MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (49) Ohne Verstand fährt man auch mit Navi blindlings in die Sackgasse.
Schadenfreude und Schenkelklopfen, das ist es wohl, was Navigationsgeräte zur Zeit vorrangig auslösen. Das grosse Staunen, welche Stückl’n GPS spielt – unsere Urgrosseltern hätten wahrscheinlich den Rosenkranz zu beten begonnen, wenn ihnen eine unsichtbare Stimme den Weg angesagt oder „bei nächster Gelegenheit bitte wenden“ empfohlen hätte –, ist längst einer pragmatischen Wurschtigkeit gewichen. Man hat gelernt, das Navi im Alltag ganz selbstverständlich zu nutzen, für die eine oder andere Macke geringzuschätzen, oder es sachte zu ignorieren. Oder eben auch nicht. Der Sensations- und News-Wert der Technik ergibt sich anno 2010 aus skurrilen Meldungen. Etwa jener, dass unlängst ein japanischer Tourist auf dem Weg nach Galtür von der Bundesstrasse 179 auf eine Langlaufloipe umdirigiert wurde. Und prompt mit seinem Mietwagen samt Frau und Kindern im Schnee stecken blieb.
Wiehernde Kommentare und mahnenden Zeigefinger, nicht selten mit sachtem Schwung und angedeuteten Klopfgeräuschen gen Denkerstirne geführt, folgen wie das Amen im Gebet. Wer den Zündschlüssel umdreht, sollte nicht vergessen, das Gehirn einzuschalten! Ja, eh. Aber ich wette, von all den Besserwissern, Fährtenlesern und Stammtischkapitänen sind nicht wenige schon in schlimmeren Situationen gesteckt.
Wer kennt nicht das Problem, in Sekundenschnelle entscheiden zu müssen, ob man sich nun „blind“ auf das Navigationsgerät verlässt oder doch eher auf die eigene Intuition? Oder gar den sog. „gesunden Menschenverstand“? Die komplexe Technik, bisweilen unglücklich kombiniert mit veraltetem Kartenmaterial oder nicht probaten Einstellungsparametern, überfordert Durchschnittsnutzer bisweilen. Und haben wir alle nicht schon lauthals geflucht und die sanfte Frauenstimme aus dem Armaturenbrett beschimpft, weil dieser Kreisverkehr oder jene Baustelle doch eigentlich nicht existieren dürften?
Ich kenne Leute, die wagen es als ungeübte Autofahrer gerade mal, mit ihrem Gefährt wohlbekannte Strecken entlangzutuckern. Bei schönem Wetter. Und nur mit Beifahrer. Weiter reicht das Selbstvertrauen nicht. Immerhin: das Gefährdungspotential wird so freiwillig eingegrenzt. Wer dagegen meint, mit einem Navi lasse sich tolldreist die Welt erobern, und dann mitten im Tunnel umdrehen möchte, weil die GPS-Ortung ergibt, dass man zuvor eine Ausfahrt verpasst hat, sollte generell sein Gottvertrauen aufrüsten. Oder einmal die Bedienungsanleitung lesen. Nicht nur jene für das Navi.