Man konnte über den grössten heimischen Musikpreis berechtigt spötteln, aber sich seiner Existenz durchaus auch erfreuen. Wie es jedes Jahr tausende Kulturschaffende machten. Anno 2011 sieht’s aber düster aus.
Die Meldung kam überraschend. Sogar für jene Mitglieder des Trägervereins IFPI, die nicht unmittelbar in die Organisation und Umsetzung des grössten heimischen Musik-Branchenpreises involviert waren und sind. Der „Amadeus“, hiess es in einer lapidaren Pressemitteilung, werde nicht, wie geplant, im Herbst stattfinden. Sondern erst im Frühjahr 2012. Der Grund: die Rahmenbedingungen hätten sich „aus finanziellen und logistischen Gründen leider massiv nachteilig verändert“.
Im Klartext: die Telekom Austria war als Hauptsponsor ausgefallen, andere Sponsoren hatten abgesagt, die Finanzierung des Events aus den (von der „Leercassettenabgabe“ gespeisten und sozial-kulturellen Zwecken zugedachten) Einnahmen der der IFPI angebundenen Urheberrechtsgesellschaft LSG reicht nicht, um die Stadthalle anzumieten, eine TV-Übertragung zu inszenieren und eine standesgemässe Party zu schmeissen.
Lange Gesichter allerorten. Wie, der „Amadeus“ fällt aus? Eventuell für immer? So die spontane Reaktion von Musikern, Managern, Labelbetreibern, der Mehrzahl der Branchenkolleginnen und -kollegen. Eine ziemliche Blamage. Und eventuell ein Spiegelbild des desolaten Zustands der österreichischen Musikindustrie (deren Existenz als produzierende Entität ich weithin in Abrede stelle). Aber abgesehen vom Umstand, dass der „Amadeus“ nicht begraben, sondern nur um ein paar Monate verschoben wurde, ist eine solche Denkzettel-Evaluierung nicht kategorisch negativ zu werten. Besser g’scheit als halbherzig. Oder gar nicht. Die Zwangspause sollte genutzt werden, um die Sinnstiftung, Finanzkonstruktion und den Nutzwert des „Amadeus“ nochmals zu überprüfen. Letzter bezieht sich vor allem auf die Image-Hebelwirkung, die über lange Jahre der ORF garantierte. Die Vergangenheitsform ist seit 2008 Gegenwart. Eine karge Gegenwart.
Nun: ein opulentes – oder, wie Kritiker immer monierten, zugleich provinzielles, überinszeniertes und teures – Fernseh-Spektakel, das heimische Altstars und Newcomer einem breiten Publikum nahebringen sollte, ist heute wirklich nicht mehr der Weisheit letzter Schluss. Der (gewollte? erzwungene?) Schwenk hin zu Szene-Sendern wie Puls 4 aber wohl auch nicht. Leider gelang es Hannes Eder, als Statthalter des marktbeherrschenden Konzerns Universal Music auch der logische IFPI-Präsident, und dem IFPI-Geschäftsführer Franz Medwenitsch – beide ehemalige langjährige ORF-Mitarbeiter – bis heute nicht, den alten und neuen ORF-Chef Alexander Wrabetz zu einem zukunftsweisenden Schulterschluss zu bewegen. Ob da die Doppelrolle von Franz Medwenitsch als Wortführer des ÖVP-„Freundeskreises“ im Stiftungsrat des ORF, der heftig gegen Wrabetz opponierte, mitspielt?
Es wäre Real-Österreich, und es wäre – wenn es denn so ist – zutiefst unprofessionell. Auf beiden Seiten. Der ORF, ungebrochen die grösste Medienorgel des Landes und mit all seinen TV- und Radiosendern der essentielle Durchlauferhitzer für heimische Populärkultur, betont ja bei jeder „Public Value“-Debatte seine rot-weiss-rote Identität. Warum sollte er nicht die Gelegenheit nützen, den für ein Medienunternehmen so wesentlichen „content“ Musik, eine ganze Generation von Kulturschaffenden und die für ein jüngeres Publikum weithin attraktiven heimischen Stars und Hits in einer Sendung zu verdichten, zu vermitteln und zu präsentieren?
Der „Amadeus“ hat in den letzten Jahren eine heftige Transformation – weg vom Major-Mainstream-Spektakel, hin zu einer von Web 2.0-Partizipation, Szenenähe und einer Portion Indie-Spirit getriebenen Präsentation – durchgemacht. Einiges davon liess unbedingte Durchdachtheit und Fingerspitzengefühl im Detail vermissen, vieles ging und geht in die richtige Richtung. Wenn man der Meinung ist – und ich bin es –, dass eine national definierte Szene einen anerkannten, öffentlichkeitswirksamen und anreizgebenden Preis benötigt, dann sollte man den „Amadeus“ nochmals anpacken. Aber richtig. Oder sanft entschlummern lassen. Und rasch eine Alternative – etwa parallel einen Kritiker- und einen Publikumspreis – forcieren.
Um gleich mal den Nutzwert jeglicher Variante zu erhöhen: die eine oder andere Preiskategorie sollte nicht nur „for art’s sake“, also Ruhm und Ehre willen, ausgeschrieben werden. Sondern auch mit probaten Sach- oder gar Geldspenden verbunden sein. Letztlich dreht sich (fast) immer (fast) alles um Geld.