MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (99) Formel Eins versus Formel 2.0. Oder: was, wenn Sebastian Vettel nicht mehr von einem Verbrennungsmotor beflügelt wäre?
Auch nicht unlustig, wenn man die „Speed Week“ aufschlägt, ein der breiteren Öffentlichkeit eher unbekanntes Medium für fortgeschrittene Motorsportfans, und ausgerechnet dort einen Abgesang auf die Formel 1 zu lesen bekommt. Obwohl: der Autor des Editorials, das ich so kühn interpretiere, wird das ganz anders sehen. Günther Wiesinger schreibt in der Ausgabe der Vor-Vor-Woche: „Irgendwann musste es sich ja rächen, dass Bernie Ecclestone die unter dem Vorwand der Globalisierung betriebene Expansion der Formel 1 in exotische Länder so vehement vorangetrieben hat.“ Wir wissen: der Grand Prix von Bahrain, der das diesjährige Spektakel einleiten sollte, wurde abgesagt. Aus politischen Gründen. Erstmals seit Menschengedenken.
Der „Speed Week“-Kommentator redet dankenswerterweise nicht lange um den heissen Brei herum. „Die Auftritte der Formel 1 in Abu Dhabi, Bahrain, Türkei, Südkorea, Malaysia, Singapur, Shanghai und Indien haben in erster Linie eine Ursache: die dort herrschenden Machthaber müssen die Millionenausgaben für den Rennstreckenbau und die aberwitzigen jährlichen GP-Gebühren nicht vor einem ernst zu nehmenden Parlament oder vor dem Volk rechtfertigen.“ Blöd, wenn Herrn Ecclestone und seiner Truppe da ein kleiner Bürgeraufstand in die Quere kommt. Und statt der Formel 1-Boliden die Panzer auffahren. Ein Fanal?
Eventuell. Denn wie wäre es, wenn die Potentaten aller Länder draufkommen, dass es anno 2011 dringlichere Probleme auf diesem Planeten gibt als möglichst rasant „mit dem Auto im Kreis zu fahren“, wie Niki Lauda einst trefflich das Metier beschrieb? Und dabei gallonenweise Benzinvorräte abzufackeln, für die man sich andernorts gegenseitig die Schädel einschlägt. Verstehen wir uns nicht falsch: der Mensch ist ein von Lust am Spiel, Ehrgeiz und Testosteron getriebenes Wesen. Insbesondere die männliche Reichshälfte. Aber irgendwie wirkt der jährliche Formel 1-Zirkus immer absurder, unzeitgemässer, realitätsferner. Kurzgesagt: endlicher. Weniger eine Frage der Revolution als der Evolution.
Nun gibt es natürlich schon Bewerbe für elektro- und solargetriebene Mobile, Rallys für unbemannte, robotergesteuerte Vehikel, Öko-Wettfahrten um den geringsten Benzinverbrauch und die längste Strecke, die sich mit einer Tankfüllung zurücklegen lässt. Aber noch hat niemand Mister Ecclestone ernsthaft nahegelegt, die alte Saugmotoren-Formel durch Innovations- und Sparzwang zukunftsträchtiger zu machen. Krisensicherer. Und eventuell auch spannender. Auch wenn’s den Scheich im Wüstenreich nicht freut – der hat sowieso gerade ganz andere Sorgen.