Archive for September, 2009

Ausgeschossen

26. September 2009

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (28) Wenn die Krise gute Seiten hat, dann diese: auch Waffenfabriken gehen pleite. Sogar hochprominente.

AK-47 II

Sagt Ihnen das Kürzel „AK-47“ etwas? Ich möchte ja keine empirischen Untersuchungen anstellen, aber die Annahme, dass es sich dabei um ein Frühpensionierungs-Referat der Arbeiterkammer handelt, ist wohl nicht sonderlich verbreitet. Ganz im Gegensatz zum Objekt der Betrachtung: das gemeinhin unter dem Nachnamen seines Erfinders Michail Timofejewitsch Kalschnikow bekannte (sowjet-)russische Sturmgewehr ist die meistproduzierte Waffe weltweit. Oder, zutreffender: sie war es. Denn der Hersteller der Kalaschnikow sitzt aktuell auf einem Schuldenberg von 400 Millionen Rubel (rund neun Millionen Euro). Und soll, wenn man einschlägigen Zeitungsberichten trauen darf, in den Konkurs geschickt werden.

Ein etwas exaltiertes Thema für eine Kolumne, die sich um Alltagstechnik dreht, meinen Sie? Nicht doch. Das Ding ist Teil der Nationalflagge von Mozambik. Und im Wappen von Zimbabwe und Ost-Timor verewigt, von den Fahnen der libanesischen Hisbollah, der kolumbianischen FARC und dem Logo der RAF mal abgesehen. Sechzig Staaten haben ihre Armeen mit der AK-47 ausgerüstet. Die Waffe, „billig und unkaputtbar“ (so „Der Spiegel“), kam in praktisch jedem Krieg seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zum Einsatz, von Korea und Vietnam über Jugoslawien bis nach Afghanistan und den Irak. Terroristen, Freischärler und andere Mördergesellen können sie blind zerlegen und wieder zusammenbauen. Gangsta-HipHopper träumen von ihr. Zwischen 60 und 100 Millionen Exemplare, je nach Quelle, sind real in Umlauf. Es wurden damit mehr Menschen umgebracht als mit der Atombombe.

Und jetzt ist, und das erlaube ich mir als frohe Botschaft zu werten, das Traditionsunternehmen Ischmasch dran. Schuld an der Pleite des Original-Kalaschnikow-Produzenten seien, so Experten – und das klingt ganz nach einem Treppenwitz der Geschichte – die unzähligen Raubkopien, schleissigen Lizenzfertigungen und illegalen Nachbauten der AK-47, gegen die keine probate Waffe gefunden wurde. Zudem leide die Industrie, die man allseits für krisensicher – mehr als das: für regelrecht krisenbefeuert – hielt, global an einer deutlich zurückgegangenen Nachfrage nach Rüstungsgütern.

Nicht, dass ich mich der naiven Hoffnung hingebe, Waffennarretei, bewaffnete Konflikte oder gar die Natur des Menschen per se („Homo homini lupus est“) seien per UN-Resolution und der flächendeckenden Verschrottung von Schiessprügeln und Waffenfabriken abzuschaffen. Aber die Baisse an den Börsen hätt’ ich partout nicht als Friedensstifter erwartet.

Und auch nichts dagegen einzuwenden, wenn Steyr-Mannlicher, Glock & Co. eines Tages das Schicksal der Kalaschnikow-Schmiede teilen.

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Come Together, Again

20. September 2009

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (27) Legal stehen ihre Werke immer noch nicht zum Download bereit, aber auf CD klingen die Beatles nun wie neugeboren.

Beatles Remasters

„Das ist die grösste Wiederveröffentlichung, die es je in der Geschichte der Musikindustrie gegeben hat“, wird der Leiter der EMI-Katalogvermarktung in der „Financial Times“ zitiert. Fünf Millionen „Einheiten“, so das schnöde Wort für wahre Meisterwerke der Pop-Historie, hat die Plattenfirma (und, ja, hier hat diese Bezeichnung noch ihre Berechtigung) ausgeliefert. Fast scheint es, als wäre – rund vierzig Jahre nach dem Ende der wichtigsten Band des zwanzigsten Jahrhunderts – eine neue Beatlemania ausgebrochen. John, Paul, George und Ringo beherrschen wieder die Charts. Mit einer Remaster-Edition des Gesamtwerks der Beatles.

Die Arbeit an der Neuauflage der 13 Alben, die nun einzeln und als erweiterte Sammelboxen (wahlweise auch mono) vorliegen, dauerte rund vier Jahre. Mit Unterbrechungen. Man hat nichts „remixed“, also quasi neu interpretiert, sondern nur die Staubschicht weggeblasen, behutsam an den Reglern gedreht und die einzelnen Tonspuren frisch poliert. Modernste Digitaltechnik wurde mit analogem Equipment der siebziger Jahre kombiniert. Mit teils frappantem Ergebnis: „Alles klingt klarer, sauberer, schärfer“, urteilte ein vertrauenswürdiger Bekannter (ich habe gerade erst den Bestellzettel ausgefüllt). „Bisweilen auch verstörend.“

Genau das könnte die Wiederentdeckung doppelt spannend machen: der 1:1-Vergleich der Original-Vinyl-LPs, die jeder ernsthafte Pop-Kenner und -Sammler natürlich nachwievor im Regal stehen hat, mit der ersten, eher miesen Digitalüberspielung Mitte der achtziger Jahre. Und nun mit der pressfrischen State of the Art-Version. Kann das was? Und, wenn ja, ist es fast zweihundert Euro wert? Keine Frage. Über den künstlerischen Gehalt müssen wir nicht diskutieren. Die emotionale Dringlichkeit jener unzähligen Stunden anno dazumal, als ich auf einem billigen Philips-Kofferplattenspieler das „rote“ und das „blaue“ Album herunternudelte, ist schwerlich reproduzierbar. Besser wird „Come Together“ nie mehr klingen. Sei’s drum.

Generell ist es ja mehr als erstaunlich, was an den Mono- und Stereo-Mischkonsolen der Abbey Road Studios in den sechziger Jahren auf Band gebannt wurde, mit einer archaischen Technik, die heutigen SAE-Schüler wohl nur zum Kichern verleiten würde. Zu unrecht. George Martin, der legendäre Beatles-Produzent, hatte in punkto Mikrofonierung, Arrangement, Recording und finale Mischung (die Stereo-Mixdowns waren zunächst ja nur „progressive“ Nebenbei-Produkte) wohl mehr am Kasten als 99 Prozent der heutigen Knöpfchendreher…

Die Glanzpolitur der Beatles-Remasters – das zeitgleich erschienene, aufwändige Videospiel von Electronic Arts interessiert mich, ganz im Gegensatz zum Kollegen Rotifer, nicht die Bohne, und ich fürchte, das gilt auch für das Zielpublikum – wird wohl nicht allein dem akuten Finanzloch der EMI geschuldet sein. Sondern auch einer klangtechnischen Kulturmission. Paul McCartney soll sich jedenfalls herzlich bei den Toningenieuren bedankt haben. George Martin blieb dagegen mit Hinweis auf seine fortgeschrittenen Gehörschäden dem Studio fern.

Plus Minus

13. September 2009

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (26) Mit „CI+“ hat der grosse Bruder endlich Einfluss auf unseren Fernseher. Eventuell mehr, als uns lieb ist.

CI+

Unlängst habe ich einen kleinen Ausflug zur IFA, zur „Internationalen Funkausstellung“ in Berlin also, unternommen. Dieses Shangri-La für den fortgeschrittenen Hobbyelektroniker und Technik-Nerd breitet ja die neuesten Waren, die rund um Weihnachten in allen Schaufenstern liegen werden, in opulenter Fülle vor einem weithin angereisten Fachpublikum aus. Was soll ich Ihnen sagen: die Hatscherei durch die Messehallen ermüdet. Sehr sogar. Irgendwann ist einem der x-te Audio-Video-Receiver, LCD-Monitor oder Blu-Ray-Player im Einheitsdesign auch wurscht. Und mag er noch so sehr funkeln und glänzen und mit Leistungsdaten protzen.

Hellwach wurde ich aber, als mir an den Ständen von Panasonic, Philips, Samsung und Sony (und einigen Herstellern mehr) eine „fortschrittliche“ neue Schnittstelle für Pay-TV präsentiert wurde: das Common Interface Plus, kurz CI+. Auf den ersten Blick handelt es sich dabei um einen schnöden Schlitz für spezielle Karten und Module, die „Digital Video Broadcasting“, also Fernsehen auf dem neuesten Stand der Technik, ermöglichen. CI+ ist nun eine Weiterentwicklung des alten CI-Standards, der in vielen Haushalten Einzug gehalten hat. Leider, leider nicht kompatibel, was ärgerlicherweise bedeutet, das man eventuell wieder mal diverse Gerätschaften austauschen muss. Sofern man freiwillig den milden Irrsinn mitmachen möchte, den CI+ ermöglicht. Zuvorderst den „Content“-Anbietern, also den kommerziellen Fernsehsendern.

Stellen Sie sich einfach vor, alles an TV-Inhalten wird digital verschlüsselt. Und nur wer, gegen Geld natürlich, einen Schlüssel erwirbt und in den CI+-Schlitz steckt, kann die Bilderflut wieder „entsperren“. Mehr als das: technisch ist es möglich, Ihnen zu verbieten, Sendungen aufzuzeichnen oder zeitversetzt anzuschauen. Oder man löscht nachträglich Ihren Festplattenrecorder. Werbepausen lassen sich nicht überspringen. Nach einmaligem Anschauen verschwindet ein Film aus Ihrem Archiv. Und derlei Orwell-Szenarien mehr. Oder leide ich an Paranoia?

Befürworter sehen mit CI+ einen berechen- und kontrollierbaren Markt für High End-Fernsehangebote, also etwa HDTV, kommen. Sony & Co. freuen sich darüber, dass der Wildwuchs an Settop-Boxen und Receivern mit unterschiedlichsten Standards und Pay TV-Funktionalitäten verschwindet. Und RTL, Sat Eins, Pro Sieben und der Rest vom Fest hören schon die Kassa klingeln. Blöd aus der Wäsche schauen all die Konsumenten, die daheim einen „HD Ready“-Schirm mit oller CI-Schnittstelle herumstehen haben. Ohne Plus. Aber immerhin kann man Ihnen nicht per Fernbedienung einfach das Bild ausknipsen.

Keine Angst!

12. September 2009

Der Eindruck, den der diesjährige „Amadeus“ hinterlassen hat, ist zwiespältig. Für einen wirklichen Relaunch des grössten und wichtigsten heimischen Musikpreises fehlt es noch an klaren Absichten, Einsichten und Visionen.

amadeus_award trophy

Ich werd’ jetzt einen Teufel tun und mich auf eine geschmäcklerische Nachbetrachtung des diesjährigen „Amadeus“ einlassen. Nix da. Denn die Wahrheit ist: was immer ich auch schreibe, das genaue Gegenteil davon ist mindestens genau so zutreffend. Man kann den „Amadeus“ als burleske Provinzposse sehen, mit gleichem Fug’ und Recht aber auch als kurzweilige, charmante Selbstbespiegelung und PR-Veranstaltung der österreichischen Musikszene. Man kann Moderator Michael Ostrowski („Nacktschnecken“) für einen Meister der Ironie halten, zugleich aber für vollkommen unpassend für eine ernsthafte Ehrung künstlerischer Leistungen. Man kann offensiv darüber rätseln, warum man viele Preisträger weithin kaum kennt und welche realen Verkaufszahlen diverse Bands, Songs und Alben des Jahres erzielen, man kann sich aber auch über pompöse Nachwuchsförderung und vifes Guerilla-Marketing freuen.

Und gewiss kann man den „Amadeus“ ungebrochen für peinlich, lustig, unnötig, nötig, kurzweilig, lähmend, angemessen, belanglos, grotesk, glamorös, unbedeutend, wohldurchdacht, konzeptionell schwach, hochseriös und eine Farce halten. Und das alles gleichzeitig. Die Meinungen über diese Veranstaltung waren und sind so bunt, vielgestaltig und widersprüchlich, daß man fast geneigt ist, sich dem offiziellen Resümée der Veranstalter anzuschliessen: alles eitel Wonne. Aber nur fast.

Denn die grundsätzlichen Konstruktionsfehler, Fragwürdigkeiten und Bruchlinien im Vorfeld des Preises lassen sich nicht leugnen. Zunächst einmal hat man sich einmal mehr nicht klar entschieden, was man eigentlich will (vielleicht, weil man alles möchte): einen Kritiker- oder einen Publikumspreis. Der „Amadeus 2009“ war weder das eine noch das andere. Das Procedere, das zum Siegertreppchen führt, ist ebenso umständlich wie undurchsichtig: zuerst lässt man eine – relativ willkürlich nominierte und mit einem diskussionswürdien Genre-Raster ausgestattete – Schar von Experten, Journalisten und Business-Spezis über eine Nominierten-Shortlist entscheiden (und kann ihnen nicht einmal eine Liste aller Neuerscheinungen des fraglichen Zeitraums als Anhaltspunkt zur Verfügung stellen), danach überlässt man es den Künstlern, Labels und Fanclubs, quasi in eigener Sache Stimmung zu machen und die Welt in die Widget-Wahlkabinen zu treiben. Auch hier: null Überprüfbarkeit, was zählt, ist der Rummel, den Fans und Infrastruktur eines Künstlers entfachen können und wollen (von wegen „Aufmerksamkeit als neue Währung“). Die Aussagekraft einer solchen Wertung ist, gelinde gesagt, gering. Konsequenter wäre es allemal, entweder wirklich strikt subjektiv Experten entscheiden zu lassen. Oder, weit objektiver, Verkaufszahlen doch nicht gänzlich ausser acht zu lassen, Downloads inklusive. Es gibt keine härtere Währung.

Dann wäre da der Preis selbst. Das „Amadeus“-Megaphon aus Glas, das mich ja eher an eine Bowleschüssel erinnert oder an eine medizinische Apparatur, wie sie bei einer Infektion der Harnwege zum Einsatz kommt (aber das ist natürlich gemein), soll ja eine Bestätigung und Auszeichnung sowohl für künstlerische Leistungen als auch für deren Wahrnehmung und Widerhall am Markt sein. Sorry, daß ich das schnöde Wort in den Mund nehme: aber noch ist die IFPI, der Dachverband der grössten heimischen Labels, der Ausrichter des Preises. Und hier zählt gewiß nicht l’art pour l’art.

Damit ist man aber im nächsten Dilemma gefangen: wenn sich selbst ausgezeichnete Künstler wie Anna F. oder Texta darüber wundern, Preisträger zu sein, wo sie doch im fraglichen Zeitraum gerade mal einen Song veröffentlicht haben, dann gerinnt der „Amadeus“ mehr oder minder zur reinen Sympathie-Bekundung. Geht auch in Ordnung. Aber dann sollte man jedes seriöse Kriterium gleich fallen lassen und einfach eine ausgelassene Party feiern. So stärkt man nur die – hierzulande sowieso gern gepflegte – Tradition milden Selbstbetrugs: für ein paar Jahrzehnte, ein paar Jahre oder Monate, eventuell aber auch nur eine Nacht, weltberühmt zu sein. In Österreich. Gegenseitige Schulterklopferei, die schätzomativ doch einige hunderttausend Euros kostet (und dann wahrnehmungstechnisch hauptsächlich in „Partnermedien“ stattfindet, die mit auf der Payroll stehen), kann sich die Branche eigentlich nicht (mehr) leisten.

Und wenn selbst die Chefs aus Deutschland, wo längst die Strippen gezogen werden im und für den lokalen Markt, oder mit hiesigen Potentaten befreundete internationale Künstler – aus dem Stand fallen mir da Jan Delay ein, Peter Fox, Udo Jürgens, Wir sind Helden, Tomte, Franz Ferdinand oder, hm, Lenny Kravitz – nicht zur Anreise bewegt werden können, dann stimmen weder der Glamour-Faktor noch der Propaganda-Nutzwert der Veranstaltung. Pop ist nun mal zuvorderst eine internationale Angelegenheit, ein Blick über den Tellerrand, eine weltoffene (und nicht nur kulturell, sondern auch business-getriebene) Verortung in Zeit und Raum. Ausser man besteht auf Austropop.

Dem „Amadeus“ mangelt es zudem – und das halte ich für den grössten Lapsus – an Kategorien, die wirklichen Errungenschaften, Innovationen und Heroen des Musikmarkts 2.0 abzubilden. Wozu hält man in der YouTube-Epoche noch krampfhaft an der Musik-DVD-Kategorie fest? Warum holt man z.B. nicht den Oberösterreicher Martin Stiksel, einen der „Last.fm“-Impresarios, auf die Bühne? Feiert nicht die „Red Bull Music Academy“, „Rebeat Digital“, „Zero Inch“ oder „play.fm“? Würdigt FM4 – etwa den „Soundpark“ – als wichtigen und loyalen Wegbegleiter? (Der Sender muß sich vice versa etwas überlegen, da der „Coolness-Faktor“ des Alibi-Antagonisten wegfällt. Ein FM4-„Alternative Award“, der nach dem gleichen Modus vergeben wird wie alle anderen Auszeichnungen, ist keine Alternative mehr.) Oder verleiht generell einen Preis für strukturell, technisch und inhaltlich visionäre Weichensteller und Querverbinder?

Ein Christoph Moser, ein Monti Lüftner, ein Joe Zawinul hätten einen Preis für ihr Lebenswerk ebenso verdient wie Hansi Lang (dessen stimmige und würdige Ehrung der Höhepunkt des „Amadeus“ 2009 war, trotz störenden Partygeschnatters von der Tribüne). Auch Mario Rossori hätte ich für die bisherige Aufbauarbeit einen Ehren-„Amadeus“ überreicht (und ich neige nicht zu Larmoyanz und übertriebener Höflichkeit).

Es geht um klare Signale, um kräftige Handschläge, um zielführende Überlegungen, wie man wirklich etwas bewegen und weiterbewegen will. Und kann. Ein Anfang ist gemacht. Aber noch viel zu tun (daß der ORF im nächsten Jahr wieder mit an Bord ist, halte ich für eine Grundnotwendigkeit. Für beide Parteien.) Um es mit Hansi Lang zu sagen: keine Angst!

Licht ins Dünkel

6. September 2009

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (25) Experten aus 27 EU-Ländern haben das Ende der traditionellen Glühlampe beschlossen. Ohne uns?

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Nun hat also die gute, alte Glühbirne ausgedient. Seit Anfang September ist der Verkauf von mattierten Lichtspendern und klaren 100 Watt-Exemplaren eingestellt, 2010 folgen die 75 Watt-Versionen und 2011 jene mit sechzig Watt. Danach wird’s ganz finster. Zumindest in der Vorstellungswelt professioneller und privater Lichtdesigner. Man bedauert allerorten den Verlust des „warmen“ Farbspektrums, das beim Glühen eines Wolframfadens entsteht. Und fürchtet die subjektive Kälte von Halogenstrahlern, Energiesparlampen (die noch dazu als umweltschädlich entlarvt wurden) und Leuchtdioden.

Die Folge: ganze Vorratskammern gehorteter Glühbirnen, einmal mehr Antipathie gegen „die da in Brüssel“ und das volksnahe Bekenntnis von Politikern wie Josef Pröll oder Josef Cap, selbst unter die Hamsterkäufer gegangen zu sein. „Bei mir haut es bei dieser Frage die Sicherungen durch“, wird Pröll zitiert. Zugleich, leicht schizophren, aber auch seine Feststellung, die Umstellung sei „grundvernünftig“.

Was jetzt? Fakt ist, daß die vor hundertdreißig Jahren von Thomas Alva Edison entwickelte, industriell gefertigte Glühlampe zwar ein leuchtendes Fanal der Moderne ist, aber technisch längst als überholt gilt. Nur fünf Prozent des verbrauchten Stroms werden in Leuchtkraft umgesetzt, der Rest in Wärme. Heutige Alternativen haben eine weit höhere Effizienz und halten im Schnitt sechsmal länger. Trotz höherer Anschaffungskosten rechnet sich der Austausch allemal. Europaweit lassen sich durch Energiesparlampen Stromkosten in Höhe von fünf bis zehn Milliarden Euro jährlich (!) sparen.

Aber Vernunft, Sparwille und der lobenswerte Versuch der EU-Politik, Energieverbrauch und Treibhausgase drastisch zu reduzieren, treten in einen offenen Ringkampf mit Uninformiertheit, Sentimentalität und Sturheit. Und natürlich dem Floriani-Prinzip. Dürfen wir uns bald auf Untergrund-Kämpfer einstellen, die sich demonstrativ im rötlich-gelben Lichtkranz traditioneller Kronleuchter versammeln? Lichterketten, die ein Signal gegen den Terror der Modernisten und zwänglerischen Stromsparer setzen? Einen Dauerkonflikt von Verdunkelungs-Agenten versus High Tech-Jedirittern samt Lichtschwertern?

Soweit vertraue ich schon der Innovationskraft, Marktorientierung und „Give the people what they want“-Dynamik des Kapitalismus, dass hier raschest Ersatz zu finden sein wird. Vollwertiger Ersatz. Auf eine Neonröhre über meinen Schreibtisch habe auch ich keinen Bock. Für die ewigen Edison-Jünger und Retro-Apostel aber zünde ich eine Kerze an. Die ist seit Jahrtausenden in Mode und spendet das wärmste Licht überhaupt.

Eine Warnung, eine Empfehlung

3. September 2009

„Diagonal“, das Ö1-Feuilleton, hat eine eigene Rubrik, in der zu- und abgeraten wird. Als Gast nehm‘ ich mir da kein Blatt vor den Mund. Dafür dieses und jenes Blatt zur Hand.

Post von Jeanneé

Eine Empfehlung.

Fünfundvierzig Sekunden „on air time“. Das hat einen ganz realen Wert, so eine Werbeeinschaltung, und keinen unbeträchtlichen – auch wenn es Werbung auf Ö1 eigentlich gar nicht gibt. Nennen wir es also einen Fingerzeig. Und da die Sekunden verticken wie nichts, nennen wir auch das Ding gleich beim Namen: DATUM. Ein Magazin. Papier zum Lesen. In diesem Fall etwas griffigeres Papier mit wunderbar unaufgeregtem Design und beachtlichem Inhalt. Gerade ist die aktuelle Ausgabe erschienen – mit Artikeln etwa über die Sinnkrise der Gewerkschaften, über Thomas Pynchon, den Vorarlberger Verleger Eugen Russ und über ein von Arbeitern besetztes Luxushotel in Argentinien. Mein Favorit unter allen Beiträgen, neben der Kolumne von Franz Schuh natürlich, trägt den Titel „El Ha von OÖ“, also „Landeshauptmann von Oberösterreich“. Anlässlich der Wahl hat der Attwenger-Musikant Markus Binder zwei fiktive Reden geschrieben. Die haben’s in sich. Wie das ganze Heft. „Endlich ein Blatt, das nicht von Marketingfuzzis konzipiert wurde“, urteilt das Fachmagazin „Der österreichische Journalist“. D’accord. Sie sollten einfach einmal Ihren Trafikanten nach DATUM fragen.

Eine Warnung.

Wenn wir schon bei journalistischen Qualitäten sind, dann ist es auch mal an der Zeit, einen absoluten Tiefpunkt heimischer Publizistik – eher wohl: Zeilenschinderei – zu benennen. Und ich tu’s mit grimmigem Ernst. Vielleicht schreibt mir der gute Herr dann ja einen Brief. So, wie er anderen fast täglich einen Brief schreibt. Öffentlich und unaufgefordert. Unter dem Titel „Post von Jeannée“. Und zwar in der „Kronen Zeitung“. Nun ist dieses Blatt gewiß kein Hort des bedächtigen Diskurses. Jeannées Briefe aber – eine Kolumnenform, die er dreist bei der deutschen „Bild“-Zeitung abgekupfert hat – sind derartig unter jeder Kanone, daß man sich regelmässig fremdschämt. Untergriffig, anbiedernd, faktenfern, verletztend, polemisch, schleimig, gehässig. Durch die Bank. Mit einem Wort: ekelhaft. Und ich bin gewiß kein Gegner feiner Provokation. Es gibt Leute, die meinen, Jeannée hätte es auf ärgerliche Reaktionen wie diese hier geradezu angelegt; sie würden seine Wirkung und Bedeutung belegen. Und noch verstärken. Nun: das war’s denn auch. Ich habe beschlossen, diesen – pardon! – Dreck kategorisch nicht mehr zu lesen. Er vergiftet den Tag. Er versaut die Stimmung. Er hat keinen Wert. Besser also, präventiv Post von Jeannée einfach ungeöffnet an den Absender retournieren. Mit einer gleichmütig hingekritzelten Botschaft – „Empfänger unbekannt“.

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