Archive for August, 2012

Überraschungsei

25. August 2012

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (174) Renaults Elektro-Spaßmobil “Twizy” ist die Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat – fährt sich aber nicht unlustig.

Schade, dass nicht gerade tiefster Winter ist. Und zwar ein wirklich strenger Winter, mit Eis, Schnee und Minusgraden wie am Nordpol. Oder dass zumindest ein Regenguß herunterdonnert, als hätte der Himmel seine Schleusen schon seit Monaten nicht geöffnet – und liesse alles Wasser dieser Welt nun in einem Aufwaschen los. Denn so fand dieser Test unter Bedingungen statt, die etwas unfair sind: praller Sonnenschein verklärt jedes Golfwägelchen zum ultimativen Spaßmobil.

Daran, an ein Golfwägelchen nämlich, fühlte sich auch meine Freundin erinnert, als ich – endlich! – mit dem Renault “Twizy” vorfuhr. Das vierrädrige Elektromobil ist seit wenigen Monaten am Markt und zählt mit einem Preis von rund 8000 Euro zu den leistbaren Varianten des Fortschritts (dazu kommt noch eine monatliche Pauschale für die Batterie). Dass im Gegenzug Plastik das meistverwendete Material ist und das skurill gestylte Wägelchen – sein nächster Verwandter scheint der legendäre BMW C1-Roller zu sein, aber auch das Gefährt, das gerade am Mars Gesteinsproben einsammelt, lässt grüssen – etwas, hm, karg ausgestattet ist, nimmt man dann eventuell gerne in Kauf. Oder wartet halt doch auf den Renault Zoe, den E-Smart oder die Elektroversion des VW Up. Fenster, Autoradio und eine Batterie-Reichweite jenseits einhundert Kilometer dürften zumindest Pendler vermissen. Immerhin gibt es filigrane Plastik-Flügeltüren und Wärmeschutzdecken als Zubehör. Sie entschuldigen doch, dass ich letztere im Hochsommer nicht ausgepackt habe?

Insgesamt wirkt der “Twizy” wie eine fahrbare Studie für den urbanen Avantgardisten. Durchaus alltagstauglich, sofern man ein exhibitionistisch veranlagter Einzelgänger mit 230 Volt-Steckdose (Ladezeit: dreieinhalb Stunden) in der Garage ist. Für zwei erwachsene Menschen – sie sitzen hintereinander – wird’s doch eng. Kofferraum gibt’s auch keinen, zumindest nichts, was man ernsthaft so nennen könnte. Aber beschleunigen tut der Floh, oho! Höchstgeschwindigkeit: 85 km/h. An die bretterharte Federung gewöhnt man sich rasch. Wie überhaupt an die Idee, dass mehr und mehr Menschen Gefallen an solchen Entwürfen finden könnten.

In diesem Sinne, werte Maria Vassilakou, werter Michael Häupl: gestattet “Twizy”-Eigner(inn)en das Querparken! (es geht sich gut aus). Und befreit E-Mobile – wie etwa in Graz – von den lästigen innerstädtischen Parkgebühren. Denn in der City sind “Twizy” & Co. schon heute eine willkommene Bereicherung und Alternative.

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Schalldämpfer

18. August 2012

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (173) Ruhe. Himmlische Ruhe. Ausser, Sie jagen lautstark Ambient Music in die High Tech-Kopfhörer.

“Der eigene Hund macht keinen Lärm, er bellt nur.” Kurt Tucholsky brachte die Sachlage einst auf den Punkt: “Lärm ist das Geräusch der anderen”. Nun mögen ja Hundegebell, Gockelgeschrei oder das Tohuwabohu der Kinder im benachbarten Freibad zur Tonspur des Sommers gehören, sie werden aber nicht in jedem Fall als passende Soundkulisse empfunden. Erst recht, wenn man als lärmgeplagter Erholungssuchender gerade der Großstadt entronnen ist.

Der Kulturphilosoph Theodor Lessing tat sich im Jahr 1908 als Autor einer “Kampfschrift gegen die Geräusche unseres Lebens” hervor und gründete einen “Antilärmverein”, dessen Vereinsblatt den trefflichen Titel “Der Antirüpel. Das Recht auf Stille.” trug. Praktisch zeitgleich erfand der Apotheker Maximilian Negwer in Berlin-Schöneberg formbare Watte-Wachs-Kügelchen und gab ihnen den Namen “Ohropax”. Seither ist es etwas bequemer, aber generell nicht leiser geworden auf diesem Planeten. Im Gegenteil.

Was hätten Lessing und Negwer zu “Acoustic Noise Cancelling”, einer Erfindung der späten siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, gesagt? Die Idee ist relativ simpel: man analysiert über ein Mikofon das Frequenzspektrum störender Umweltgeräusche und löscht sie mit einem computerberechneten Phasengegensignal faktisch aus. Der Knackpunkt liegt im exakten Timing: wirklich zeitgleich können das erst moderne Mikroprozessoren.

Einer davon steckt z.B. im Bose QuietComfort 15, dem neuesten einer ganzen Ahnenreihe von Bose-Kopfhörern mit aktiver Lärmunterdrückung. Billig ist das gute Stück ja nicht, aber für Ruhesuchende jeden Cent wert. Setzt man den Kopfhörer auf und betätigt einen Schalter (der QuietComfort benötigt eine AAA-Batterie), fühlt man sich plötzlich, als hätte eine göttliche Hand einen riesigen Quargelsturz über einen gestülpt. Und das liegt nur zum geringeren Teil an den schaumgepolsterten, ohrumschliessenden Hörermuscheln. Der Lärm der Baustelle nebenan? Wie weggeblasen. Der schnarchende Partner im Ehebett? Ausgeblendet. Säuselnde MuzakZwangsbeschallung im Design-Café? Schallgedämpft. Die Einflugschneise über dem eigenen Schrebergarten? Hat nie existiert.

Man kann dieses perfekte Werkzeug für den (un)freiwilligen Autisten – ursprünglich wurde es für Piloten und Flugreisende entwickelt – natürlich in seiner Wirkung noch verschärfen. Etwa, indem man Musik seiner Wahl in die Membranen injiziert. Der Bose klingt auch als “herkömmlicher” Kopfhörer vorzüglich. Wenn Sie sich ungewohnt einsam fühlen auf Ihrem stillen Erdtrabanten, empfehle ich “Music For Airports” von Brian Eno. Volle Lautstärke.

The Dark Knight Rises

11. August 2012

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (172) Wenn demnächst eine Glock-Pistole aus dem 3D-Drucker rutscht, darf man sich eventuell zu Tode freuen.

Waffen zählen nur bedingt zu den “Spielzeugen”, die der entsprechenden Seite in der Print-Ausgabe der “Presse am Sonntag“ ihren Namen geben – wiewohl hier schon einmal die Geschichte der Kalaschnikow referiert wurde, ohne die geringste Verharmlosung freilich. Waffen gehören in die Hände speziell ausgebildeter, psychisch gefestigter, streng überprüfter Professionisten. Und sonst nirgendwohin. In den USA, dem Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten, sieht man das weithin anders. Dort scheint es ja zu den Verfassungsrechten jedes Bürgers zu zählen, einen Colt im Nachttischladl oder eine Uzi am Beifahrersitz liegen haben zu dürfen.

Nach dem tragischen “Batman-Massaker” in Aurora, Colorado im Juli dieses Jahres – ein offenbar geistesgestörter Täter erschoß zwölf Kinobesucher und verletzte weitere sechzig z.T. schwer – verboten Lichtspieltheater zwar umgehend Masken und Kostüme. Der Staat und seine Organe schwiegen aber beredt zur amerikanischen Gesetzeslage in punkto Waffen. Und zur absurden Hochrüstung der Zivilgesellschaft. Jagen und Schießen seien nun mal Teil des “geschätzten nationalen Erbes”, so Barack Obama.

Ein neues Blutbad in einem US-Kino konnte dieser Tage nur knapp verhindert werden: ein Besucher trug eine geladene Pistole, mehrere Magazine und drei Messer bei sich. “Lediglich zur Selbstverteidigung”, so die Erklärung des Ersatz-Batmans. Eine Argumentation, die die Heerscharen an Waffenfanatikern, Glock-HipHoppern und selbsternannten Hilfssheriffs wahrscheinlich sogar äusserst plausibel finden. Man ist auch nur mässig erstaunt, wenn sich in einem Postpaket anstatt des bestellten Flachbild-Fernsehers ein halbautomatisches Sturmgewehr findet (wie es letzte Woche einem amerikanischen Kunden passiert ist). Die haben die Dinger im Amazon-Zentrallager wohl gehäuft herumliegen…

In wirklich fortschrittlichen Haushalten kommt aber eine zünftige Waffe hinkünftig aus dem 3D-Drucker. Ein US-Pionier hat erst neulich, wie der “New Scientist” berichtete, 200 Schüsse aus einer Pistole des Kalibers 22 abgefeuert, die partiell aus selbst hergestellten Plastikteilen besteht. Den Rest kann man legal und ungehindert zukaufen. Kosten: rund 30 Dollar. “Im Zweifelsfall ist das schwierig zu kontrollieren und zu unterbinden, da die Technologie schnell und unkompliziert fast jedes vorstellbare Produkt erzeugen kann”, so eine 3D-Druckexpertin. “Hier ist die Politik gefordert.” Na dann mal gute Nacht, Vereinigte Staaten.

Das Elektro-Waffenrad

4. August 2012

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (171) Ein Elektro-Bike wie das “Grace One” sollte fast schon unter Waffenschein-Pflicht fallen.

Fast hätte ich einen Trend verschlafen. Den fulminanten Aufstieg der Spezies “Fahrrad mit Elektro-Hilfsmotor und Batterie” nämlich, die landläufig unter dem Überbegriff “E-Bike” oder, Apple-affin, “eBike” firmiert. Manche nennen die neuartigen Velocipede auch “Pedelecs”, abgeleitet von “Pedal Electric Cycle”, was den Kern der Sache trifft. Man muss nämlich in die Eisen treten wie all die Jahrzehnte und Jahrhunderte davor – und kann sich nicht allein von einem Motor ziehen bzw. schieben lassen wie bei einem Mofa oder Moped (über deren präzise Gattungsabgrenzung sich, bitt’schön, Feinmechaniker und Sprachforscher den Kopf zerbrechen mögen, ich fühle mich dazu nicht berufen).

Der Elektromotor nimmt einem aber, etwa bei Bergstrecken, einen guten Teil der schweißtreibenden Arbeit ab. Man kann natürlich auch schnurgerade Strassen, die ohne die geringste Steigung durch die Ebenen des Alltags führen, als potentielle Bergbahnen und ewige Herausforderung betrachten. Abhängig ist der Rückenwind, den man sich elegant selbst per Drehgriff verleiht, nur von der Kraft des kleinen Motors. Und der Kapazität der Batterie, die – mehr oder minder versteckt – dem E-Bike deutlich mehr Gewicht verleiht als einem herkömmlichen Fahrrad.

Dass mir diese Fahrzeuggattung bislang generell als exotische, überzüchtete Mobilitätskrücke für Schwachmathen und Senioren erschien, grenzt an journalistische Fahrlässigkeit. Denn allein in der Westbahnstrasse in Wien-Neubau, in deren unmittelbarer Nähe mein Büro liegt, wimmelt es nur so vor Fahrradgeschäften. Zu denen sich auch mehr und mehr spezialisierte Stores oder eigene Abteilungen für Pedelecs gesellen.

So werfe ich etwa gern einen Blick in die Auslage von “Elektrobiker”, die auf ästhetisch anspruchsvolle Eigenkonstruktionen (“Gekko”, “Lux”, “Fux”) setzen – ohne deswegen den Wunsch verspürt zu haben, die Dinger selbst auszuprobieren. Bislang. Denn neulich traf ich zufällig ein paar Häuser weiter den Geschäftsführer der “IG Fahrrad”, der ein deutsches Modell namens “Grace One” fuhr, das er auch importiert. Er meinte hinterlistig, ich solle mich doch mal draufsetzen. Und eine Runde drehen. Seitdem bin ich angefixt.

Das “Grace One” ist wohl (auch optisch) soetwas wie die Harley Davidson der E-Biker-Szene. In Deutschland wird es tatsächlich als „E-Motorbike“ verkauft („Dieses Fahrzeug hat nichts gemein mit den gängigen elektrisch unterstützten Fahrrädern, den sogenannten Pedelecs.“, liest man etwa im „Manufaktum“-Katalog. „Darauf verweist schon die Tatsache, das es ohne Pedalbewegung aus dem Stand heraus (…) beschleunigt werden kann.“). Nun: grazil ist das Ding nicht wirklich. Dafür bärenstark. Der 1300 Watt-Nabenmotor beschleunigt das Rad raketengleich auf bis zu 45 km/h.

Nun, fragen Sie nicht nach dem Preis! Sollten Sie dennoch zuschlagen, lassen Sie sich vorsichtshalber vom Händler bestätigen, dass das Gerät weder führer– noch waffenscheinpflichtig ist.

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