MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (65) „Roaming-Gebühren“ sind ein Freibrief zum Abkassieren. Dahinter steckt eine ungenierte „Gewinn ist geil“-Philosophie.
Seit Jahren trichtert uns eine grosse Elektrohandelskette ein, Geiz wäre geil. Was die Manager des Unternehmens (wohl jedes Unternehmens, um ehrlich zu sein) wirklich im Hinterkopf haben, sind Handelsspannen. Jene Beträge, die – jenseits des eigentlichen Werts eines Produkts – die Gemeinkosten des Händlers decken, die Steuern bezahlen und einen hübschen Profit ermöglichen. Je grösser die Spanne, desto geiler der Gewinn.
Nun ist die Marge bei vielen Produkten kaum der Rede wert. Es gibt aber einige Branchen, deren Gewinnspannen so absurd sind, dass das Geschäftsfeld per se einer Lizenz zum Gelddrucken gleichkommt. Dazu zählen Kosmetika, Wasser (abgepackt in Flaschen), Designertextilien, Schmuck, Popcorn und Süssigkeiten in Kinos, Brillen, Uhren, Drucker-Toner, Energy Drinks, Getränke in Restaurants und Bars generell sowie Medikamente. Bei einigen dieser Produkte liegen die Aufschläge im Vergleich zu ihren Herstellungskosten jenseits fünftausend (!) Prozent. Und, ja, natürlich wissen wir alle, dass z.B. Medikamente intensiver und teurer Forschung bedürfen. Aber rechtfertigt dies, Acetylsalicylsäure anno 2010 als „Aspirin“ zu verpacken und zum Apothekerpreis zu verkaufen?
Die Branche aber, die am unverschämtesten agiert, ist die Telekommunikationsbranche. Mag der Wettbewerb auch generell hart sein und Mischkalkulation ein Patentrezept, so haben doch alle Anbieter ein Eldorado zum Abkassieren entdeckt: internationale Roaming-Gebühren. Drückt man im Ausland mal – und sei es unbedacht oder gar unabsichtlich – ein paar Tasten auf seinem Handy, frägt seine Sprachbox ab oder surft ein wenig im Internet, wird’s teuer. Richtig teuer. Kommt man gar auf die Idee, Fotos up- oder Videos downzuloaden, sollte man vorsorglich den Privatkonkurs beantragen. Denn die Netzbetreiber schicken bald darauf Rechnungen los, die Nichtsahnende glattweg umhauen.
Dieser Tage ist das z.B. dem Chefredakteur des deutschen Revolverblatts „Bild“ passiert – drei Tage lang bloggte er von Marokko aus, die Telekom präsentierte ihm eine Kostenaufstellung über 40.000 Euro. Glück für Herrn Diekmann: den horriblen Betrag übernahm sein Arbeitgeber. Wohl eher die Ausnahme denn die Regel.
Was aber ist die genaue Leistung, die solche obszönen Spannen für ein wenig Datenverkehr rechtfertigt? Ich wette, die Pressesprecher von A1, T-Mobile, Orange, Drei & Co. haben dafür salbungsvolle Erklärungen parat. Dito Politik, Anwälte, Gerichte, warum hier nicht kategorisch „Sittenwidrigkeit“ greift. Ich meine, die Sache ist einfach: Gewinn ist geil. Unverdient gigantischer Gewinn aber am allergeilsten.