MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (95) Was soll die Vision vom Elektroauto, wenn nicht mal Elektromopeds zu kriegen sind?
Was ist nun mit dem Elektroauto? Diese Frage drängt sich auf, wenn man wahrnimmt, dass die seit Jahr’ und Tag gross angekündigte, viel gepriesene Zukunftshoffnung der Automobilbranche im Alltag eigentlich nicht wahrzunehmen ist. Sieht man, strikt subjektiv, von einem Wägelchen ab, das – offensichtlich zu Werbezwecken – demonstrativ an der Steckdose eines „Merkur“-Supermarkts gleich um die Ecke hängt. Fahren habe ich es noch nie sehen. Auch sonst spielt die Spezies „E-Mobil“ im Strassenbild meiner engeren und weiteren Umgebung keine Rolle.
Und das ist schade. Denn wie sollen sich so konsumentenseitig Erfahrungswerte, Gewöhnungsphasen und Kaufanreize ergeben? Okay, allerlei Probleme sind ungelöst – von der Einführung eines Normsteckers für Stromtankstellen bis hin zur Batterieentsorgung am Ende des Lebenszyklus. Experten warnen sowieso davor, das Elektromobil als Wunderwaffe im Kampf gegen Umweltverschmutzung, Co2-Emissionen und Ölabhängigkeit zu betrachten.
Aber man war doch geneigt (und ist es immer noch), der Autoindustrie nach den drastischen Absatzeinbrüchen der letzten Wirtschaftskrise ein Innovations-Feuerwerk zu unterstellen. Allein: es lässt auf sich warten. Ein Porsche 918 Spyder mit V8-Verbrennungsmaschine und zusätzlichen Elektromotoren, den man jetzt in (Klein-)Serienfertigung schickt, ist ja ganz hübsch. Aber leider auch absehbar eine halbe Million Euro teuer.
Da greift man lieber zum Spatz in der Hand als zur Kybernetik-Taube auf dem Villendach. Von mir aus tun’s auch zwei Räder. Sofern sie ohne Auspuff auskommen. Googlen Sie einfach „Yamaha EC-03“, und vor Ihren Augen wird ein wirklich schickes, leichtgewichtiges Elektro-Mofa erscheinen. Das mittels Lithium-Ionen-Batterie 46 Kilometer Reichweite schafft. Und von seinem Hersteller als „neues Kapitel in Sachen urbaner Mobilität“ angepriesen wird. Supersache. Ich habe gleich ein Testexemplar geordert. Und umgehend eine Absage erhalten. Leider sei der Elektroroller nur als Messe-Schaustück verfügbar, teilte der Yamaha-Pressesprecher mit, und werde in Österreich voraussichtlich 2011 nicht auf den Markt kommen.
Tja. Vielleicht können sich ja geschäftstüchtige Leserinnen und Leser zwischenzeitlich um Ersatz kümmern. Ein Tipp: in Frankreich fährt seit Jahren ein „eSolex“ benanntes Pininfarina-Designerstück herum. Ich bitte sehr darum, das Elektromoped zu importieren. Es wird garantiert ein Renner. Ein Exemplar nehme ich ab. Gratis. Als Vermittlungsprovision für den Fingerzeig. Fair, oder?
P.S.: Das Automobil wird dieser Tage 125 Jahre alt. Alles begann mit dem Benz Motorwagen (okay, die Österreicher sehen das vielleicht anders, haben sie doch Siegfried Marcus‘ Droschke im Technischen Museum stehen), der mehr einer Kutsche ohne Pferde glich als einem heutigen Entwurf. Zwischenzeitlich hat sich nicht gerade wenig getan (ich empfehle in diesem Zusammenhang zum Nachblätten das aktuelle Sonderheft von „Auto Motor und Sport“). Aber eventuell noch nicht genug, um die nächsten 125 Jahre entspannt zu antizipieren. Schliesslich war man auch in Sachen Elektroauto schon vor hundert Jahren nicht inaktiv.