist weniger der „Body“, also die Kamera an sich, die bei SLRs ins Gewicht fällt. Sondern die Quantität und Qualität der Objektive. Das war im Analogzeitalter so, das bleibt auch in der Digitalära so. Und das kann ganz schön ins Geld gehen. Wer hier grössere Ausgaben scheut und auch dem Gedanken, zumindest bei ernsthafteren Fotosessions eine pralle, schwere Tasche mit sich herumzuschleppen, wenig abgewinnen mag, für den bietet die Industrie einen eleganten Brückenschlag: sogenannte „Bridge“-Kameras. Die sehen erwachsenen SLRs schon äusserlich recht ähnlich, besitzen aber keine Wechselobjektive. Dafür zumeist fulminante Zoom-Brennweiten.
Ich habe seit geraumer Zeit eine Panasonic Lumix DMC-FZ30 mit Leica-Objektiv und 12fach-Zoom daheim, und, nein, mir ist nichts abgegangen. Bis ich vor kurzem die Angaben zur neuen Nikon Coolpix P90 las: 24fach(!)-Zoom, 12,1 Megapixel, 3 Inch-Monitor, Empfindlichkeit bis 6400 ISO. Derlei Fotografen-Latein sagt uns eines: das Ding ist, zumindest auf dem Papier, doppelt so gut wie meine gerade mal zweieinhalb Jahre alte Lumix. Holla!
Testexemplar her, und das Fazit fällt so knackig aus wie die Probeaufnahmen: eine formidable Kamera, in der Tat. Nur das schiefe Lächeln der Kollegen von der DSLR-Fraktion wirkt bei genauerer Betrachtung ein wenig überzeichnet.
MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der “Presse am Sonntag” (10) Facebook, Twitter & Co. sind Zeiträuber par excellence. Und nicht nur das. Ein Nachschlag.
Doris Knecht hat sich aus Facebook vertschüsst. Ohne große Abschiedsworte. Einfach so („…hat mich zu sehr abgelenkt“). Ich teile das nicht mit, um diese Kolumne sukzessive zum Fortsetzungsroman auszubauen. Oder eine öffentliche Petition für die Rückkehr einer Freundin – ein leicht doppeldeutiges Wort mitterweile – in die virtuelle Bassena zu starten. Sondern weil sich daran allerhand festmachen lässt.
Wir erinnern uns: gerade noch waren Xing, Facebook, LinkedIn, StudiVZ & Co. mächtig in Mode. Die breite Masse ist dabei, die kurzweiligen „Social Networks“ für sich zu entdecken. Die digitale Avantgarde, süchtig nach Echtzeit-News, Meinungshäppchen und Sozialporno, zwitschert aufgeregt via Twitter, einer Art High Speed-Variante von Facebook. Mittlerweile regen sich aber mehr und mehr kritische Stimmen. Eine US-Studie stellte einen Zusammenhang zwischen mangelnder Konzentrationsfähigkeit, Lernerfolg und Social Network-Aktivitäten unter Studenten fest. Eine andere konstatierte Moralverlust und zunehmende Abstumpfung durch „Überkommunikation“. Der Hausverstand sagt seit jeher, daß alles eine Frage der Dosierung ist.
Die italienische Regierung hat unlängst ihren Beamten verboten, Facebook im Büro zu nutzen. Die Gründe liegen auf der Hand. Man muss nicht soweit gehen wie Verschwörungstheoretiker, die alles für eine Erfindung des chinesischen Geheimdienstes halten, zur beiläufig-nachhaltigen Untergrabung der Arbeitsmoral der westlichen Hemisphäre. Wenn Aufmerksamkeit die Währung des 21. Jahrhunderts ist, dann zahlen wir gerade einen hohen Preis.
Dabei ist doch alles gratis. Vermeintlich. Abgesehen davon, daß ein gelegentlicher Blick auf die Uhr, die Stromrechnung oder die Provider-Kosten weiter hilft, könnte man sich ja auch seinen Teil zu den astronomischen Börsewerten der Web 2.0-Flaggschiffe denken. In dieser wie in jener Hinsicht: denn Leitungskapazität vulgo Bandbreite ist teuer, und rapide wachsende Server-Farmen fressen selbst milliardenschwere Unternehmen wie YouTube ratzfatz kahl. Und alle hecheln tragfähigen Geschäftsmodellen hinterher. Das simple „Die Werbewirtschaft wird’s schon richten“-Konzept erweist sich als Blase: rund die Hälfte der 1,6 Milliarden Menschen mit Internetzugang weltweit verfügt über ein zu geringes Einkommen, als dass sie als Zielpublikum in Frage käme. Was eine Mehrklassen-Gesellschaft auch online heraufbeschwört, über kurz oder lang.
Ausser man zahlt. Wird mit Werbung zugeschissen. Darf mit einer abgespeckten Gratis-Variante vorlieb nehmen. Hat eh viel zuviel Zeit. Oder geht gleich von Bord, wie Doris Knecht.
„Ohne Di“ – das neue Album von ERNST MOLDEN kündigt sich an. Und wie! Eine Vorab-Werbedurchsage mit beiliegender Schallfolie.
„Der Molden ist ein ganz ein Lieber“, hat mir ein profunder Musikkenner erst neulich zwischen Tür und Angel gesagt, „aber meinem Geschmack nach ein bissl zu sehr Austropop…“. Na prack! Das saß. „Austropop“, das ewige Synonym für die Vergangenheit. Für Altvatterisches, Abgestandenes, eventuell ein ärmliches Ambros-Danzer-Fendrich-Apostolat. Nun: so ganz von ungefähr kommen solche Assoziationen nicht. Auch wenn oberflächliche Schlussfolgerungen grundfalsch sind.
Ernst Molden, zweifelsfrei ein Vertreter der jüngeren, wenn auch nicht der jüngsten Generation, reiht sich atmosphärisch und formal durchaus ein in eine fiktive Ahnenparade des modernen, elektrifizierten Wienerlieds. Er singt deutsch, er verleugnet nicht den regionalen Dialekt und das Lokalkolorit seiner Heimatstadt, er musiziert mit Willi Resetarits (vormals Ostbahn-Kurti), Walther Soyka (vormals bei Roland Neuwirth & den Extremschrammeln) und anderen. Er kennt und schätzt wohl Danzers Erbe, hat den frühen Ambros intus, lässt die durchaus vorhandenen guten Momente Fendrichs gelten (sorry, die inoffizielle Nationalhymne „I Am From Austria“ z.B. lässt sich natürlich trefflich parodieren, aber dazu muß die Vorlage allemal was hergeben. Und das tut sie, bei allem ironieresistentem Pathos).
Aber abgesehen davon, daß nur der allerdümmste Hund annimmt, die gesamte Austropop-Historie wäre ein einziger fataler Irrtum der Musikgeschichte und Wurzelforschung per se obsolet, umschifft Molden die flacheren Stellen mit sicherem Instinkt. Der Dichter verweist auf H.C. Artmann, der Grübler mag Element Of Crime, der Musiker lässt live (und bald auch auf Platte) die Sau raus. Wie Neil Young – einer der ewigen Molden-Heroen – damals auf „Rust Never Sleeps“ bzw. „Live Rust“, wo zwei Versionen der selben Story erzählt werden. Und eindringlich vorgeführt wird, was für ein brachialer Punk-Hadern das sentimentale, ursprünglich auf der Akustik-Gitarre intonierte „Hey Hey My My“ (oder umgekehrt) sein kann. Out of the blue, into the black.
Molden wird, keine Sorge, ebenfalls die Dinge klar machen. Raschest. Baldigst. Ich sage das mit einer Gewissheit, die auf einem kleinen Informationsvorsprung beruht – ich habe die „rough mixes“ des neuen Molden-Albums „Ohne Di“ gehört. Und bin wirklich, das passiert mir sonst eher selten, ergriffen. Der gute Mann schafft es mehr und mehr (und er kommt der Meisterschaft schon final nahe), sich den Rock’n’Roll anzueignen, mit geduldiger Brutalität und sanfter Lässigkeit, und ihn in eine organische Verbindung mit Wien, Wein, Weib und Gesang zu zwingen. „Ohne Di“ ist die Domestizierung eines Bastards. Mit im Zwinger waren die Herren Resetarits, Soyka und Wirth. Ich mag nicht allzuviel vorweg nehmen. Nur soviel: Grosses kündigt sich an (und „Presse“-Kritiker Samir Köck erklärte schon das letzte Molden-Album „Wien“, zu erwerben auf Knopfdruck am Ende dieses Textes, „zum Schönsten, das je im österreichischen Pop aufgenommen wurde“). Bleiben Sie dran.
P.S.: Molden wird mich steinigen dafür (mit kleinen, spitzen Kieselsteinen), aber ich kann die Vorab-CD nicht im Tresor (okay: in der Küchenlade) verschwinden lassen. Also stell‘ ich ungeniert eine erste – noch unfertige, ungemasterte – Version eines Songs von „Ohne Di“ online. Das Album erscheint im Sommer, im Herbst gibt’s noch einen krachigen Nachschlag. Vorweg: „Di Beag“. Strahlend finster, das Liedl.
MASCHINENRAUM – die Kolumne in der “Presse am Sonntag” (9) Das “Facebook-Fieber” – wer viele Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
Doris Knecht ist schuld. Sie wollte mich als Freund. Obwohl sie – als nicht gänzlich unbekannte Buchautorin, Kolumnistin und inoffizielle Botschafterin Vorarlbergs in Wien – schon jede Menge Freunde hat. Knecht hat mich in den allseits grassierenden Facebook-Wahn reingetrieben. Seither bin ich ein freiwilliger Gefangener der Social Network-Blase. Gut, ich habe auch Profile bei Xing, Plaxo und MySpace, einen eigenen Blog (eingerichtet mit der formidablen Software WordPress; Sie befinden sich mittendrin) und Mitgliedschaften in allerlei virtuellen Hinterzimmern, Foren und Vereinen. Aber Facebook schlägt alles. „Es hat etwas von einem Wirtshaus, in dem man immer jemandem zum Mitsaufen und blöd reden findet“, las’ ich unlängst in einem Thread (wie spontane Online-Tratschrunden heutzutage heissen). Wer immer der Urheber dieser legéren Definition ist: er oder sie hat recht. Eventuell stammt der Satz sogar von Frau Knecht herself.
Nun habe ich zwar kaum mehr Zeit für reale Begegnungen und Gespräche, dafür mittlerweile doppelt soviele Freunde. Fragen Sie mich bloss nicht, wie’s kommt. Und was man dafür tun muss. Die Nachrichten, die Facebook-User nach Lust und Laune absondern und die wie auf einem endlosen Förderband an einem vorbeirattern, oszillieren zwischen tiefsinnigen Banalitäten und höherem Blödsinn. Sollten Ausserirdische mitlesen, entgeht die Erde eventuell der Vernichtung. Weil dieses Funkfeuer unter Freunden davon kündet, dass der Planet nur von harmlosen Irren bevölkert wird. Von „Digital Natives“, die ewig launig das Wetter kommentieren, abends mal müde in der Badewanne einschlafen oder stakkatoartig noch müdere Aufreisser-Sprüche vom Stapel lassen. Irgendwie beruhigend.
Und doch so aufregend, dass mittlerweile ca. 200 Millionen Menschlein im weltweiten Gesichtsbuch-Verzeichnis (vor)geführt werden. Und die Online-Konkurrenz, gerade noch gross in Mode, regelrecht dagegen abstinkt. MySpace z.B. nutze ich fast gar nicht mehr. Und an frühere Medien-Phänomene wie „Fernsehen“ erinnere ich mich nur mehr flüchtig (okay, das ist übertrieben, aber nur ein wenig). Mittlerweile werden einem ja sogar die Zwischenstände von Fussballmatches via Facebook-Applikation am Handy durchgegeben. Und meine Freundin, bislang hartnäckige Verweigererin des Internet-Phänomens, möchte sich jetzt auch anmelden. Angeblich nur, um mir durchzugeben, sie liege fünf Meter von mir entfernt auf dem Sofa und wünsche mich mal dringend zu sprechen. Persönlich.
Wenn ich nur Zeit hätt’ für das ganze Geschnatter! Ich fürchte, in Hinkunft eher noch weniger davon zu besitzen als mehr. Denn: ich muss Doris Knecht zu Twitter locken, irgendwie. Rache ist süss.
„The Weekend Starts On Wednesday“ – Neues von AXEL WOLPH, dem (noch) unbekanntesten Pop-Import-/Exporteur Österreichs.
Es gibt eine tiefe Kluft zwischen Over- und Underground, zwischen Ö3 und FM4, die sonst nirgendwo existiert bei den besseren Pop-Stationen dieses Planeten. Okay, werden Sie einwerfen, Ö3 und FM4 – als Synonyme für die eng(stirnig)e Formatierung unserer Medienlandschaft – sind nun einmal österreichische Radiostationen. In der Tat. Aber abgesehen vom simplen Umstand, daß (fast) jeder Sender heute via Internet weltweit (s)ein Publikum erreichen kann und damit nicht mehr nur als Kultur-Importeur fungiert, sondern auch als Exporteur, ist es schon auffällig, daß das popkulturelle Grundverständnis dieses Landes keines ist, das Grenzen niederreissen will. Sondern, im Gegenteil, eines, das Abgrenzungen erst schafft.
Auf der einen Seite der vermeintlich massentaugliche, im engeren Sinne populäre Pop. Auf der anderen Seite Underground und „Alternative Mainstream“ mit Intellekto-Gütesiegel. Wenn Sie mich fragen: kompletter Schwachsinn. Kein Mensch trennt U- und E-Musik (ich weiß schon, diese Begriffe ziehe ich unberechtigt und leichterhand heran) im Alltag derartig willkürlich, scharf, ja zwänglerisch. Hedonismus und Anspruch, Airplay und Glaubwürdigkeit, Charts und Qualität schliessen einander nicht aus. Haupt- und Nebenfahrbahn führen oft in dieselbe Richtung. Formatierung also um der Formatierung willen? Oder, um das Schrebergärtlein übersichtlicher zu halten?
Ich weiß, wovon ich schreibe. Ich habe lange bei Ö3 gearbeitet, in den achtziger und frühen neunziger Jahren. Ich war für die „MusicBox“, das tönende Zentralorgan des Off-Mainstream, tätig, aber auch für Mainstream-Sendungen wie die „Radiothek“, „Freizeichen“ oder das „Rot-weiß-rote Radio“. Alles lange her. Trotz wechselseitiger Sticheleien der „Kommerz-Fraktion“ hie, der „Underground-Anarchisten“ da gab es einen (auch personellen) Austausch, ein wechselseitiges Grundverständnis, Respekt, eine gegenseitige Befruchtung und Osmose von Inhalten, Moden, Geschmacksurteilen. Auch wenn man mit dem damaligen Ö3-Musikchef immer wieder mal hadern und streiten musste, ob denn aus einer Band wie R.E.M. jemals etwas werden könnte, ob „Sweet Dreams“ von den Eurythmics wirklich ein „Ö3-Wecker“-tauglicher Song sei und warum neue Töne von Minisex, Chuzpe, Ronnie Urini oder Falco doch eventuell spannender wären als die neue Single von Stefanie Werger.
Warum ich Ihnen das alles erzähle? Weil es zuviele Künstler gibt heutzutage, die solchermassen nicht zum Zug kommen, zuviele interessante Musik, die ob dieser Abgrenzungen und engen Formatdefinitionen (und einer generellen Mutlosigkeit schlechthin) zwischen allen Stühlen sitzt. Sitzen muß. Sitzen bleibt. Und damit um die Chance gebracht wird, ein – gewiß vorhandenes, potentiell begeisterbares – Publikum zu erreichen. Man hat es sich teilweise (zu) bequem gemacht in den popkulturellen Kämmerchen, die man bespielt. Und für die man seinem Selbstverständnis nach steht. Da steht FM4 teilweise Ö3 gar nicht viel nach (obwohl, es seien auch aktuelle Positiv-Beispiel einer ungewohnten, neuen Durchlässigkeit wie z.B. Clara Luzia genannt), da ist „Der Standard“ oft um keinen Deut besser als „profil“, da bieten die Privatradios erstaunlicherweise kaum je eine Alternative zum öffentlich-rechtlichen Konsens-Kanon.
Okay, werden Sie einwerfen, die Old School-Medien haben an Bedeutung verloren, an Definitionsmacht und Verstärkerwirkung. Und sie werden noch mehr verlieren. Da ist das Internet, das diese Rolle weitgehend übernommen und erweitert hat. Und heute zwangsläufig der wesentliche Durchlauferhitzer ist. Mit allen seinen Kinderkrankheiten, (Un)Möglichkeiten und Implikationen einer (r)evolutionären Entwicklung. Aufmerksamkeit als neue Währung des dritten Jahrtausends ist anno 2009 fast schon wieder ein alter Hut. Aber es gilt ungebrochen: wer keine Aufmerksamkeit bekommt, aus welchen Gründen immer auch (und sollten Qualität und Originalität nicht das primäre Problem sein, dann sind Format-Fragen und „interne Sachzwänge“ oft die allerfaulsten Ausreden), hat ein Problem.
Dagegen gibt es nur ein Mittel: frohgemute, unbeirrte, konsequente Verbreitung guter Musik. Plus entsprechende PR-Begleitmusik. Ob simple Mundpropaganda oder ausgeklügelte Medienarbeit, ist nicht ganz egal, aber fast. Nicht das Medium ist die Botschaft. Die Botschaft ist die Botschaft. Und die lautet diesmal kurz und schlicht so –
Mit „The Weekend Starts On Wednesday“ bringt der Oberösterreicher, Wahlwiener und Los Angeles-Fan Axel Wolph innert kürzester Zeit nun sein drittes Solo-Album heraus. Es ist mindestens so bemerkenswert wie die Vorgänger „Wedding Songs“ und „Poet With A Punk’s Heart“.
Denn hier werden Songs nicht als Flaschenpost aus dem Seelenkerker abgeschickt, sondern leichterhand, (meist) mit Sonne im Herzen. Als bunte Ansichtskarten, Momentaufnahmen und Tagebucheintragungen eines Reisenden zwischen den Welten. Hie Österreich, FM4 und Ö3 (Axel Wolph hat sich dazu den Kopf zerbrochen, nachzulesen hier), da Los Angeles (als fiktives/reales Shangri La vieler vermeintlicher/realer Westcoast-Rocker), College Radio und geschichtsträchtige Vintage-Studios. In einem davon entstand „The Weekend Starts On Wednesday“. Die Songs darauf handeln schlicht von Liebe, Sehnsucht, Hoffnung, Lebensfreude, Fern- und Heimweh. „Deeply Mad (About You)“ ist ein schönes Beispiel. Steve Miller, Greg Kihn, Green On Red oder Wilco hätten ihre Freude daran. Radiostationen, die sich weniger um Kategorien und Formatgrenzen kümmern als um das Wohlbefinden ihrer Hörer, auch. Warten wir ab, ob es sie gibt.
MASCHINENRAUM – die Kolumne in der “Presse am Sonntag” (8) Netbooks – groß in Mode, klein im Preis. Aber wozu braucht man die putzigen Dinger überhaupt?
Es lag in der Auslage einer Elektronikhandelskette, es wirkte so klein, aufreizend und unschuldig, und schon war ich verloren. Ja, ich gestehe, ich habe auch eines dieser „Netbooks“ gekauft (werde ich nun von Psion verklagt, die den Namen für einen ihrer einst visionären Organizer reservieren liessen?). Als Ausrede, warum ich derlei unbedingt bräuchte – schliesslich kosten die schnuckeligen Mini-Laptops ab 200 Euro aufwärts, mein Compaq glatt das Doppelte – kam mir ein Urlaub auf Mauritius gerade recht. Niemals würde ich meinen Arbeits-PC in den Dschungel mitschleppen. Dass es dort gar keinen Dschungel gibt, sondern nur einen winzigen botanischen Garten, ist ein anderes Kapitel.
In der Tat: ein wenig Internet-Surfen, Fotos betrachten, auf dem langen Flug das eine oder andere Spielchen spielen, dafür waren ein Atom-Prozessor (nein, Sie müssen jetzt nicht die Behörde verständigen, das ist nur ein Markenname), eine 60 GB-Festplatte und ein 10 Zoll-Monitor allemal gut. Mit Windows XP als Betriebssystem kam ich klar, Linux hätte es auch getan. Apple bietet ja bis heute kein Netbook an. Die sind in den Augen des Interims-Chefs Tim Cook Teufelswerk. Warum? Weil es „billige, schlechte und wenig nützliche Geräte“ sind, sagt Cook.
Papperlapapp, sage ich. Man sollte nicht gerade Photoshop-Retuschen oder Videoschnitt mit den Dingern – die ursprünglich für Schulkinder in Drittweltländern entwickelt wurden, nun aber auch als stattlich-staatliche Geschenke an hiesige Professoren taugen – probieren. Aber wer tut das schon? Im Kaffeehaus sitzen (tunlichst einem mit freiem W-LAN) und Kolumnen schreiben, dafür ist mein Compaq prädestiniert. Und es ist schon reichlich überheblich, die massive Nachfrage nach den praktischen, kleinen Taschenrechnern als Idiotie abzutun. Oder glaubt Tim Cook etwa, die Leute würden nur auf den Einserschmäh der Mobilfunkanbieter reinfallen, Netbooks seien quasi gratis? Im Gegenteil: dass sogar strenggläubige Apple-Apostel rechnen können, zeigt sich am Beispiel des „MacBook Air“. Das natürlich weit eleganter und leistungsfähiger ist als irgendein Asus- oder Acer-Plastikteil, aber leider auch deutlich teurer. Und noch deutlicher zu werden: arschteuer. Schliesslich surft man damit auch nur im Internet.
Insofern hat Cooks Aussage etwas vom Fuchs, dem die Trauben zu hoch hängen. Denn das ist der eigentliche Grund für den Grant: die Gewinnspannen sind zu niedrig. Der Laptop-Markt wird kannibalisiert. Und derlei ist überhaupt nur eine Modeerscheinung. Wer’s glauben mag. Eee ah!