Archive for Dezember, 2011

Es gilt die Unmutsverschuldung

27. Dezember 2011

Anmerkungen zur unendlich zähen und mittlerweile auch unendlich nervigen „Causa Matt“. Und warum hier die Kulturpolitik endlich sich selbst in die Verantwortung nehmen muß.

Ich habe mir lange überlegt, ob ich mich in der Sache zu Wort melden soll. In Österreich – einem „Labyrinth, in dem sich jeder auskennt“ (Helmut Qualtinger) – gilt die Nichteinmischung ja als Tugend. Und die Selbstermächtigung als Sakrileg. Aber letztlich verstehe ich mich als aktiver Teilnehmer einer Bürgergesellschaft, der zudem im Kulturbereich professionell zugange und im Kontext des Kommenden nicht gänzlich unkundig ist. Es geht um Grundsätzliches. Und Schweigen könnte als Zustimmung gewertet werden. Zustimmung zu einem System und zu einer Systematik, die seit Jahren die Kulturpolitik in Wien bestimmt. Und die allmählich wirklich sauer aufstösst.

Es geht, um die Sache abzukürzen, um die „Causa Matt“, also die vermuteten, lautstark vorgebrachten und vice versa ebenso lautstark wieder in Abrede gestellten Malversationen rund um die Kunsthalle Wien. Aber, pardon!, nicht um Herrn Matt höchstpersönlich. Denn den Mann kenne ich, sieht man von einigen durchaus freundlich verlaufenen Gesprächen und einem Auftrag, den „project space“ der Kunsthalle mit Live-Musik und DJs zu bespielen und so die Besucherzahlen der zumeist leicht anämischen, tendenziell besucherarmen Ausstellungen am Karlsplatz ein wenig nach oben zu treiben, eigentlich nicht.

Ich halte es auch für einen Fehler der Kulturpolitik, eine szeneweite Diskussion, ob Matt ein eitler Dandy und intellektueller Blender ist oder doch eher ein charismatischer Manager und umtriebiger Museumsdirektor, detailversessen widerzuspiegeln und medial auszuwalzen. Das ist Geschmackssache. Jede Führungspersönlichkeit hat ihren eigenen Stil, und letztlich wird sie für geschicktes, wechselweises Hantieren mit Zuckerbrot und Peitsche bezahlt.

Ich bin Herrn Matt auch die kolportierte Gage für seine Aufgabe nicht neidig – andere Spitzenmanager in der Musical-, pardon: Kultur-Hemisphäre der Stadt Wien, hört man, wären noch weit besser bezahlt. Oft mit Gehältern jenseits der Einkommensklasse des Bundeskanzlers. Aber genaueres weiß man nicht, weil man – wir erinnern uns an eine dezidierte „profil“-Nachfrage, gefolgt von allseits betretenem Schweigen – derlei nicht wissen soll und darf. Man will wohl das in zunehmend prekären Verhältnissen tätige Kultur-Proletariat nicht zu sehr erregen.

Und Matt hat sich ja seinen Vertrag mit einem „privaten“ Verein ausgeschnapst, auf den der Kulturstadtrat – der aber jährlich die Schwungmasse für das perpetuum mobile, die millionenschwere Subvention für die Institution Kunsthalle, durch den Landtag befördert und auch politisch verantwortet – „leider keinen Einfluss“ hat, wie er selbst in den letzten Wochen und Monaten nicht müde wurde zu betonen. Was natürlich einer Kindesweglegung gleichkommt. Ein Aufsichtsgremium, das nicht mitverantwortlich sein will für ein opulentes Privilegien-Register, das es selbst abgenickt hat? Eine Magistratsabteilung, die jetzt – unter Druck – eiligst verwirft, was sie selbst eingefädelt hat (Stichwort: „Kunst im öffentlichen Raum“)? Ein Investigations-Team, das alle bisherigen Investigationen kreuzbrav und zugleich knochenhart konterkariert? Aber jetzt soll ja alles anders bleiben. Man darf gespannt sein. Eventuell mittlerweile auch leicht verspannt.

Denn was unendlich nervt in der Diskussion rund um die „Causa Matt“ ist die offensive Listigkeit, mit der man eine ernsthafte, tatsächlich „ergebnisoffene“ Debatte um die Rahmenbedingungen, Aufgabenstellungen, Finanzstrukturen und Zukunftsperspektiven der Kunsthalle hintanzuhalten, abzukürzen oder tunlichst ganz zu vermeiden versucht. Dafür wird auf „Die Grünen“ hingeprügelt, weil ihre gewählten Volksvertreter und einschlägigen Experten ganz selbstverständlich, penibel und weitgehend alleingelassen ihre Hausaufgaben – die Evaluierung und Hinterfragung verwachsener und verwilderter Strukturen – erledigen. Eine macht- und parteipolitische Einigelungs-Strategie, die in gleichem Maß durchschaubar, perfid und peinlich ist.

Wie erklärt man aber, dass u.U. allein die Taxi- und Telefonrechnungen des Direktors in Summe mehr ausmachen als die Support-Leistungen für jene, die die Ausstellungsflächen mit viel Idealismus bespielen (am Karlsplatz etwa wurden die Honorare für Tontechniker 2011 rigoros gestrichen. Mittlerweile hat man das Live-Programm „aus Kostengründen“ weitgehend eingestellt oder durch aufreizende H&M-Pop Up-Stores ersetzt). Warum überlässt man z.B. nicht konsequenterweise den „project space“ als zentrale, flexible, frei bespielbare Fläche der lokalen Szene? Welche Aussicht auf konstruktive Teamarbeit hat eigentlich ein Kunst-Impresario, der von all seinen KuratorInnen, so sie nicht längst gegangen sind oder gegangen wurden, am liebsten nicht mehr bei der Tür hereingelassen würde? Und warum wird plötzlich strikt getrennt, geprüft, re-strukturiert, ausgeschrieben und entflochten, was jahrelang als produktive Freunderlwirtschaft und Best Case-Szenario in Richtung „Private Public Partnership“ förmlich festgemauert war?

Letztlich: warum überhaupt gelangte die Kulturpolitik nicht schon im vorigen Jahrtausend zur Erkenntnis, dass das absichtsvolle Tolerieren, ja Forcieren von „ewigen“ Vertragsverlängerungen – und damit die tendenzielle Verwechslung einer Institution und einer temporären Aufgabenstellung mit dem eigenen Lebenswerk, der man solchermaßen legér Vorschub leistete – eine Kardinal-Untugend war und ist? Länger als fünf, sieben, höchstens zehn Jahre sollte keine Führungsrolle in einer öffentlichen Einrichtung dauern. Danach ist das visionäre Pulver üblicherweise verschossen, Routine und Ermüdung treten ein (Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber eine „Ausnahmeerscheinung“ zu identifizieren kann niemals ein Akt der Selbsterkenntnis sein). Und, nebstbei, luxuriöse, um nicht zu schreiben: degoutante Pensions-, Nebenjobs-, Überstunden-, Spesen- und Abfertigungs-Regelungen haben in unserer Zeit nichts mehr verloren.

The times they are a-changin‘. Gerald Matt hätte spätestens bei der Betrachtung des rapiden Endes des Königreichs von Peter Noever der Groschen fallen müssen. Aber es soll hier ja weniger um Namen, virtuelle oder tatsächliche Querverbindungen und persönliche Eitelkeiten gehen. Sondern mehr ums Prinzip. Und um eine Verantwortung, vor der sich die Kulturpolitik nicht mehr drücken kann. Sofern sie nicht selbst im byzantinischen Schlachtengemälde vom Aufstieg und Fall ihrer Proponenten inmitten einer kritischen – weil mit zunehmender Aufmerksamkeit der Gesellschaft aufgeladenen – Zeit- & Grundstimmung eine prominente Rolle spielen will.

Es geht in der „Causa Matt“ längst nicht mehr um ihren Namensspender (auch wenn sich der in stakkatoartigen Interview-Rundumschlägen und Propaganda-Erklärungen immer noch im Mittelpunkt des Geschehens wähnt). Es geht um eine grundsätzliche Durchlüftung, Öffnung und Neu-Fokussierung der Kultur-Agenda Wiens. Es geht – auch, und gewiss nicht zuletzt – um Transparenz. Und, ja, es geht um klare Signale, konsequente Entscheidungen und mutige Weichenstellungen. Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung. Aber immer dringender, immer drängender auch die Unmutsverschuldung.

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Ausserirdisches Kundenservice

18. Dezember 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (140) Apropos Kundenservice: gibt es Leben auf den exotischen Planeten Kepler 22b und Samsung Austria?

Glauben Sie mir: viel lieber würde ich über Kepler 22b schreiben. Über den Symbolwert dieser Entdeckung. Über die Phantasien, Hoffungen, Visionen, die sich damit verbinden. Und – inmitten des aktuellen irdischen Jammertals – über die strahlende Helle der Nachricht, dass da draussen, in den unendlichen Weiten des Alls, weitere – zumindest theoretisch – bewohnbare Planeten existieren. Kepler 22b, gerade mal sechshundert Lichtjahre von Mutter Erde entfernt, ist der erste, den man dingfest machen konnte.

Das nenn’ ich eine Weihnachtsbotschaft! Allerdings könnte damit auch das theologische Fundament diverser alleinseligmachender Religionen auf Dauer angeknackst sein. Wenn jetzt noch die Vermutung von Kernteilchen-Physikern am CERN, Neutrinos bewegten sich bisweilen schneller als das Licht, bestätigt wird (derzeit geht man von einem Messfehler aus, aber die Hinweise verdichten sich), bleibt sowieso kein Einstein auf dem anderen. Dann könnte man Kepler 22b ja eventuell mittelfristig so einfach erreichen wie die DomRep oder den Minigolf-Platz im Schlosspark Laxenburg. Ich besorg’ mir schon mal vorsorglich einen Raketenbastelbogen und ein Auswanderungs-Zertifikat samt amtlicher Stempelmarke.

Nun habe ich aber im Kontrast dazu erst unlängst aufgerufen, mir irdische Sorgen und Nöte, zuvorderst den Technik-Alltag betreffend, mitzuteilen. Friedrich G. hat das umgehend getan. „Als „Maschinenraum“-Leser schlage ich vor“, schrieb er mir, „dass Sie sich einmal mit unseren Freunden von Samsung befassen, die zwar ein ganz nettes Smartphone (Galaxy SII) verkaufen, dazu aber eine Frechheit von inferiorem „Kies“-Service-Programm zum Synchronisieren mit PC und Laptop bereitstellen. Die einschlägigen Webforen quellen über von ratlosen Usern, die eine fehlerlose Synchronisation benötigen, das vermaledeite „Kies“ aber nicht zum Laufen bringen. Und die Support-Leute von Samsung schweigen sphynxisch und beantworten keine Mails.“ Ende der Botschaft.

Nun: ich werde dieses Brieflein 1:1 den zuständigen Damen und Herrn des Weltkonzerns weiterreichen. Vorweihnachtsstress gilt in wenigen Tagen nicht mehr als Ausrede, Elektropost nicht zu beantworten. Wobei, wenn ich’s recht bedenke: habe ich nicht selbst vor einigen Monaten den Asiaten eine Beschwerde zukommen lassen? Und warte ich nicht immer noch auf eine weiterführendere Botschaft als jene dürren Zeilen der Pressesprecherin, sie würde den Artikel – es ging um einen vorgeblich „deppensicheren“ WLAN-fähigen Drucker, der bis heute nicht funkt – an die „Kollegen vom Fach“ weiterleiten, „Antwort folgt“?

Also: bitt’schön. Sonst kann ich Samsung Austria auf Kepler 22b beim besten Willen nicht weiterempfehlen. Und müsste akut verneinen, dass da draussen soetwas wie extraterrestrische Intelligenz existiert. Zumindest in punkto Kundenservice.

Günter S. & wir

13. Dezember 2011

Erst plump absahnen wollen, dann wehleidig sudern. Warum schicken wir Politiker, die ungeniert den Status quo ante repräsentieren, nicht raschest zum Teufel?

Ich gestehe: ich war einer derjenigen, die Günter S. „in den Schmutz gezogen“ haben. Eigentlich, ja eigentlich habe ich nichts anderes getan, als spontan ein mail zu schreiben. Und zwar, nachdem mir zu Ohren gekommen war, dass sich ein gestandener Parlamentarier und Volksvertreter zugleich als Lobbyist eines Glücksspielkonzerns verdingt. Das erschien mir, wiewohl hierzulande, am Rande des Balkans, vieles, wenn nicht alles möglich ist, gar tolldreist.

Sie erinnern sich? S., seit 1983 Abgeordneter zum Nationalrat, Träger des Großen Silbernen Ehrenzeichens am Bande für die Republik Österreich und Vorsitzender des parlamentarischen Finanzausschusses, schien mit seiner Tätigkeit nichts ausgelastet. Nachdem das Finanzministerium anno 2011 erstmals die Glücksspiel-Lizenzen öffentlich ausgeschrieben hatte, übernahm er den Aufsichtsratsvorsitz der M. Entertainment AG, die von Entrepreneur Frank St. gemeinsam mit einem einschlägig bekannten deutschen Konzern in das Rennen um die höchst lukrativen Casino- und Automatenkonzessionen geschickt wurde. Besonders pikant an diesem Szenario: der Finanzausschuss, dem S. vorsitzt, ist auch für die Vergabe der Lizenzen zuständig.

Man könnte meinen, die Unvereinbarkeit dieser Positionen müsse selbst einem Volksschüler auffallen. S. argumentierte aber, er würde die Umsetzung eines Gesetzes, das er selbst mit beschlossen habe, gern auch in der Praxis überprüfen. Die Antwort auf die sich abrupt auftuende Frage, warum er das, entlohnt von möglichen Begünstigten, nur auf diese Weise machen könne, blieb der Mandatar wortreich schuldig.

Immerhin erkannte er, dass die Sache „heikel“ war. Und tatsächlich gab S. die avisierte Tätigkeit nach Protesten und der Konsultation eines – völlig intransparenten – parlamentarischen Unvereinbarkeitsausschusses wieder auf. Nicht ohne umgehend in Wehleidigkeit zu verfallen. Man hätte ihn und seine Famile „täglich angepöbelt und beschimpft.“ Daran sei wohl „das überhitzte Meinungsklima durch die schrecklichen Telekom-Enthüllungen“ schuld, „in dem eine sachliche, korrekte Argumentationslinie keine Chance hat.“ Aha. Seltsamerweise lautete der Tenor der Kommentare zu S.’ Entschluss allseits gleich: selbst wenn er formal im Recht wäre, müsse ein Politiker erkennen, „wenn die Optik schief ist“ (so die „Kurier“-Wirtschaftsjournalistin Andrea Hodoschek). Und das ist gewiss sehr zurückhaltend formuliert.

Ich nehme Herrn S. übrigens seine larmoyante Vorwärtsverteidigung ein wenig übel. Denn in meiner offenen Elektropost-Depesche, die ich als einfacher, politisch interessierter Staatsbürger adressiert und, der Hebelwirkung wegen, auch via Facebook, Google+ und Twitter verbreitet hatte, stand nicht mehr (und nicht weniger), als dass ich S.’ ursprüngliches Ansinnen für „hochgradig fragwürdig, unappetitlich und unvereinbar“ hielt. „Das sollte Ihnen freilich Ihr eigenes Ehr- und Schamgefühl sagen“, hatte ich geschrieben. Und dass selbstverständlich die Unmutsverschuldung (sic!) gelte.

Warum sich der Volksvertreter ob der paar gleichlautenden mails aus dem Volk so pikiert zeigte, dass er daraus ein Beschmutzungs- und Bedrohungsszenario für seine Familie ableitet, sei dahingestellt. Bei näherer Betrachtung kommt dies einer Denunziation gleich (und es soll ja, etwa in Wiener Neustadt, Staatsanwälte geben, die dann gleich Mafia-Paragraphen bemühen). Die Story zeigt einmal mehr einen absurden Reflex österreichischer Politiker: Fragwürdigkeiten immer nur beim politischen Gegner zu vermuten. Kritik vorrangig als Kampagne zu werten. Und den eigentlichen Souverän, das vermeintlich dumme Wählervolk, möglichst auszublenden. Jo, dürfen’s denn dös?

Nun ist Herr S. nur eine – wenn auch symbolträchtige – Nebenfigur im aktuellen innenpolitischen Tohuwabohu. Und hat, spät, aber doch, die notwendigsten Konsequenzen gezogen. Im Parlament sitzt der alte Fuchs freilich nachwievor. Übrigens seit Jahrzehnten, zuvor im Bundesrat. Wagen Sie ja nicht, ihn nach der Höhe und dem Deckungsgrad seiner „wohlerworbenen“, aber doch deutlich überdurchschnittlichen Politikerpension zu fragen. Solche Fragen kommen im System Österreich üblicherweise gar nicht gut an.

Man könnte nun meinen, dass – gerade in diesem Kontext – der gern als Bobo-Beschäftigungstherapie verunglimpften Web 2.0-Aktionismus etwas bringt. Und, ja, das tut er in einem gewissen, engen Rahmen auch. Dennoch: jegliches Triumphgeheul ist gänzlich unangebracht. Denn im Vergleich zur weltweiten Finanzkrise und ihren sukzessive ans Tageslicht tretenden Ungeheuerlichkeiten ist die krebsartig alle Organe durchdringende strukturelle Korruption im Staate Österreich ein Klacks. Die Ernüchterung der nächsten Monate und Jahre fällt wohl so grundlegend aus, die Erschütterung so gewaltig und der Schnitt so tief, dass sich simplere Gemüter noch zurücksehnen werden in die Ära der „Insel der Seligen“ (die real ja eher ein Selbstbedienungsladen der Unseligen war und ist).

S. und seine Mitstreiter, darunter ehemalige Bundeskanzler, Minister, Banken- und Kabinettschefs, Generalsekretäre, Landeshauptleute und Ehrenpräsidenten, werden, auch wenn sie aktuell noch herumrumoren, bald Geschichte sein. Und die jüngeren Populisten lauern schon auf den Moment, wo sie die Tragik der – von dieser Kameradschaft der Gestrigen zu verantwortenden und nachgerade befeuerten – Entwicklung für sich nutzen können.

Sprechen wir es klar aus: wenn uns demnächst ein Zahntechniker als Bundeskanzler blüht oder gar ein leutseliger Oligarch als Notstands-Staatenlenker, werde ich S. nochmals ein mail schreiben. Und mich herzlich bedanken. Nein: eher unherzlich. Oder den Mann, weil er gar so sensibel und saturiert und absehbar stummvoll ist, ignorieren. Es gibt dann wohl Wichtigeres zu tun.

Funkberater

10. Dezember 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (139) Lassen Sie sich keine Geräte andrehen, die die Technik von gestern repräsentieren. Und z.B. “Airplay” nicht kennen & können.

Es gibt immer einen Zeitpunkt, der den Kosmos, wie wir ihn kennen, in ein „davor“ und „danach“ teilt. Eine historische Scheidelinie, die uns im Moment der Transformation (die sich auch über einen längere Zeitspanne erstrecken kann) eventuell gar nicht weiter auffällt. Um in der schnöden Konsumwelt zu bleiben: könnten Sie etwa, wären Sie z.B. Verkäufer in einem Elektro-Fachgeschäft, exakt das Datum benennen, an dem Sie das allerletzte TV-Gerät mit Bildröhre auf das Kassapult gehievt haben? Oder, sagen wir mal, als Konsument bei einem Flachbildschirm „HD-Ready“ als zeitgemässes, ultimatives Qualitäts-Siegel angepriesen bekamen? (Apropos: lassen Sie sich anno 2011 kein solches Produkt mehr unterjubeln, selbst zum absoluten Dumping-Preis nicht!)

Und weil ein für seinen trefflichen Zynismus bekannter Facebook-Freund unlängst nicht nur meinte, der Weltuntergang sei „eine echte Alternative zu den Finanzierungsproblemen des Pensionssystems“, sondern auch eine Grosspackung 100 Watt-Glühbirnen als „Weihnachtsgeschenk des Jahres“ empfahl: darüber lässt sich heute noch lachen. Morgen dann eventuell nicht mehr. Oder aber, weil sich die Entwicklung im Rückblick als durchaus positiv erweist, eben doch. Aus vollem Hals.

Nun: sollten Sie Ihre private Schuldenbremse, ganz im Gegensatz zu den Staatenlenkern Europas und sehr zur Freude des Fachhandels, vorweihnachtlich gelockert haben, dann investieren Sie in die Zukunft. Ich meine damit als notorischer Optimist übrigens nicht Gaskocher und Notstrom-Aggregate, sondern technische Gerätschaft, die Freude bereitet und den Alltag behübscht. Kleine, feine Stereoanlagen etwa mit oder ohne iPod-Dock, wie man sie gerade zuhauf in den Megaseller-Regalen findet. Es gilt: zuvorderst müssen die Dinger brauchbar klingen, gleich danach aber sollen sie dies & das können. Fertigkeiten, die längst „State of the Art“ sind.

Etwa die Fähigkeit, direkt mit Ihrem Mobiltelefon oder Tablet-PC – den bevorzugten Musikquellen avancierter Zeitgenossen – in Kontakt zu treten. Anstopseln ist hoffnungslos von gestern. Apple, seit jeher zu den Säulenheiligen der einfachen Bedienbarkeit zählend, hat dafür eine Technik namens „AirPlay“ entwickelt, die per WLAN funkt. Es geht aber auch via BlueTooth. Die Bequemlichkeit, vom Sofa aus mit einem Fingertipp etwa das neue, superbe Album der Black Keys („El Camino“) zu hören, wird man rasch nicht mehr missen wollen.

Ich teste gerade drei Geräte, die „AirPlay“ beherrschen: eines von Denon, eine kleine Anlage von Sony und ein noch kleineres Kästchen des heimischen Unternehmens Pro-ject. Die Feiertage werden mächtig dröhnen, drahtlos – und ich wette, ich bin damit nicht allein auf weiter Flur. In diesem Sinne: stay tuned! Mehr zum Thema dann im Jahr des Herrn 2012.

Antiterrorkommando

3. Dezember 2011

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (138) Jetzt ist die beste Zeit, um ein Wunschzettel–Posting ans Christkind zu schreiben. Bisweilen hilft’s.

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Selten, aber doch. Denn gelegentlich hat man als Konsument das Gefühl, dass sich der Alltag verbessert, erleichtert, positiv entwickelt. In winzigsten Details, aber immerhin.

Da erklärt ein Produzent, auf einen vielfach geäusserten Käuferwunsch hin ein bestimmtes Produkt ändern zu wollen. Dort schraubt ein Möbelfabrikant ab sofort seine Erzeugnisse andersrum zusammen (oder, eher, wir an seiner statt) – und, siehe da!, es klappt viel einfacher. Und hält länger. Manche Händler weigern sich, Montagsprodukte, Scherzkekskonstruktionen, Billig-Plastik-Giftbomben aus China und plumpe Energieverschwender weiter im Programm zu führen. Und dann kommt auch noch der ORF auf die Idee, ein Übel aus der Welt zu schaffen, von dem man meinte, bis in alle Ewigkeit damit leben zu müssen: den Lautstärkeunterschied zwischen Werbung und Programm.

Das Szenario ist allseits vertraut: ein entspannter Fernsehabend. Man verdrückt zum kontemplativen Ende eines Tränendrücker-Hollywood-Schinkens hin genussvoll eine Träne. Und dann knallt einem plötzlich – soetwas wie einen Abspann kennen die TV-Strategen von heute nicht mehr – ein Werbespot nach dem anderen um die Ohren. Dass es nur so kracht. Aber hallo! Wer immer meint, die Lautstärke der Reklamefilmchen so „optimieren“ zu müssen, dass man sie auch gewiss nicht überhört, hat noch nie den sekundenschnellen Griff zur Fernbedienung in Millionen Haushalten beobachtet. Die „Mute“-Taste gilt als Not-Aus-Knopf des gemeinen Fernsehzuschauers. Und die Werbewirtschaft sieht in die Röhre. Weil sie es jahrelang nicht geschafft hat, ihr kontraproduktives Verhalten zu hinterfragen. Oder auf langfristige Abstumpfung setzt.

Ehre aber, wem Ehre gebührt: das soll sich anno 2012 ändern. Nur bei den öffentlich-rechtlichen Sendern allerdings, die privaten TV-Mogule wollen weiterhin ihre Seher dezibeltechnisch terrorisieren. Tja. Manche lernen es halt nie. Oder nur auf Druck hin. Von oben. Oder unten. Für letzteren stehen die Zeichen der Zeit gar nicht schlecht: im World Wide Warenwirtschafts-Web hält der Konsument Szepter und Reichsapfel in der Hand. Schreiben Sie ruhig Ihrem Programmchef, was Sie davon halten. Öffentlich. Online. Am trefflichsten in jenen Foren und virtuellen Promotionflächen, die man zu Ihrer Zerstreuung und Unterhaltung eingerichtet hat. Die lassen sich auch anderweitig nutzen.

Nebstbei: auch ich nehme gerne – das Leben ist keine Einbahnstrasse – Vorschläge für Verbesserungsmöglichkeiten entgegen. Nur her damit! So eine kleine Kolumne entwickelt oft mehr Hebelwirkung, als man meint.

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