Archive for November, 2011

Jeder Leser zählt

26. November 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (137) “Spotify”, die Zukunftshoffung der Musikindustrie, setzt auf die Geduld der Künstler und Labels. Und ihre Erpressbarkeit.

Es wird Ihnen nicht verborgen geblieben sein – nicht zuletzt, weil ich gerne über HiFi, Unterhaltungselektronik und Audio-Web-Innovationen schreibe –, dass ich im Musikgeschäft tätig bin. Das bedeutet, Künstler zu produzieren, ihre Werke zu verlegen und zu vermarkten und generell gemeinsam aus „Copyrights“ Profit zu schlagen. Damit wird man schon lange nicht mehr reich, nicht einmal dem Klischee nach. Eher im Gegenteil: die Musikindustrie gilt heute als Heimstätte verarmter Ex-Prunk- und Protzsüchtiger. Tatsächlich leiste ich mir mein kleines Label als exaltiertes Hobby. Leben tu’ ich vom Kolumnen-Schreiben (kleiner Scherz am Rande).

Werden wir wieder ernst. Stellen Sie sich vor, ich würde für meine Texte nicht pauschal oder per Zeilenhonorar bezahlt, sondern ihrer Leserzahl nach. Sie bestimmen und vermehren also jetzt gerade – danke! – mein Einkommen. Man muss nur, so meine Fiktion, exakt messen, wieviele Rezipienten diese Kolumne wirklich hat. Auf Papier. Und online (da funktioniert das übrigens tatsächlich schon). Und am Ende des Jahres würde man mir die Quantitäten schwarz auf weiss mitteilen, im Form einer Abrechnung und eines Schecks.

Bis dahin allerdings erfahren ich nicht, was ein Leser wert ist. Es geht nur das Gerücht um, es handle sich gerade mal um den Bruchteil eines Cents. Ich muss mich zwangsläufig überraschen lassen. Weder der Chefredakteur noch der Verband der Zeitungsherausgeber, auch nicht die Journalistengewerkschaft und schon gar nicht die zuständige Verwertungsgesellschaft wollen vorab irgendwelche Angaben machen. Sie können die entscheidenden Zahlen übrigens auch nicht kontrollieren. In keinster Weise. Dennoch: das sei ein neues, innovatives, revolutionäres Konzept, bekommt man von allen Seiten zu hören, die Konsumenten lechzten förmlich danach, es werde sich schon bezahlt machen. Und damit basta.

Würden Sie ein solches Geschäftsmodell – für die einen mag es möglicherweise eines sein, für die anderen, zuvorderst die kleinen Lieferanten, klingt es wie purer Hohn – akzeptieren? Eben. Aber ihr Protest bleibt schwach. Erstens wissen Sie noch nicht, was tatsächlich dabei rausschaut. Und zweitens gibt es keine Alternativen. Die Industrie-Grössen und traditionellen Medienhäuser meinen nämlich, die Gesamtsituation (oder zumindest ihr Part darin) werde im Digitalzeitalter immer desaströser, man sitze ja in einem gemeinsamen Boot und nur so sei es vor dem Untergang zu retten. Leise seufzend, bisweilen auch laut fluchend rudern Sie dem Hoffnungsschimmer am Horizont entgegen.

Eine Schimäre? Nein, nur ein Sinnbild für das Modell „Spotify“ (ich hatte Ihnen diese Streaming-Plattform für Musik ja avisiert. Und vergangene Woche ist sie tatsächlich auch in Österreich gestartet.) In den letzten Tagen sind die Fragen zu „Spotify“ & Co. nicht geringer geworden. Eher das Gegenteil.

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Occupy yourself!

19. November 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (136) Das “Amtsgeheimnis” steht in Österreich in der Verfassung. Eventuell aber bald auch nicht mehr.

Eigenartig. Ich dachte, wir leben in einer „Informationsgesellschaft“. Wikipedia, der neumoderne Brockhaus, versteht darunter ein Gemeinwesen, das – nicht starr definiert – auf Informations- und Kommunikationstechnologien beruht. Die nächste Entwicklungsstufe wäre die „Wissensgesellschaft“. Apropos: schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts prognostizierte der Jesuit Pierre Teilhard de Jardin („Der Mensch im Kosmos“) eine weitreichende Vernetzung und die Wandlung des Planeten von einer Biosphäre in eine Soziosphäre. Klingt kompliziert, ist aber nicht unspannend, sich in die Materie einzulesen. Visionäre erahnten den „Information Highway“ Internet bereits, als der Personal Computer noch nicht mal im Ansatz erfunden war. De Jardins Schriften wurden bezeichnenderweise vom Vatikan kritisch beäugt oder gar verboten.

Aber nicht die Kirche soll hier im Zentrum der Betrachtungen stehen, sondern der Staat. Angeblich sind das ja wir selbst. Zum Staat gehört jedenfalls, auch das weiss Wikipedia, „eine politische Instanz, die zur Schaffung und Wahrung von Recht und öffentlicher Ordnung in der Gesellschaft zuständig ist und diese mittels einer Verwaltung, dem Staatsapparat, auch durchsetzen kann“. Es gilt das „Primat der Politik“, auch wenn Norbert Darabos darüber wahrscheinlich nur milde lächeln kann. Freie, umfassende, der Allgemeinheit zugängliche Information ist die Basis jeglicher Demokratie.

Warum dann aber selbst parlamentarische Volksvertreter in Untersuchungsausschüssen mit geschwärzten Akten, Staatsgeheimnissen und Informationssperren konfrontiert sind, ist eine gute Frage. Transparenz, das aktuelle Schlagwort schlechthin, gilt in vielen Amtsstuben, Parteizentralen und Chefbüros immer noch als Beschwörung des Teufels. Plötzlich wird strikt auf „Datenschutz“ geachtet, wo sich sonst kaum jemand darum schert. Kategorisch trifft der „gläserne Bürger“ auf non-transparente, undurchlässige, seit jeher verhärtete Strukturen. Den Kaufvertrag des „Eurofighters“ etwa werden wir unmündigen Trottel nie zu sehen bekommen.

Transparenz erscheint unzumutbar. Denn eigentlich, meinen die Vordenker und Lenker dieses Landes, leben wir ja in einer „Neidgesellschaft“. Und deswegen dürfen z.B. Gehälter, Beraterhonorare, Besitzverhältnisse, Lobbyistenlisten, Privilegien, Sonderverträge und Ausnahmeregelungen, Sitzungsprotokolle, Stiftungskonstruktionen und Korruptionistenkonten tunlichst nicht offengelegt werden. Selbst wenn es aus der verschlossenen Schatulle seit Jahr’ und Tag zum Himmel stinkt. Die Zivilgesellschaft wird das, jetzt spiel’ ich mal Visionär, wohl nicht mehr lange akzeptieren.

Im übrigen bin ich der Meinung, dass der löbliche „A1 Open Society Award“ der Telekom – ja, wir erinnern uns an die Schlagzeilen und Berichte der letzten Monate! – an die Transparenz-Plattform „Amtsgeheimnis.at“ gehen sollte.

Wunschkonzert

16. November 2011

Streaming Services wie „Spotify“ mischen den Musikmarkt auf. Diese Woche startete der schwedische Anbieter auch in Österreich. Revolution, Evolution oder Irrweg?

„Das Internet setzt Realitäten und der Musikmarkt hechelt hinterher.“ Der Kommentar von Philipp Dorfmeister zum Österreich-Start des Streaming-Dienstes „Spotify“ fällt demonstrativ trocken aus. Philipp Dorfmeister ist nicht nur ein Bruder des ungleich bekannteren Künstlers Richard („Kruder & Dorfmeister“), sondern auch einer der wenigen Branchen-Grosshändler, die den Sprung in das 21. Jahrhundert geschafft haben. Mit dem Digital-Vertrieb „Ordis“ beliefert er weltweit Download-Plattformen wie iTunes oder Amazon mit immateriellen Gütern. Der überwiegende Teil seiner Kunden sind heimische Labels.

Ab sofort steht Philipp Dorfmeister und seinem Team noch mehr Arbeit ins Haus: mit einem Gesamtangebot von über 15 Millionen Songs will „Spotify“ innert weniger Wochen mehr als 200.000 User erreichen. Quasi auf Knopfdruck können neben Rosenstolz, David Guetta und Amy Winehouse auch annähernd alle Produktionen österreichischer Künstler abgerufen und angehört werden – so führen aktuell Hubert von Goisern („Brenna tuats guat“) und der „Volks-Rock’n’Roller“ Andreas Gabalier die „Spotify“-Charts an.

Hineinschnuppern ist gratis, verlangt aber – massiv kritisiert von potentiellen Interessenten – einen Facebook-Account. Die enge Verzahnung mit der Social Media-Datenkrake ist Teil der PR- und Geschäfts-Strategie. Wenn man Musik geniessen will, ohne zwischendurch von Werbung belästigt zu werden, kostet „Spotify“ 4,99 Euro im Monat. Für die doppelte Summe kann man auch offline und per Mobiltelefon auf das annähernd unerschöpfliche Archiv zugreifen, zudem in besserer Audio-Qualität. Das „Freemium“-Angebot ist zweifelsfrei attraktiv. Etwa ein Fünftel aller User werden zahlende Kunden.

Das Cloud-Service durchbricht das Paradigma, dass Fans und Liebhaber ihre Lieblingsmusik in Form von Tonträgern oder MP3-Files „besitzen“ wollen. „Spotify“ hat die Anmutung einer Radio-Station, deren Programmchef einem täglich aus dem Spiegel entgegenlacht. Vergleichbare Anbieter heissen „Simfy“, „Pandora“, „Rdio“ oder „Grooveshark“, letzterer operiert knapp an (oder jenseits) der Grenze zur Illegalität. Auch Apple, Google und andere Web-Giganten bereiten ähnliche Services vor. „Man hat der Musikindustrie gern vorgeworfen, die digitale Revolution verschlafen zu haben“, erläutert „Spotify“-Europachef Jonathan Forster. „Aber derzeit ist sie innovativ und progressiv wie nie zuvor.“

„Spotify“ ist der Sieg des Prinzips Bequemlichkeit über die vergleichsweise Mühsal und moralische Fragwürdigkeit des Musikdiebstahls in Form von Peer-to-peer-Netzwerken, des Klonens gigabytepraller Festplatten und der Nebenher-Nutzung von YouTube als Audio-Jukebox. „Wir freuen uns über den Markteintritt jedes Anbieters, der das Urheberrecht respektiert“, kommentierte folgerichtig der Generaldirektor der AKM, Gernot Graninger, den Coup. Die spezifische Vereinbarung mit dem schwedischen Unternehmen wird aber – nicht zuletzt der Konkurrenzsituation zu europäischen Schwester-Urheberrechtsgesellschaften wegen – keineswegs detailliert klargelegt. Künstler, Verlage und Labels müssen abwarten, welche Summen der von ihnen gelieferte Business-Treibstoff wert ist.

Pragmatiker meinen, jeder Cent, den man den Piraten entreisse und der „Generation Gratis“ abknöpfe, sei ein Gewinn. Pessimisten verweisen auf die Intransparenz der Musik-Maschinerie 2.0 und die stupend niedrigen Erträge, die bislang in Aussicht gestellt werden – jeder Abspielvorgang sei gerade mal 0,0003 Cent wert. Für ein durchschnittliches Monatseinkommen von rund tausend Euro muss ein Musiker vier Millionen User erreichen. Dennoch: „Wir haben bisher über 100 Millionen Euro ausgezahlt“, merkt Forster an. „Für die schwedische Musikindustrie etwa sind wir längst die wichtigste Einnahmequelle.“

Vor fünf Jahren startete „Spotify“, gegründet von Daniel Ek und Martin Lorentzon, im Heimatmarkt. Schon 2009 zählte man eine Million Nutzer. Bislang ist der Dienst in Skandinavien, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Holland und den USA legal und unkompliziert nutzbar. Dass Österreich – noch vor dem „Grossen Bruder“ Deutschland, wo der AKM-Pendant GEMA hinreichend Widerstand leistet und deutlich bessere Konditionen für seine Klienten herausschlagen möchte – sich nun in diese Liste einreiht, überraschte selbst Branchen-Insider. „Ich habe einen Business Development-Manager bei einem weissen Spritzer davon überzeugen können, dass wir alle notwendigen Verhandlungen für ein „Roll Out“ in sechs Monaten schaffen“, plaudert der Wiener Statthalter des weltgrössten Musikkonzerns Universal und Präsident des Lobbyingverbands IFPI, Hannes Eder, aus dem Nähkästchen. „Legale Streaming-Plattformen wie Spotify sind für uns überlebensnotwendig. Daher die offensive Einladung.“

Gerade in Zeiten turbulenter Umbrüche – erst vor wenigen Tagen schluckte Universal den langjährigen Major-Konkurrenten EMI Records, der Verlagsarm des britischen Traditionsunternehmens ging an Sony Music – könnte sich dieses Wagnis langfristig als „Erfolgsstory“ (so der Branchendienst „MediaNet“ schon vorab) erweisen. „In allen Ländern, wo Spotify am Markt ist, werden deutlich steigende legale Downloads und ein Rückgang der Piraterie um bis zu 25 Prozent beobachtet“, so Eder. Auch kritische Branchenexperten schlagen in dieselbe Kerbe, wenngleich ihre Schlußfolgerungen gerade für die Major-Konzerne keine rosigeren Zukunftsaussichten bieten. Erfahrungswerte, welche Kannibalisierungseffekte ein Streaming-Shangri La für konservativere Vermarktungsformen, unabhängige Nischenanbieter und Off-Mainstream-Künstler bedeutet, stehen aber noch aus.

Wie zufällig häufen sich Gerüchte, schon 2012 würden die verbliebenen „Grossen Drei“ Universal, Sony und Warner Music das CD-Format begraben. Wenn die Gewinne aus Internet-Dienstleistungen – die Majors und der Indie-Verband Merlin haben sich an der Schwedenbombe strategisch beteiligt – das Erlöspotential der Silberscheiben übersteigen (statistisch gesehen kauft jeder Österreicher pro Jahr 1,19 CDs), könnte das tatsächlich rascher geschehen als erwartet. Noch schreibt „Spotify“ aber, den Gesetzen der Web-Ökonomie folgend, operativ keine schwarzen Zahlen.

Spotify in Österreich gestartet

15. November 2011

Folge mir auf Spotify

Mehr dazu demnächst in diesem Theater. Stay tuned.

Tante Jolesch empfiehlt

12. November 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (135) Ob noble Zeitmesser oder luxuriöse High End-Unterhaltungselektronik – “teuer” ist kein technisches Kriterium.

Ziemlich grosse Auswahl an Luxus- und Spielzeug-Messen dieser Tage, muss man schon sagen. Hat wohl mit der rapide dräuenden Adventszeit zu tun. Wobei mit „Spielzeug“ hierorts natürlich Gimmicks, Gadgets und technische Zauberapparaturen für das Kinderherz in uns allen gemeint sind. Das kann schon ziemlich ins Geld gehen, aber wollen Sie Ihre Spargroschen wirklich den EU-Finanzministern in den Rachen werfen? Dann schon lieber handfeste Anschaffungen für den heimeligen Hobbykeller und privaten Maschinenraum.

So muss ich mich am Wochenende entscheiden, ob ich einmal mehr die „Klangbilder“ besuche, Österreichs Messe für hochwertige Unterhaltungselektronik im Hilton Plaza Hotel am Schottenring. Oder, erstmals in meinem Leben, die „Viennatime“ im MAK am Stubenring (kombiniert ergibt das, nebstbei, eine wunderbare Herbstwanderung entlang der Wiener Ringstrasse). Hier werden Uhren ausgestellt, und zwar – Vollmundigkeit ist Trumpf! – „die feinsten Uhren der Welt“. Und derlei entwickelt schon eine gewisse Anziehungskraft. Womit soll sich ein Mann denn sonst schmücken? Braucht unsereins laut der guten, alten Tante Jolesch doch nicht schöner zu sein als ein Aff’, weil alles darüber Hinausgehende Luxus wär’. Und damit kommen, wenn man sich keine Goldketterl oder HipHop-Protzplaketten um den Hals hängen will, die Uhrmacher ins Spiel.

Tatsächlich weiss ich nicht, was ich insgeheim mehr bewundere: das Geschick der Branche, den Drang der Kundschaft nach Distinktionsgewinn so auszunutzen, dass ihre Erzeugnisse ungeniert um das zigzigzig-Fache ihres Material- und Herstellungswerts an den Mann (und die Frau) gebracht werden können. Oder Eitelkeit, Mode und dezente Prunksucht als Motoren der Menschheitsgeschichte per se. Die Werbeprospekte und Inseratenstrecken von Uhren- und Juwelenhändlern, zumal vor Weihnachten, sprechen Bände.

Andererseits sind all die feinmechanischen Wunderwerke, das Herauskitzeln konstruktiver Unterschiede und nobler Unterscheidungsmerkmale und die ständige Abwandlung und Neuinterpretation eines ewig gleichen Themas ein Faszinosum an und für sich. Ähnlich der Welt der High Fidelity und Upper Class-Unterhaltungselektronik besteht die Gefahr, dass sich vorrangig gelangweilte ältere Herren dem Thema widmen, aber noch kann ich als Unter-50-Jähriger gegensteuern.

Wobei ich ung’schaut drauf vertraue, dass die mich mit meiner im Duty Free-Bereich des Flughafens Dubai erworbenen Billigsberger-Timex überhaupt hineinlassen in ihre heiligen Hallen. Oder mit einer der vielen Swatches, die ich mein eigen nenne. Die gefälschte Rolex lass’ ich eh daheim.

The Quality Of Othmar Is Not Strnen

5. November 2011

Am 10. November 2011 spielen The Mekons in Wien. Im „Chelsea“. Wo sonst auch? Und ich vermute, dass der Auftritt der britischen Punk/Wave-Legenden einen besonderen Grund hat: das 25-Jahre-Jubiläum des Lokals am Wiener Gürtel. Prosit!

Ich bin ein Deadline-Junkie. Es ist ein fataler Fehler, wenn man mir zeitgleich mit der charmant-nachdrücklichen Aufforderung, einen Text zu schreiben („Wos zum 25-Jahr’-Jubiläum, waast eh…“), quasi unbegrenzt Zeit dafür einräumt. Indem man keine Deadline nennt. Indem man das selbst eher legér sieht („…irgendwann im Herbst soll’s erscheinen…“). Indem man mir als Honorar gerade mal eine Flasche Whisky in Aussicht stellt. Wobei: diese Art von Text schreibt man selbstverständlich gänzlich ohne Bezahlung. Als Tribut an das „Chelsea“, keine Frage. Den Whisky nehm’ ich trotzdem, Othmar, und es muß schon eine besonders gereifte, edle, seltene Marke sein.

Denn die Sache ist die: Othmar B. hat mir einst eine Schallplatte stibitzt. Und schuldet mir bis heute ihre Rückgabe. Ich tausche also diesen Text (gratis) und die Platte (teuer, weil selten) – es handelt sich um ein Werk der britischen Punk-Band The Mekons aus dem Jahr 1979 mit dem merkwürdigen Titel „The Quality Of Mercy Is Not Strnen“, das Cover zeigt einen Affen an der Schreibmaschine – gegen einen dreiviertel Liter hochprozentigen Alkohol. Ein schlechter Tausch, meinen Sie? Nein, das geht schon in Ordnung, sage ich. Das geht ganz und gar in Ordnung.

Denn erstens ist damit der Beweis erbracht, daß es sich bei Othmar B., dem „Paten“ des genannten Etablissements, um einen wahrhaftigen Musikfreund handelt. Die Mekons-Platte hat er einst, es muss Anfang bis Mitte der neunziger Jahre gewesen sein, vom Plattenteller weg in seinen Besitz überführt. Als Gelegenheits-DJ, der auch dann und wann im „Chelsea“ für Lärm, Gliederzucken und erhöhten Getränkeumsatz sorgte, fiel mir das nur aus den Augenwinkeln auf. Der Lärm übertönte meinen schwachen Protest. Aber Jahre später hat der gute Mann, dessen Ablenkungsstrategie durch joviale Einladungen zu Alkoholgenuß ich erst spät durchschaute, den Diebstahl gestanden. Er „müsse“ diese Platte einfach besitzen. Er sei ein wirklicher Fan der Mekons. Er hätte keine Alternative gehabt. Und überhaupt. Wer könnte da dagegenhalten? The Quality Of Othmar Is Not Strnen.

Und zweitens bin ich dem Erfinder, Betreiber, Seelenfreund, Grandsigneur und Gelegenheits-Schankburschen des „Chelsea“ auch etwas schuldig. Dank nämlich. Dank dafür, dass er ein Lokal geschaffen hat, das seit den tiefen achtziger Jahren bis heute (und wahrscheinlich für immer) ein Biotop des Rock’n’Roll war, ist und sein wird. Ein Refugium. Eine Anlaufstelle für den unsteten Kerl in uns allen (und Frauen sind hier explizit nicht ausgenommen). Eigentlich die erste Adresse in Wien für einschlägige Aktivitäten und Agglomerationen.

Ich habe im „Chelsea“ wüste Nächte sonder Zahl erlebt. Getrunken, geschmust, gelacht, gelebt, mit Barfrauen gescherzt, Musik um die Ohren geschmettert bekommen, unzählige Konzerte genossen, zigmale die Technics- (und später CD-)Laufwerke bedient, Weihnachts- und Silvesterabende verbracht, den Umzug mitgemacht, die herbe Frischluft am Gürtel eingeatmet, den Whisky durch die Gurgel rinnen lassen. Denn Whisky, probaten, um nicht zu sagen: exzellenten Whisky – über die Musik-Helden und -Moden all der Jahre möchte ich mich nicht äussern, da eint uns wohl eine gewisse Abgeklärtheit – hat der Wirt allemal im Regal stehen. Und schenkt immer kräftig aus. Und ein.

Die Jahre sind ins Land gezogen. Bajlicz, einst Fußball-Profi, fährt heute Jaguar. Gröbchen, einst „MusicBox“- & sonstiger Medien-Profi, hat auf das brotlose Gewerbe der Musikproduktion umgesattelt. Und fährt heute einen verbeulten Mazda. Unter uns: das passt so. Für beide (denn auch der Jaguar ist ein altes Exemplar, allein das hat Stil). Es soll jetzt nur keine Nostalgie – too old to R’n’R, too young to die? – aufkommen.

Aber igendwie geht mir die Idee nicht aus dem Sinn, die Kontaktdatenbank abzufragen, zum Telefon zu greifen und ein Konzert im „Chelsea“ zu organisieren. Mit Jon Langford, Tom Greenhalgh und wer immer noch dabei sein mag von den einstigen Punk-Heroen, wenn man anno 2011 The Mekons engagiert. Vielleicht mach’ ich’s noch (korr.: hat Othmar inzwischen längst erledigt, siehe oben). Solch ein lausiger Text und zwei zugedrückte Augen, was die Retournierung einer verstaubten Vinyl-Trophäe betrifft, können ja nicht alles gewesen sein. Vielleicht zum runden Fünfziger? Pardon, aber für eine Legende ist doch ein Vierteljahrhundert gerade mal eine Fliegenschiss. Also: weitermachen. Und jetzt her mit der Flasche, Othmar! Vom Feinsten. Wie immer.

Schwedenbombe

5. November 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (134) Wer darf sich über den Start von Spotify in Österreich freuen? Konsumenten mehr, Künstler eher weniger.

Noch im November wird Spotify in Österreich starten. Bislang handelt es sich um bloß ein Gerücht, aber hinter den Kulissen wird heftig daran geschraubt. Der Kooperationspartner heisst A1, die Konkurrenz, etwa T-Mobile, versucht mit eigenen Streaming Services dagegenzuhalten. Für Musikfreunde dürften somit – nach langem Warten – schon vor dem 24. Dezember die Weihnachtsglocken läuten.

Denn Spotify ist soetwas wie das Elysium für Fans und Freaks, aber auch für kulturinteressierte Normalbürger: so ziemlich jedes Musikstück, das einem in den Sinn kommt, ist damit augenblicklich „on demand“ auf dem eigenen PC verfügbar. Und da persönliche Computer heute nicht mehr unbedingt plumpe, schwere Kisten auf oder unter dem Schreibtisch sind, sondern vergleichbare Rechenleistung auch in smarten Mobiltelefonen, tablettförmigen Laptops und spezialisierten Audio Devices steckt, könnte dieser Dienstleister tatsächlich die Töne befreien. Und uns Konsumenten vom eichkätzchenähnlichen Zusammenklauben, Sammeln und Horten von MP3-Files erlösen.

Spotify, ein schwedisches Unternehmen, hat seine virtuelle Jukebox bislang in Skandinavien, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Holland und den USA placiert. Und ist seit Mai dieses Jahres auch schwer verbandelt mit Facebook. Stück für Stück erobert man so die Weltherrschaft in einem Markt, der augenblicklich noch von Apple, Amazon und den alteingessenenen Major Record Companies beherrscht wird (die sich clevererweise schon einen Anteil an Spotify gesichert haben). Wenn alle Musik dieses Planeten auf Knopfdruck gratis – oder, in besserer Qualität, ohne Werbung, Zeitbeschränkung und sonstige lästige Restriktionen gegen Monatsgebühr – verfügbar ist, wer mag dann noch moralisch verwerflichem Peer-to-peer-Aktionismus anhängen? Bei eingeführten Download-Plattformen wie iTunes oder „direkt am Bauernhof“ bei den Labels und Künstlern einkaufen? Oder mühsam obskure YouTube-Videos durchforsten (um dann nicht selten von Meldungen wie „In Ihrem Land auf Betreiben des Rechteinhabers leider nicht verfügbar“ enttäuscht zu werden)?

Jede Medaille hat aber zwei Seiten. Die Spotify-Welteroberung gestaltete sich bislang nicht ohne Grund relativ mühsam, zeit- und kostenintensiv. In Deutschland leisten etwa die Urheberrechtsanwälte der GEMA hinhaltend Widerstand. Mit Simfy existiert vor Ort ein direkter Konkurrent. Und schon melden sich erste Labels und Künstler zu Wort, die ihre Musik partout nicht Spotify zur Verfügung stellen wollen – etwa Coldplay ihr neues Album „Mylo Xyloto“. Der Grund: die kaufmännische Intransparenz der Streaming Services. Und ihre frappierend geringe Wertschöpfung. Denn für jeden Hörer weltweit zahlt Spotify pro Song gerade mal einen Bruchteil eines Cents (0,003 Euro) aus. Und schreibt dabei nicht mal selbst schwarze Zahlen.

Korrektur (09.11.): A1 ist nicht Kooperationspartner; Spotify startet in Österreich als eigenständiger Anbieter.

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