Die „Festplattenabgabe“ beschäftigt professionelle Medienkommentatoren ebenso wie mitteilungsbedürftige Social Media-Aktivisten. Auf die Strasse bringt die spröde Sachfrage aber nur wenige. Und noch weniger unmittelbar Betroffene.

Im besten Fall war das, was am 17. Oktober im Jahr des Herrn 2012 beim Hochstrahlbrunnen am Wiener Schwarzenbergplatz seinen Auftakt hatte, ein Medienereignis. Denn es hievte das spröde Thema „Festplattenabgabe“ in die „Zeit im Bild“, und zwar nicht nur jene um Mitternacht, sondern auch in die Hauptausgabe um 19 Uhr 30, die von einer siebenstelligen Zahl von Zusehern zur Kenntnis genommen wird. Zudem widmeten sich Radiostationen, die nicht nur Musik dudeln (und davon leben), sondern am Rande auch ihre Produktionsbedingungen wahrnehmen wollen und können – allen voran Ö1 und FM4 – der Diskussion des Themas. Und, sieh’ an!, selbst das Gros der Zeitungen war voll mit Artikeln, Kommentaren und Erörterungen, worum es denn da eigentlich ginge, wenn sich „die Künstler“ mit Transparenten, Megaphon und Marschtrommel zusammenrotten. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit haben diese massive Berichterstattung auch politische EntscheidungsträgerInnen gesehen, gelesen und verstanden.
Im schlechtesten Fall aber war es eine Minderheitenzählung. Und somit eher kontraproduktiver Natur, weil ein Häuflein wackerer Demonstranten letztlich doch nur den Eindruck hinterlässt, das mit diesem Thema keine Wahlen zu gewinnen sind. Ja eventuell nicht mal ein Blumentopf. „Festplattenabgabe jetzt!“, diese Ansage dürfte nach Studium diverser Leserforen – vom „Standard“ bis zur „Presse“ –, Twitter-Einträgen und Facebook-Threads so ziemlich die unpopulärste sein, die man derzeit formulieren kann. Ausser vielleicht Unterstützungserklärungen für Dominic Heinzl. Zudem eine ebenso kuriose wie mächtige Koalition von (ohne Zwangs-Pauschalabgaben kaum lebensfähigen) „Sozialpartnern“ wie der Wirtschafts– und der Arbeiterkammer zu Gegnern zu haben, nebst dem Verband der Elektrohändler, Hewlett-Packard, DiTech, progressiven sozialdemokratischen Akademikerzirkeln und (schon etwas unsicher gewordenen) Grünen, das lässt einen schon eine gewisse Einsamkeit und existenzielle Verlorenheit spüren.
Auch an einer breiten Solidarität konnte man sich nicht wärmen: 27 Verbände – von der Gewerkschaft GdG-KMSfB über den Drehbuchverband Austria, den österreichischen Komponistenbund und die IG World Music bis zum Institut für regionale Sprachen und Kulturen – brachten gerade mal geschätzte 350 Mitglieder auf die Strasse, macht kaum eine Handvoll pro Verein. Kollegen und Kolleginnen der grossen Plattenfirmen wurden ebenso vermisst wie etwa der AKM-Generaldirektor oder namhafte (oder auch unnamhafte) Vertreterinnen und Vertreter der jüngeren Künstler-Generationen. Mutmassungen über den Altersdurchschnitt der „Festplattenabgabe jetzt!“-Marschierer ersparen ich mir und Ihnen. Am Wetter kann es jedenfalls nicht gelegen haben: strahlender Sonnenschein liess die Absenz vieler, die sich dann absehbar baldigst wieder um ein Almosen aus dem SKE-Fonds anstellen, in umso zweifelhafterem Licht erscheinen.
Nur die Gegendemonstration der Festplattenabgabe-Gegner fiel noch kläglicher aus: der „Standard“ berichtete über gerade mal sechzig Mitläufer. Aber die sind ja auch – Achtung, Ironie! – eher im Cyberspace daheim. Immerhin lassen sie sich dort auch Denkwürdiges für die non-virtuelle Welt einfallen. Mit Schildern und Tafeln mit Aufschriften wie „Fuck You Anonymous“, „Raubkopierer hassen Musik“, „Planquadrat fürs Internet“ und „Kultur muss ein knappes Gut bleiben“, die ungeniert-anarchistisch in die Ruiss-Wallfahrt eingeschmuggelt wurden, hatten sie nicht nur die Lacher auf ihrer Seite. Sondern wussten auch den einen oder anderen Beobachter nachhaltig zu verwirren.
Aber lassen wir das. Es macht wenig Sinn, die Dringlichkeit, Komplexität und Brisanz einer Sachfrage mit Zynismus, Minderheitenfeststellungen und Erbsenzählerei zu unterfüttern. Obwohl es natürlich bei der Festplattenabgabe zuvorderst um Zahlen, Empfängerkreise, Verteilungsspielregeln und Geld geht – und die allzu gern fix damit verbundene Grundsatz-Diskussion um das Urheberrecht im 21. Jahrhundert, ACTA, INDECT & Co. und ähnlich komplexe Topics oft nur eine vorgeschobene ist. Hier tobt ein Stellvertreterkrieg: hie eine Generation von alteingesessenen Schaltern und Verwaltern, die es – vorsichtig formuliert – über Jahrzehnte nicht geschafft (und wahrscheinlich auch nicht gewollt) haben, für Transparenz, Zukunftstauglichkeit und ein positives Rollenbild zu sorgen. Es gibt, so scheint’s, kaum Organisationen (ausser vielleicht Österreichs politischen „Alt“-Parteien), die breiten Bevölkerungsschichten anno 2012 unsympathischer erscheinen als Major-Musikkonzerne und Verwertungsgesellschaften, so ungerecht, ja lachhaft das bei ernsthafter Betrachtung auch sein mag.
Auf der anderen Seite lauert eine undurchsichtige Phalanx von Reformeiferern, Utopisten, Piraten, PC-Händlern, Geiz ist geil!-Konsumenten, Anonymous-Romantikern, Cyberspace-Philosophen, Google-Lobbyisten, Wirtschaftsfunktionären, ideologischen Ego Shootern, Gelegenheitsopportunisten, „Kunst hat recht!“-Hassern und konsumentenschutzbewegten Kämmerern. Was heisst lauern: selbstbewusst fordert man Parteistellung am Verhandlungstisch. Worüber aber lässt sich verhandeln, wenn einerseits die Festplattenabgabe pragmatisch längst vom Handel einkassiert wird (was bislang nicht zu Proteststürmen auf Konsumentenseite geführt hat und ganz klar die Frage aufwirft, wer die Millionen wem zurückzahlt, sollte es nicht zu einer Novellierung der Leercassettenabgabe kommen), andererseits wirklich konkrete, tragfähige, politisch und gesellschaftlich rasch durchsetzbare Alternativen nicht auf dem Tisch liegen? Sorry: Diskutieren gerne, ausführlich und jederzeit, aber es kann nun mal nicht der Auftakt eines konstruktiven Dialogs sein, dem Gesprächspartner in die Geldbörse zu greifen. Und sich selbst zu Robin Hood zu erklären.
Zu klären wäre in der Tat vieles. Zuvorderst: wie lässt sich die Wertschätzung für Kunst & Kultur im 21. Jahrhundert in konkrete Formen und Bahnen lenken? Warum verstehen so viele Kulturschaffende das gültige Regelwerk und Vergütungssystem nicht, mit all seinen Pros und Contras – und interessieren sich vielleicht auch deswegen nicht für die aktuelle Diskussion? Wie soll es weitergehen mit den Verwertungsgesellschaften? Wie kann man rasch für mehr Transparenz und Verteilungsgenauigkeit (und damit -Gerechtigkeit) sorgen? Wozu überhaupt diese Lobbyisten- und Kampagnenverliebtheit – können Kreative nicht für sich selbst sprechen? Wer darf als Mandatar mit am Verhandlungstisch sitzen und warum? Was könnten, nein: müssen die Ziele einer fairen Debatte sein? Und: was dürfen wir von der Politik erwarten – oder auch nicht? Man kann es nämlich mit gutem Recht für taktisch vorsichtig und klug halten, wenn anlässlich der immer dringlicheren Forderung nach Klärung der Situation SP-Kulturministerin Claudia Schmied (gegenüber den „Salzburger Nachrichten“) verkündet, dass die Festplattenabgabe „ein verhandlungswürdiger Schritt in die richtige Richtung“ ist und es wichtig sei, für eine „faire Entlohnung der Künstler zu sorgen“.
Mit gleichem Recht aber kann man anmerken, dass das gerade mal eine Zusammenfassung von Selbstverständlichkeiten ist. Und man solchermassen nicht gerade mutig in die neuen Zeiten aufbricht.
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