Archive for Oktober, 2011

Mitteilung aus dem Maschinenraum

29. Oktober 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (133) Warum findet sich am Kiosk unter all den Frauen-, Garten- und Society-Blättern kein brauchbares Technik-Magazin?

Diese Kolumne soll einigen Leuten ein Denkanstoß sein. Im Idealfall sitzen sie auch in den oberen Stockwerken der heimischen Verlagshäuser. Es gibt nämlich, hat mir ein Medienfachmann erklärt, noch – nachdem die „Landlust“-Abteilung flächendeckend abgeerntet wurde und wird – eine deutlich erkennbare Marktlücke im Print-Sektor. Eine einzige. In Österreich. Und es sei erstaunlich, dass niemand sie besetze, also ernsthaft, nicht mit einem kunterbunten, schwachbrüstigen Verkaufsprospekt, der sich als kritisches, konsumentenorientiertes Magazin tarnt. Sondern wirklich auch eines ist. Und zwar mit dem Schwerpunkt Technik. In jeder erdenklichen Erscheinungsform.

Zwar haben wir dutzende (oder mehr) Auto-Zeitschriften, noch mehr Computer-, Mobiltelefon-, Video- und HiFi-Magazine (mit Verlagsadressen in München, Stuttgart, Hamburg oder Berlin) und nun liegt mit der deutschsprachigen Ausgabe von „Wired“ auch das Nerd-Zentralorgan an fast jedem (Bahnhofs-)Kiosk (allerdings, wie man mir steckte, nur als einmalige „Testausgabe“). Aber es fehlt etwas. Zumindest meinem Geschmack nach. Eine wirklich gutgemachte, ganzheitliche, geschmack- und gehaltvolle Illustrierte. Der rote Faden: erraten!

Technik – von Low bis High Tech, vom Schreibtisch-Gadget bis zum Atomkraftwerk – durchdringt unseren Alltag und unsere Wahrnehmung in (fast) jeder Sekunde unseres Daseins. Unsere Welt ist, ob wir das wollen oder nicht, zum „Maschinenraum“ geworden. Und sie verändert sich in einer solchen Rasanz, dass selbst Fachleuten die Spucke wegbleibt. Was nottut in einer solchen Situation, sind professionelle Spreu-vom-Weizen-Trenner. Sie sollten, nein: sie müssen das Handwerk des Journalismus beherrschen. Und sollten nicht davor zurückscheuen, ihren eigenen Chefs zu erklären, dass man darunter eher nicht Marketing, PR, Copy/Paste, Gefälligkeitsberichterstattung und Infotainment zu verstehen hat. Denn mit „Postjournalismus“ (der Ausdruck bezeichnet den traurigen Status Quo vieler – nicht aller – Content-Lieferanten) ist in der neuen Medienwelt garantiert kein Stich zu machen.

Weil wir schon dabei sind: das Medium selbst ist zweitrangig. Die Schwierigkeiten der Verlegerriege mit dem „elektronischen Kiosk“ lassen Konsumenten weitgehend kalt. Ich beziehe Informationen via iPad oder Samsung Galaxy Tab, per Radio, ORF-TVThek, YouTube oder Teletext genauso wie auf Papier. Die Schnelligkeit und Unmittelbarkeit eines elektronischen Kanals wird nicht selten durch den ergänzenden, ermüdungsfreien Genuss umfangreicher Hintergrundberichterstattung in Old School-„Holzmedien“ aufgewogen. Geschmackssache.

Also gebt mir alle Inhalte in jeder technisch denkbaren Form als Rundum-glücklich-Paket! Für Mogelpackungen wird sowieso niemand mehr die Geldbörse öffnen wollen.

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Klang der Planeten

23. Oktober 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (132) Bei extravaganten Lautsprecher-Konstruktionen entscheiden tendenziell öfter die Augen als die Ohren.

Eigentlich gibt es über Lautsprecher nicht mehr viel zu erzählen. Dachte ich. Man kann kleinere oder grössere Boxen wählen, sie klingen heute alle probat, sofern sie nicht dezidiert als „Restposten aus China“ verschleudert werden. Natürlich geht es immer auch besser als nur „gut“, das kommt dann auf die Brieftasche an. Und, von wegen „Hausfrauenfaktor“, auf den persönlichen Geschmack. Den Innenarchitekten, der in jedem von uns steckt. Ich behaupte: das Auge spielt beim Hören keine unwesentliche Rolle. Deswegen haben sich kleiderschrankgrosse, unförmige Konstruktionen und absonderlich anzusehende, exotische Hörkrücken nicht durchgesetzt. Das macht das HiFi-Topic Lautsprecher leider auch etwas langweilig.

Hellhörig wurde ich aber, als mir unlängst ein Freund von einer neuartigen, eigenwilligen Interpretation des Themas erzählte. Er hätte zwei „Planets“ der mir bis dato unbekannten Firma Duevel aus Deutschland bestellt. Und ich könne ihm gerne dabei helfen, sie auszupacken, anzuschliessen und warmzuspielen. Gesagt, getan. Vorweg: die Pakete waren vergleichsweise klein. Was zum Vorschein kam, erwies sich als nicht unwitzig: zwei bunt lackierte Holzkabinette mit nach oben abstrahlenden Hoch- und Mittel-/Tieftönern, über denen chromglänzende Kugeln zu schweben scheinen. Das Prinzip omnidirektional abstrahlender Lautsprecher ist gewiss nicht neu, aber die Idee, ein 360 Grad-Hörfeld zu beschallen, ist selten minimalistischer gelöst worden. Wahrscheinlich auch nicht eleganter. Und das bei Preisen im dreistelligen Bereich. Sofern man nicht eine Komplett-Verchromung ordert.

Die „Planets“ würden sehr stark polarisieren, hatte uns der Importeur gewarnt. „Entweder sie gefallen von vornherein. Oder eben gar nicht. Es gibt da kein Mittelding.“ In den USA wurden die Boxen, die einer schmucken Kunstinstallation gleichen, jedenfalls in eine Liste der „15 sexiest loudspeakers“ aufgenommen, das teuerste Paar etwa zum dreihundertfachen Preis der Duevels. Bingo! Allerdings, auch das ein Hinweis des Verkäufers, müsse man aufstellungsmässig schon experimentieren. Und eine gute Elektronik, etwa einen Röhrenverstärker, brauche es auch. Sonst könne doch eine gewisse Enttäuschung aufkommen. Nun: tat es gar nicht. Hören ist nun mal Geschmackssache. Dass die Musik etwas diffus im Raum wabert, darf ruhig auch als „interessant“ oder „angenehm“ gewertet werden.

Ich habe nun ein Kugelmugel-Paar gleich neben Test-Lautsprechern der Marke PSB (die unter Freunden als echte Geheimtipps gelten, aber konstruktiv vergleichsweise konventionelle Langeweile ausstrahlen) aufgestellt. Vielleicht gewöhnen sich meine Ohren ja noch an die extravagante Optik.

Servus & Pfiat‘ Di

15. Oktober 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (131) Das musste ja kommen – “Sankt Onlein”, eine heimische Alternative zu Facebook & Co.

Papier, Papier, Papier. Es verstopft meinen Postkasten. Und es ist immer die falsche Sorte Papier: Mahnungen, Rechnungen, Werbeprospekte, H.C.Strache-Flugblätter und sonstiger Müll. Hat kein Mensch bestellt. Seltsamerweise schafft es die Post nicht (oder jedenfalls nicht regelmässig), mir jene Papierprodukte in den Briefschlitz zu stecken, die ich abonniert habe und tatsächlich auch gerne in Empfang nehme. Die wöchtliche Ausgabe des „Spiegel“ etwa, das „profil“, das „Format“, „Datum“ und ein paar ausgesuchte Fachmagazine. Alle paar Wochen urgiere ich, mir diese Printerzeugnisse pünktlich und verlässlich zuzustellen, aber es klappt nicht recht.

Ägerlich. Und zu allem Überdruss verhöhnt mich dann noch die „Wiener Wirtschaft“. Das gruselig designte, dafür weitgehend inhaltlose Zentralorgan der Wirtschaftskammer liegt nämlich immer im Postfach. Unerbittlich. Woche für Woche. Unlängst erst mit der heissen Schlagzeile „Internet treibt Wandel der Medienbranche voran“. Oho! Ich stelle mich schon innerlich darauf ein, dass uns Frau Jank und Herr Leitl nur mehr aus dem World Wide Web entgegengrinsen. (N)on demand. Ein wenig Zeit – und eine letzte Gnadenfrist für die Post AG, die, nebst anderen an den Tonnen unverlangt zugesandten Zeitungspapiers gut verdient – wird uns vor diesem radikalen Schnitt noch bleiben. Schätzomativ so fünfzehn bis fünfunddreissig Jahre.

Aber auch das Elektropostfach quillt über. „Du bist als Freund hinzugefügt worden“, verriet mir diese Woche unschuldig ein e-mail. Wie bitte?, dachte ich bei mir, ich habe doch schon fünftausend Facebook-Freunde, mehr geht nicht. Aber es war nicht Marc Zuckerberg, der anklopfte. Sondern Sankt Onlein. Das ist kein Scherz. Sondern, so die Eigendefinition, „die digitale Hauptstadt Österreichs“. Eine Art Austro-Variante von Facebook, Google+ & Co. Man wird hier mit „Servus“ begrüsst und trifft „seine Leut’“. Folgerichtig wird man hier auch nicht „befriendet“, sondern muss sich an „An-Leuten“ gewöhnen. Der Hausmeister heisst Anton.

Die zentrale Agora ist „Der Onleiner“, wiederum laut Eigenangabe „Österreichs erstes Social Newspaper“. Da lächelt mir auf der Titelseite Hubert von Goisern entgegen. Und gleich daneben Bernd Schlacher, jener Szene-Gastronom, der mir die Sankt Onlein-Einladung übermittelt hat. Danke. Aber bin ich in Nachbarschafts-Digitaltratschlaune? Und braucht es wirklich eine regionale Alternative zu den globalen Social Media-Giganten (die auch so ihre eigenen Probleme haben oder verursachen)? Wir werden sehen. Ist ja auch eine Zeitfrage. Jedenfalls fällt der Abschied technisch-bürokratisch leichter als bei Facebook. Der entsprechende Button heisst schlicht „Pfiat’ di“.

Jobs, Hope, Cash.

7. Oktober 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (130) Der Tod als letzte Provokation. Die Nachrufe auf “iGod” Steve Jobs strotzen vor Pathos, evozieren aber auch ernüchternde Bigotterie.

Man kommt nicht vorbei an diesem Mann. Und seinem stillen, inmitten all des medialen Lärms denkwürdigen Abtritt. „Steve Jobs war wahrscheinlich der einflussreichste Mensch in meinem Leben. Nein, er war keine Vaterfigur, kein Idol oder Vorbild – er hat mich schlichtweg mit den Werkzeugen ausgestattet, mit denen ich meine Existenz gestaltet und bestritten habe.“ Soweit der FM4-Moderator Dave Dempsey in einem berührenden, weil sehr persönlichen Nachruf auf den Unternehmer und IT-Visionär, der trotz seiner Dollar-Milliarden der Geissel Krebs kein Schnippchen schlagen konnte.

Ich schliesse mich dem Vorredner an. Faktisch. Aber auch ideologisch. Denn das Abschauen, ja Klauen ganzer Gedankenzüge und Erfindungen war ein Wesenszug des Apple-Chefstrategen. Kein sympathischer, aber eventuell ein notwendiger. Für einen Treffer im unentwegt tobenden „war of ideas“ auf dem globalen Business-Schlachtfeld hätte er wahrscheinlich seine Großmutter verkauft. Aber tun wir das nicht alle? „10 years ago we had Steve Jobs, Bob Hope and Johnny Cash. Now we have no Jobs, no Hope, no Cash.“ Der gedämpfte, weil dem Status Quo des Landes der „unbegrenzten Möglichkeiten“ entsprechende Lacher des p.t. Publikums gehört mir, die Quelle ist aber: Twitter. Der Autor: unbekannt. Der Sukkus: trefflich.

Zugegeben: viele Nachrufe strotzen vor Pathos. Jeder Kult schiesst übers Ziel. Und die leise Ironie 2.0, die sich da und dort in die Trauer der weltweiten Apple-Konsumentenschar mischt (das auf Facebook kursierende Bild mit einer Kerze, die auf einem iPhone flackert, das wiederum vor einem iPad mit dem offiziösen Jobs-Foto placiert ist, ist ein gutes Beispiel dafür), wird auch nicht von jedermann verstanden.

Die Bigotterie weiter Teile der Bevölkerung dieses Planeten zeigt sich allerdings in der Pro- & Contra-Debatte, die sogleich als schrille Begleitmusik zum Gedenken an einen „Tyrannen & Visionär“ („Die Presse“) anhub. Ja, der „iGod“ war kein Heiliger. Und wir alle kennen die Meldungen, dass sich Arbeiter in den Foxconn-Zulieferfabriken in China – wo nicht nur Apple-Geräte, sondern so ziemlich alle PCs und Laptops aller Marken zusammengebaut werden – ob der desaströsen Arbeitsbedingungen reihenweise aus dem Fenster stürzten. Ob aber all die politisch hyperkorrekten Schmähungen auf einen „Turbokapitalisten im Schafspelz“ und „elitären Rattenfänger“, die sich – auch – in die Betroffenheit und Trauer („reiner PR-Gag“) mischen, den „unerwähnt bleibenden Hungertoten in Somalia“ weiterhelfen, sei dahingestellt. Und worauf tippen die Hasspriester & Tugendwichtel ihre Wortmeldungen in all die Threads und Foren?

Eines muss man dem unbestrittenen Marketing-Genie Steve Jobs lassen: er hat Technik mit Emotionen aufzuladen verstanden wie sonst niemand. Sein Tod war das letzte Beweisstück.

Jobs & wir

6. Oktober 2011

„Der Tod ist die beste Erfindung des Lebens“. Dieser Gedanke ist, bei aller Traurigkeit des Anlasses, Musik in meinen Ohren. Denn der Tod, der Abschied, das Hinter-sich-Lassen ist ein Produktivfaktor. „Krise ist“, wie Antonio Gramsci postulierte, „wenn das Alte stirbt und das Neue nicht geboren werden kann“. Und wir alle stecken tief in der Krise. Und müssen irgendwie herausfinden. Nur einer nicht (mehr).

Der Tag, an dem ich diese Zeilen in den Computer hämmere, ist ein denkwürdiger. Nicht nur, dass sich die Anzeichen mehren, dass demnächst Griechenland endgültig pleite ist (welche Auswirkungen dieser Umstand auf Europa und den Rest der Welt hat, wird sich erst weisen). Der Tag wird uns auch in Erinnerung bleiben als jener, an dem Steve Jobs starb. Oder, wohl präziser, als jener Tag, an dem sieben Milliarden Menschen erfuhren, dass einer nicht mehr unter ihnen weilt, den man bis in die hintersten Winkel dieses Planeten kennt. Der Gründer und Kopf der Firma Apple mit Sitz in Cupertino, Kalifornien wurde umgehend in Nachrufen als „Visionär“, „kreatives Genie“ und „IT-Revolutionär“ gewürdigt. Eine fast schon messianische Zuschreibung für einen manischen Marketing-Maschinisten und Unternehmer, der tatsächlich die Informationstechnologie, die Medien- und Entertainment-Branche der letzten drei Dekaden geprägt hat. Auch – und zuvorderst – die Musikwelt.

Und das in mehrfacher Hinsicht. Einerseits hat sich der Computer rasant als wesentliche Innovation, als zentrales Tool des Musiker-Daseins des 21. Jahrhunderts erwiesen (und es ist kein Zufall, dass gerade Geräte mit dem Apple-Logo besonders beliebt bei Musikern, Grafikern, Schreibern und Kreativschaffenden generell waren und sind). Als (Universal-)Instrument ist der PC – die Gattungsbezeichnung schliesst Macs selbstverständlich ein – historisch ähnlich wichtig wie die erste, aus Bein geschnitzte Flöte, die Trommel, die Geige, die Elektrogitarre oder das Klavier. Einerseits lassen sich dem Gerät Töne aller Art entlocken, andererseits hat es längst unzählige zusätzliche Funktionalitäten in sich aufgesogen: vom Synthesizer bis zum kompletten Tonstudio. Ein handlicher Laptop ersetzt heute oft ein meterbreites Mischpult, ganze Racks und Regale voll Hardware und hinterdrein – zumindest metaphorisch, oft aber auch real – auch noch Plattenfirmen, Vertriebslagerhäuser, CD-Stores, Radiosender und Konzertbühnen. Dass ich diese Zeilen auf einem MacBook Air schreibe und gleichzeitig Johann Sebastian Bachs gleichnamige Suite höre, hätte sowohl dem Komponisten Bach wie auch dem Produktfetischisten und Musikliebhaber Jobs gefallen.

Andererseits ist Musik – von wegen „Air“ – ein freies, atmendes, nicht greif- und fassbares Fluidum, das sich auch von noch so ausgeklügelter Hardware nicht in noch so elegante Aluminiumformen zwingen lässt. Das wusste wohl auch Steve Jobs. Und er wusste noch mehr: wenn man Musik von ihren „Tonträgern“ befreit – den Wachszylindern, Schellacks, Schallplatten, Tonbändern, MusiCassetten und anderen historischen Begleiterscheinungen des „Festhaltens“ eines flüchtigen Momentums –, dann hat das revolutionäre Folgen. Implikationen, die nicht nur die Art und Weise, wie wir Musik erzeugen, sondern auch, wie wir sie wahrnehmen, besitzen, nutzen, suchen, finden, transportieren, katalogisieren, bezahlen und hören grundlegend verändert.

Es gibt ein Foto von Steve Jobs, das zu meinen Lieblingsfotos überhaupt gehört: es zeigt einen Mann alleine in einem grossen, fast leeren Zimmer, im Schneidersitz auf dem Holzboden sitzend, sehr entspannt, dabei sehr konzentriert. Man schreibt das Jahr 1982. “This was a very typical time. I was single. All you needed was a cup of tea, a light, and your stereo, you know, and that’s what I had” hat Jobs selbst dieses annähernd ikonografische Bild kommentiert. Eine Tasse Tee, eine Lampe – und eine Stereoanlage. Plus ein Stapel Schallplatten. Musik als Lebens-, Überlebens-Mittel.

Jobs war als Kind der Rock’n’Roll-Ära, der Sixties und Seventies (und damit der vielleicht spannendsten Pop-Ära überhaupt) untrennbar mit dem Sound seiner Zeit und den Ideen, die er transportierte, verbunden. Das zeigte sich schon beim Firmenschild seines Garagenunternehmens – die Beatles hatten eines gleichen Namens. Und Jobs hat auch später, viel später noch darüber nachgedacht, wie er den Musikern und kulturellen Meinungsführern etwas zurückgeben könnte. Eventuell mehr als der Durchlauferhitzer Musikindustrie selbst. Denn iTunes wurde zur führenden Software, der iTunes Music Store zur ersten legal aufgesetzten, kommerziell funktionierenden Download-Plattform und der iPod zur „ersten kulturellen Ikone des 21. Jahrhunderts“, wie der Soziologe Michael Bull der englischen Universität Sussex verkündete. Über das iPhone und die bislang neueste Inkarnation, das iPad, brauchen wir gar nicht diskutieren: Steve Jobs und seine Mitstreiter haben seit der Jahrtausendwende den Musikmarkt annähernd auf den Kopf gestellt.

Es ist ein gewaltiger, positiver Treppenwitz der Geschichte, dass sich diese intensive biografische und marketingtechnische Verzahnung mit der Pop-Kultur als Rettung für den lange Jahre maroden Computer-Hersteller erwies – und letztlich sogar als alchemistische Zauberformel schlechthin: der neuerdings scheinbar „wertlose“ Treibstoff Musik war es, der Apple – über den Verkauf von innovativer Hardware – zum zeitweise wertvollsten Konzern dieses Planeten wachsen liess.

Man muss nicht jedes Detail der Entwicklung gutheissen (über die Restriktionen von iTunes ärgern sich z.B. täglich Millionen User, aber es gibt auch gute Gründe dafür, warum die Software so ist wie sie ist), wird aber – zumindest als publikumszugewandter Künstler, Label-Betreiber oder Musikmanager, eventuell aber auch als auf Autarkie bedachter Selbstvermarkter – einige noble, clevere und edukative Züge in der Apple-Philosophie entdecken. „It’s not stealing – it’s good karma“ ist einer davon. Natürlich schwingt da ein gehöriges Quäntchen Pathos mit. Aber wo bitte in Zeiten wie diesen tut es das nicht?

Jobs mag sich später von der hippiesken Feelin’ Good-Lifestyle-Ideologie entfernt haben. Manche meinen gar, Apple wäre heute der gleiche Hort des Bösen wie jedes börsennotierte Grossunternehmen. Oder gar schlimmer: ein Konzern, der vom libertären David zum restriktiven Goliath mutiert sei. Zum arroganten Kontroll-Freak. Und zur fettgefressenen Cashcow. Ich persönlich sehe das nicht so: die Stringenz, Sicherheit und Verlässlichkeit der nutzerorientierten Politik von Apple überwiegen alle Einschränkungen gegenüber einer bisweilen ins grotesk Anarchistische kippenden, grenzenlosen User-Freiheit. Man kann mit guten Gründen aber auch der exakt konträren Meinung sein. Letztlich steckt die Diskussion noch in den Kinderschuhen: der Gesetzgeber, aber auch der Konsument konnte mit den Entwicklungen der letzten drei Jahrzehnte kaum Schritt halten.

Ob uns Orwell blüht oder doch eher das digitale Elysium, kann der wesentliche Schrittmacher der Industrie, Steve Jobs, nicht mehr persönlich mitbestimmen. Aber wir können es. Als Musiker, als Kreative, als Bürger, als Menschen. Und wir sollten, abseits von allem Pathos, das heute und morgen und wahrscheinlich noch lange in all den Nachrufen, Würdigungen, Grabreden und persönlichen Erinnerungsstücken (mit nur wenigen Gegenstimmen) mitschwingt, ab und an einige Zeilen von Jobs memorieren. Zeilen und Worte, die auf den Punkt bringen, worum es eigentlich geht, wenn es überhaupt um etwas geht. Um den kreativen Geist. Um den Willen zur Veränderung. Um das Leben selbst.

„Der Tod ist höchstwahrscheinlich die beste Erfindung des Lebens. Er ist der Vertreter des Lebens für die Veränderung. Er räumt das Alte weg, um Platz zu machen für das Neue. (…) Deine Zeit ist begrenzt, also verbrauche sie nicht, um das Leben anderer zu leben. Sei nicht gefangen von dem Dogma – welches sagt, dass Du mit den Resultaten der Gedanken anderer Leute leben musst. Lass’ nicht den Krach anderer Meinungen die eigene innere Stimme zum Verstummen bringen. Und das Allerwichtigste, habe den Mut, Deinem eigenen Herzen und der Intuition zu folgen. Die wissen irgendwie schon genau, was du wirklich sein willst. Alles andere ist zweitrangig.“

Danke, Steve Jobs. Ruhe in Frieden (der Himmel könnte durchaus eine neue Benutzeroberfläche brauchen, die alte – „Religion“ – wirkt ziemlich angestaubt). Und jetzt: Musik.

Das Hansi Hinterseer-Dossier

1. Oktober 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (129) Langsam spricht es sich herum, dass der “gläserne Mensch” längst Realität ist.

Legen Sie es mir bitte nicht als Egozentrik aus. Ich wäre ja höchst interessiert daran, zu erfahren, welche Daten über mich an welchen Orten abgespeichert sind. Einerseits natürlich jene, die ich, Stichwort Facebook, freiwillig preisgebe. Oder auch unfreiwillig, dann aber unbedarft & unbedacht. Andererseits jene Gigabyte an Informationen, die Geschäftspartner, Info-Broker, Parteizentralen, TeleKoms, Dienstleister und Warenhäuser, Social Media-Plattformen, Provider, Banken, Behörden und sonstige Pappenheimer gesammelt haben. Und weiter unermüdlich sammeln.

Gelegentlich stösst man da ja auf denkwürdige Einträge. Wie mag sich etwa die ehemalige ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer gefühlt haben, als sie ihren Namen auf der „Extremismusliste“ des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung entdeckte? Oder die singende Ski-Legende Hansi Hinterseer, als Zeitungen in fetten Lettern auf der Titelseite verkündeten, Hinterseers Krankenakte wäre „geknackt“?

Offensichtlich bedarf es ja solch stupender Exempel, um das spröde Thema Datenschutz und dessen Status Quo zu illustrieren. Und einer breiteren Bevölkerungsschicht nahezubringen. In Zeiten, wo – die Metaphorik wird bisweilen von der Realität überholt – die Unfallfotos und Röntgenbilder von Versicherungsnehmern, Kontodaten von ORF-Gebührenzahlern, Privatadressen von Polizisten (die wiederum, sofern sie nicht mit dem Aufrufen von Porno-Seiten beschäftigt sind, ungeniert auf die Datenprofile unbescholtener Staatsbürger zugreifen können) und jede Menge sonstiger sensibler Informationen mehr oder minder offen zugänglich sind, dämmert es allmählich auch den naivsten Mitgliedern unserer Gesellschaft, dass hier einiges im Argen liegt. Selbst Verfechtern der „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“-Idiot-, pardon, -Ideologie.

Zu strukturellem Schindluder gesellt sich individueller. Wer z.B. gestern noch Innenminister war und sich heute vor Korruptions-Ausschüssen wiederfindet, legt zwar eventuell – weil eh schon wurscht! – auf „Reputationsmanagement“ keinen gesteigerten Wert mehr, muss sich aber mit der Tatsache herumschlagen, dass auch die Enkelkinder via Google-Sündregister oder Facebook-Timeline bis in alle Ewigkeit mit den eigenen Verfehlungen konfrontiert sind. Und den daran klebenden Unschuldsvermutungen. Personensuchmaschinen wie „Yasni“ oder „123 People“ greifen zudem zwar auch „nur“ auf öffentlich zugängliche Datensätze zurück, verdichten sie aber zu regelrechten Dossiers.

Und, hallelujah!, was wissen dann erst Anonymous, WikiLeaks, Mark Zuckerberg, Maria Fekter, Google, Amazon, die CIA, die Chinesen, die Nordkoreaner, das Verkehrs-, das Finanz- und das Salzamt? Oder der eigene Chef, der zu gern die e-mails mitliest – und längst weiß, was ich hier über ihn schreibe?

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