Archive for März, 2010

Beiläufige Musiktipps (8)

28. März 2010

ERNST MOLDEN hat ein neues Album geboren. Das zugleich ein Bühnenstück ist und demnächst am Rabenhof Theater in Wien Premiere feiert: „Häuserl am Oasch“. Einmal mehr ein bildreiches, wortmächtiges, ebenso vorder- wie abgründiges Werk.

Schwarzromantische Songs, angezerrte Gitarren, sinistrer Witz: zunächst einmal ist „Häuserl am Oasch“ die Tonspur zu einem „Singspiel“ von und mit Ernst Molden. Das magisch-metaphysische Bühnenspektakel hat am 7. April 2010 im Wiener Rabenhof Theater Premiere. Sein eigentlicher Schauplatz ist der Wienerwald. Regie führt Thomas Gratzer, es spielen in Kulissen von Gudrun Kampl Koriphäen wie Michou Friesz, Ingrid Lang, Markus Kofler, Heribert Sasse, Gerald Votava. Geschrieben und komponiert hat das Stück, hab‘ ich’s bereits erwähnt?, Meister Molden. Er steht auch gemeinsam mit seiner Band auf der Bühne.

„Häuserl am Oasch“ ist aber auch ein eigenständiges, neues, höchst bemerkenswertes Opus des Singer/Songwriters Molden. Ein Album, das das Wurzelwerk zum Begriff „Album“ freilegt: eine Abfolge von Sinn- und Vexier-Bildern, Szenen und Illustrationen zu versammeln, die einen Bogen ergeben und eine Geschichte erzählen. Hier paaren sich Rock’n’Roll und Volkssage. „Häuserl am Oasch“ greift uralte Mythen auf, scheinbar vergessene Theaterformen, Themen von zeitloser Aktualität. Der Plot: Im Restaurant Waldhaus, besser bekannt als „Häuserl am Oasch“, erträgt der Wirt seine Stammgäste nicht mehr. Seine Tochter sucht den Richtigen. Im Wald geht ein bärtiger Freak um. Döblinger Witwen werden unruhig, die Polizei ist es schon. Das ewige Leben und die Liebe schlagen zu. Gibt es so etwas wie einen Naturzustand, ein ideales Leben, Erlösung, ein Leben nach dem Tod? Und eines davor?

„Häuserl am Oasch“, das Album, lässt uns – fernab des Bühnenspektakels – tief in einen absonderlichen Kosmos eindringen. „Wenn da Papa en Woed ged, na hod a an Grund“ heisst es in einem Song. „Und in de uaoidn Baam, scheban d’ uaoidn Traam“ in einem anderen, dem Titelstück. Wir schauen und schaudern. Und hören die Botschaft wohl: der Wienerwald hört nicht in Altlengbach auf, in Hainfeld oder gar in Kottingbrunn – der Wienerwald umschliesst diesen Planeten. Wie ein grosser, dunkler, schwerer Mantel, der das Etikett „Vergessen“ in sich trägt. Und doch gelegentlich gelüpft und gelüftet wird. Gut und gern von Ernst Molden.

Das „Singspiel für den Erdberger Boulevard“ (Eigendefinition des Autors) wird so ein rundes, mächtiges Hörspiel für den weiten Raum zwischen zwei Kopfhörer-Muscheln. Ein Zauberbaum fürs Eigenheim. Eine Fortsetzung von Ödon von Horvaths „Geschichten aus dem Wienerwald“. Und es tut wohl, Walther Soykas leise grummelnder Knöpferlziehharmonika zu lauschen, der Fender Jaguar von Hannes Wirth, dem Kontrabass von Marlene Lacherstorfer und dem Beserlpark von Heinz Kittner. Zugleich erfrischt Moldens derbe, direkte Sprache – auch und vor allem im Kontrast zum Neo-Biedermeier der deutschen Post-Reinhard Mey-Schule, zuvorderst repräsentiert von Tocotronic, Blumfeld und Jochen Distelmeyer. Aber lassen wir das: im Wienerwald muß niemand „Let There Be Rock!“ schreien, um sich selbst Mut zu machen. Hier haust der Gevatter schon sehr, sehr lange. Und muß nur ab und an vorsichtig aus seiner Höhle gelockt werden.

ERNST MOLDEN : „Häuserl am Oasch“

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Eurofighter auf ebay!

27. März 2010

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (53) Will, nein: kann sich das österreichische Bundesheer überteuerten High Tech-Schrott leisten?

Und nun, um mit Monty Python zu sprechen, zu etwas ganz anderem. Neulich fand ich in meinem Elektropostfach eine Einladung vor, doch der Facebook-Gruppe „Ich bin einverstanden, dass Österreich seine Eurofighter auf ebay stellt!“ beizutreten.

Spontane Reaktion: nicht unwitzig! Botschaften und Einladungen dieser Art trudeln ja én masse ein, wenn man sich lustvoll der Social Network-Maschinerie hingibt. Mir wird z.B. auch ständig vorgeschlagen, Fiona Swarovski oder Nina „Schneeflittchen“ Bruckner als Freundinnen hinzuzufügen. Aber da bleibe ich – wiewohl sonst kaum wählerisch – trotzig. Da könnte ja jede(r) kommen. Zudem: war es nicht Swarovskis Ehegespons samt Freunderlpartie, der uns diese überzüchteten, sauteuren, skandalumwitterten Rübenbomber in den Hangar stellte? Dort stehen die Dinger gut, fliegen tun sie ja eher selten.

Hier ist wohl nicht der Platz, um seiner staatsbürgerlichen Wut Ausdruck zu verleihen. Andererseits: warum nicht mal über den Technikpark des Bundesheeres reden? Wenn man zu lesen bekommt, dass der Generalstabschef dieses Vereins angesichts drastischer Budgetkürzungen eine „radikale Verkleinerung des Fuhrparks“ andenkt, sprich: die Ausmusterung von über tausend Fahrzeugen (von insgesamt 9000), ploppt schon die eine oder andere Frage auf.

Etwa, wer denn bislang in all den Raketenpanzern, Haubitzen und sonstigen Blechsärgen herumgegurkt ist (oder auch nicht)? Oder jene nach der strukturellen und politischen Verantwortung einer Heeresbürokratie, die laufend Kriegsspielzeug einkauft, das sich nicht gerade selten als absurde, de fakto unleistbare Verstiegenheit entpuppt. Und früher oder später verschämt dem Schrottplatz zugeführt wird. Doppelt schmerzlich, da man sich zugleich nicht einmal ordentliche Unterkünfte für das demotivierte Personal leisten kann und will. Das Bundesheer: augenscheinlich ein Katastrophenfall. Ohne Möglichkeit zur Selbsthilfe.

Ich bin nur ein kleiner Kolumnen-Schmied und Hobby-Bastler. Dass man sich aber tunlichst keinen Maserati in die Garage holt, wenn man keine Kohle für die dringendsten Reparaturen und für festes Schuhwerk der Kinder hat, zählt zu den Basis-Rechenübungen einer ordentlichen Haushaltsführung. Insofern ist der Vorschlag aus der Internet-Gemeinde, das Gerümpel bei ebay einzustellen, weniger witzig als symbolisch-realistisch. Und damit kein Mißverständnis auftritt: ich plädiere keineswegs für eine Aufstockung des Heeresbudgets. Eher das Gegenteil. Der Ausverkauf uralter Denkmodelle und Kalter Krieg-Relikte hat längst begonnen.

My Boombastic Home Cinema Style, The Sequel

20. März 2010

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (52) Ist 3D die seligmachende Vision der Fernseh-Industrie? Oder liegt die Zukunft doch in „normalem“ HDTV?

Ein wenig geniert hab’ ich mich schon, als ich letzte Woche „Die Presse am Sonntag“ aufschlug. Inmitten André Hellers Jubiläumsausgabe erschien mir diese kleine Kolumne beinahe als Fremdkörper. Als Einbruch des Banalen, Alltäglichen, Profanen in ein papierenes Pantheon der Unvergänglichkeiten. Und, doch auch, Vergänglichkeiten. Wer kommt bloss auf die Idee, stinknormale Flachbild-Fernseher zu testen, wenn zeitgleich Apples iParadigma-Pad die jahrtausendealte Kultur des Abendlandes bedroht?

Immerhin: 3D hält sich hartnäckig als Topic auf Kultur- und Technikseiten, bisweilen sogar auf Titelblättern. Dabei ist dreidimensionaler TV-Konsum meinem Geschmack nach zuvorderst ein Irritationsfaktor. Wenn man aktuell schon drüber rätseln muss, welche Brille es aufzusetzen gilt, um in den Genuss plastischer Bilder zu kommen, löst das eher Kopfschmerz als Kaufimpulse aus. Ein befreundeter Techniker brachte es auf den Punkt: „Die Normungsgremien hecheln wie gehetzte Hunde hinter den Entwicklungen der Industrie her. Das Ergebnis: Unausgereifte Technologien, die erst beim Kunden fertig entwickelt werden, keine oder geringe Kompatibilität, Frust beim Anwender.“

Solange 3D-TV keine verbindlichen Standards kennt, können Philips, Sony, Panasonic, Samsung & Co. mich jedenfalls gern haben. Von wegen „Das neue Fernsehen“: ich bin ja noch nicht einmal mit HD im Reinen. Unter uns: die „ZiB“ oder der „Club2“ als High Definition-Bilderreigen, das muß nicht sein. Jeden überschminkten Pickel haarfein nähergebracht zu bekommen war nicht der Traum meiner schlaflosen Fernsehnächte. Und der notwendige Blu-ray-Player, um den Heimkino-Highflyer „The Hurt Locker“ – der Film gewann zwar den Regie-Oscar, lief aber hierzulande erst gar nicht in den Kinos – mit der konventionellen DVD zu vergleichen, wurde noch nicht geliefert.

Wobei, da kommt mir glatt wieder eine Pressemeldung vom Oktober in den Sinn: niederländische Forscher hatten zwei jeweils 30 Personen umfassenden Gruppen exakt denselben Film auf exakt demselben Flat-Screen-TV gezeigt. Einer der beiden Gruppen wurde suggeriert, es handle sich um eine HD-Präsentation. Das Ergebnis fiel „wenig überraschend“ (so Versuchsleiter Lidwien van de Wijngaert von der Universität Twente) aus: unabhängig vom identischen Eingangsmaterial und Monitor bewertete die zweite Gruppe das gesehene Bild als weitaus klarer und schärfer. Wie sang schon Heller? „Die wahren Abenteuer sind im Kopf. Und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo.“

My Definition of a Boombastic Home Cinema Style

13. März 2010

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (51) Flachbild-Fernseher sind ungebrochen Verkaufsrenner. Was können Durchschnitts-Geräte anno 2010?

Der freundliche Monteur, der gerade im Haus war, hat mir zu meinem Fernsehgerät gratuliert. Ein Mann mit Mutterwitz. Denn das Ding, eine voluminöse Sony Trinitron-Röhre, hat geschätzte 20 Jahre auf dem Buckel. Oder mehr. Ich kann mich vage erinnern, mit diesem Gerät staunenden Auges den Fall der Berliner Mauer quasi live erlebt zu haben. Der Fernseher tut – im Gegensatz zum damaligen DDR-Grenzpersonal – immer noch seinen Dienst.

Was auch damit zu tun hat, dass sein Nachfolger, ein früher, Mitte der Nullerjahre sauteuer erworbener 42 Zoll-Plasma-Schirm von LG, gern rumzickt. Seit Monaten ist der Infrarotempfänger ausgefallen (sagt der Techniklaie in mir, der Monteur nickte zustimmend). Und ohne Fernbedienung geht halt gar nix. Überhaupt: „state of the art“, neuester Stand der Technik, ist dieses Gerät nicht. Hat ja nicht einmal einen HDMI-Anschluss. Von High Definition-Auflösung ganz zu schweigen.

Wenn ich aber als privilegierter Journalist immer rummosere über die Inhalte und Qualitäten dieser und jener Anbieter, dann muss ich mein Testlaboratorium einigermassen in Schuss halten. Also entschloss ich mich zu folgender Versuchsanordnung: ein technisch probates, eher durchschnittliches, für breite Kreise erschwingliches TV-Gerät muss her. Standard 2010. Nichts Überkandideltes, Abgehobenes, Elitäres. Mit Geräten diesen Typs macht der heimische Elektrofachhandel rund 1 Millarde Euro Umsatz im Jahr. Und die Leute sind konsumfreudiger denn je. „In den letzten Tagen haben wir verkauft wie zu Weihnachten“, so Wolfgang Krejcik, Obmann des Fachgremiums in der Wirtschaftskammer Österreich. Umsatzplus 2009 im Vergleich zum eh schon sehr starken Fussball-EM-Jahr zuvor: zwei Prozent.

Im Werbeflugblatt eines Elektrogroßmarkts wurde ein Gerät von Samsung ausgepriesen, Modell PS50B530, 50 Zoll-Riesenmonitor, Plasma, 100 Hertz, Full HD 1080p, Webanbindung (nein, pardon!, doch nicht), DVB-T, DVB-C. Um schlanke 777 Euronen. Preis-Aktionismus? Abverkaufsware? Mogelpackung? Was soll ich sagen: jetzt steht das Trumm in meinem Wohnzimmer. Neben dem Sony. Und dem LG. Das wird ein Schaulaufen sondergleichen. Vergleichbare Angebote von Panasonic, Toshiba, Sharp, Grundig, Sony, Philips etc. usw. gibt’s zudem zur Zeit zuhauf. Im Netz. In Printinseraten. In Prospekten, Auslagen, Hauswurfsendungen. Und sonstwo.

Doch: wär’ nicht ein LCD- oder LED-Schirm besser? Schärfer? Stromsparender? Mal seh’n. Ich habe pragmatisch sogar meine Aversion gegen Blu-ray aufgegeben und „Terminator 4“ in beiden Formaten geordert. Und noch ein paar absehbar inhaltsschwache, aber bildgewaltige DVD-Schinken mehr. Der Vergleich macht sicher. Hoffentlich. Oder soll ich – Modegag hin, neue Dimension her – doch auf 3D warten? Kleine Zweifel. Grosses Kino. Fortsetzung folgt. Demnächst in diesem Lichtspieltheater.

(Background-Sound on/off: Boombastic, „My Definition of a Boombastic Jazz Style“)

Vom Blick zurück und Blick nach vorn

6. März 2010

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (50) Ohne Sendungsbewußtsein und Inhalte bleibt der Fortschritt der TV-Technologie ein potemkinsches Dorf.

Technik-Nostalgie in allen Ehren, aber man kann es auch übertreiben: seit Tagen zeigt der vormalige Wetterkanal TW1 die Sprengung des vormalig höchsten Bauwerks Österreichs, des Mittelwellensenders Bisamberg, in einer Art Dauerschleife. Samt Zeitlupenwiederholung. Immerhin ohne launigen Kommentar des vormaligen ORF-Generals Teddy Podgorski (der findet sich aber online). Was folgt als nächstes? Eine Doku über die Reinigung des Zierteichs am Küniglberg? Die Dekonstruktion eines Ikea-Regals im Büro von Generaldirekor Wrabetz? (USM Haller-Möbel dürften aus Spargründen nicht mehr drin sein). Der Umbau des Radiokulturhauses in der Argentinierstrasse – wo schon Heinz Conrads selig die Kranken und Beladenen der Nation medial salbte – in eine Bank Austria-Filiale?

Ironie off. Die von 1959 bis 1995 über die Sendemasten am Bisamberg abgestrahlte Mittelwelle gehört im Zeitalter von Internet und digitaler Übertragungstechnologie zweifellos der Vergangenheit an. Wie ein Treppenwitz der Geschichte mutet es aber an, daß der ORF anno 2010 tendenziell eher Programm mit seiner eigenen Historie macht, als den Blick des Zuschauers (und natürlich den eigenen) in Richtung Zukunft zu lenken. TW1 selbst ist ein gutes Beispiel dafür: seit Jahr’ und Tag hält man eisern an dieser Frequenz fest, um ein Sammelsurium an Trash, Archivmaterial und PR zwischen den ominösen redaktionellen Eckpunkten „Information, Kultur, Freizeit und Wetter“ auszubreiten. Warum und für wen, ist unklar.

Der lange angekündigte Umbau des Senders in einen ernstzunehmenden Kultur- & Info-Kanal scheiterte bislang an Geldmangel. Und an fehlender Vision. Warum lässt man z.B. nicht die Crew von FM4 ran, um mit viel Idealismus und wenig Etat (sagen wir mal: in Summe zehn „Golden Handshakes“ für ranghohe Chefitäten) zu zeigen, was möglich ist? Und gleichzeitig der Kreativindustrie und der jüngeren Kulturszene dieses Landes ein Überdruckventil und einen Brennspiegel zu verschaffen?

Oder will man derlei privater Kokurrenz überantworten? Lassen Sie den Sendersuchlauf einmal nach Servus TV Ausschau halten – und Sie werden verblüfft sein. Was vermeintlich eine Dauerwerbesendung für die Red Bull-Düsenjäger-Sammlung von Didi Mateschitz ist, entpuppt sich als ambitioniertes, charmantes Programmangebot mit Gehalt. Nicht, dass Servus TV grosse Reichweiten hätte – aber der Segmentierung des Publikums, dem Trend in Richtung höherauflösende Bilder (und bald wohl 3D), dem Hunger nach spektakulären Bildern und dem „Mehrwert“ eines spürbaren Sendungsbewußtseins wird man hier gerecht. Da können sich manche noch einiges abschauen.

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