„Mehr Licht!“ waren angeblich die letzten Worte Goethes auf dem Sterbebett. Längst hat die Literaturforschung dies als Mythos entlarvt. „Mehr Licht!“ könnte aber zum aktuellen Schlachtruf gegen eine fatal intransparente, partiell inferior planlose und traditionell lobby-hörige Medien- und Kulturpolitik werden.
Es gibt einen mächtigen Zeit-Strom – er heisst: Transparenz. Alle anderen signifikanten Entwicklungen, Trends und Strömungen der letzten Jahre ordnen sich diesem Imperativ unter. Egal, ob in Politik, Gesellschaft, Religion, Wirtschaft, in Behörden, Banken oder Medien: es gibt kaum mehr Institutionen, die nicht in Frage gestellt werden. Funktionsträger, die als unantastbar gelten. Tabus, die nicht längst zweifel-, wenn nicht gar lachhaft sind.
Freilich gibt es da wie dort konservative, restaurative oder schlichtweg reaktionäre Kräfte, die sich verbissen gegen den Zeitgeist wehren. Aber ihre erregten lobbyistischen Aktionen und Reaktionen legen die dunklen Zonen der „wohlerworbenen“ Vorrechte, „Das war immer so“-Pfründe, der Freunderl- & Parteibuch-Wirtschaft und der gänzlich ungenierten Machtpolitik, verquickt mit systematischer und nicht gerade selten auch individueller Korruption, umso nachhaltiger offen. Man kann diese zähe Gemengelage, die uns alle zu ersticken droht, mit einem kurzen Wort umreissen: Filz.
Die unfreiwillige Freimütigkeit, die sich aus dem wachsendem Unwillen weiter Bevölkerungskreise, den Status Quo ewig mitzutragen, ergibt, nährt sich auch aus der Verknüpfung immer grösserer Datenbestände, intensiven Recherchen kritischer Journalisten sowie (halb-)informierter Staatsbürger und einer langsamen, aber beständigen Öffnung des Gesetzgebers in Richtung Transparenz. Was wir gerade erleben, ist die Hinterfragung, Durchleuchtung und Aufarbeitung eines Systems, das seine Bedeutung und Legitimation seit jeher aus sich selbst heraus erklärt, eine lebendige Demokratie zur „Demokratur“ herabwürdigt und uns alle die Spesen einer Tafelrunde der oberen Zehntausend zahlen lässt. Oh: es tut verdammt gut, die österreichische Realverfassung ins Wanken geraten zu sehen.
Bevor Sie nun meinen, ich würde hier – vollkommen unpassend – zu einer privatistischen Wirtshaustisch-Tirade ansetzen: leider macht die System-Durchseuchung vor dem Medien- & Kulturbereich nicht halt. Im Gegenteil. Zwei Bespiele. Das erste: der pensionierte ORF-Spitzenmanager, der sich vor Gericht ein zusätzliches Pensions-Körberlgeld von 668.000 Euro erstreitet. Geld, das ihm ein anderer pensionierter ORF-Spitzenmanager freihändig zugesagt hat. Schriftliche Unterlagen dazu gibt es keine.
So geht das also: man schnapst sich – zwischen Machthaberer und Machthaberer, zwischen Parteifreund und Tarockpartner, zwischen Tür und Angel – im Plauderton extra ein paar Netsch aus, um die eh schon beachtliche Gage und privilegierte Pension noch aufzufetten. Wahrscheinlich lautet der Standardreflex dieser Potentaten „Neiddebatte!“, wenn man sich erlaubt darauf hinzuweisen, dass vom Zubrot des Herrn O. etwa 33,4 freie Ö1-Mitarbeiter ein Jahr lang leben könnten (das ist nämlich das generöse Netto-Fixum, das der ORF den zum ewigen Prekariat verdammten Jungjournalisten angeboten hat.) Und wehe, es steht irgendeines dieser Würschtl’n am bis zur Grabesruh‘ reservierten VIP-Parkplatz…
Gut, die ernüchternde Faktenlage in der Zeitung nachlesen zu können. Sie wirft nämlich ein grelles Licht auf den absehbar immer angestrengteren, immer schmerzhafteren (und irgendwann nicht mehr machbaren) ORF-Real-Finanzspagat. Und bringt absehbar die Chefetage am Küniglberg nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern in die Bredouille. Völlig zurecht, wenn Sie mich fragen. Auch wenn in diesem speziellen Fall der amtierende Generaldirektor und seine Justitiare gegen die ORF-Altlasten vor Gericht gezogen sind. Erfolglos, leider.
Zweites Beispiel. Im Wirtschaftsmagazin „trend“ fordern Bundestheater-Holding-Chef Georg Springer und der kaufmännische Geschäftsführer der Vereinigten Bühnen Wien, Thomas Drozda, aktuell eine Aufstockung der Budgets für ihre Häuser von 10 Millionen Euro. Jährlich. Ab 2013. Sonst gehe nämlich, so Springer („Wir stehen jetzt nackt da“), bald gar nichts mehr. Die „Basisabgeltung“ macht bei den Bundesbühnen schon 144 Millionen Euro aus, bei den im Eigentum der Stadt Wien stehenden Vereinigten Bühnen 37 Millionen Euro. Jahr für Jahr. Und das bei Spitzenauslastung. Und teilweise – man denke an das weltweit operierende Musical-Imperium der VBW – bei höchst kommerziellen Mainstream-Produktionen und -Inhalten. Es ist der Grossteil der Kulturbudgets, der solchermassen fix zugeteilt und verplant, selten hinterfragt und evaluiert, insgesamt regelrecht festzementiert wird.
Man könnte jetzt mal polemisch nachfragen, wie die Herren Springer, Drozda & Co. allein ihre eigenen fürstlichen Gagen jenseits des Gehalts des Bundeskanzlers rechtfertigen – aber das kann man getrost auch den Online-Kommentatoren aus dem gemeinen Volk überlassen. Weniger lustig wird es aber, wenn man versucht, die Evaluierungs-Berichte zu den Kulturtankern nachzulesen. Denn diese – Tonnen von Papier! – wurden zwar erstellt, sind aber geheim. Was man so erklärt: „Da Teile der in den Gesamtberichten enthaltenen Informationen aus rechtlicher Sicht als Geschäftsgeheimnisse zu werten sind, deren Offenlegung die Wettbewerbssituation der Österreichischen Bundestheater gefährden oder verschlechtern könnte, wird von einer Veröffentlichung der Gesamtberichte Abstand genommen.“ Schmeck’s! Doch jede Wette, dass sich diese trotzige, wirklichkeitsfremde Position nicht auf Dauer halten lässt.
Der Hang & Drang zur Transparenz hält an. Und wird nicht schwächer werden, im Gegenteil. Denn allmählich sollte sich doch der Grundsatz, dass für alle dieselben (oder zumindest egalitäre) Spielregeln zu gelten haben, durchsetzen. Und, nein, ich habe kein grundsätzliches Problem mit Subventionen – für künstlerische und kulturelle Wagnisse, für Risikoproduktionen, für Qualitätsinhalte und Marktunabhängigkeit, für Off- und Off-Off-Mainstream-Experimente, für nachhaltigen Innovationsgeist und erwiesenes Durchhaltevermögen. Aber ich mag nicht in buntbemalte Touristenattraktionen – gerade steht etwa das Hundertwasser-Haus heftig in der Diskussion – und vage Umwegrentabilitäten, in Brot- & Spiele-Aktionismus und offensive Volksverblödung, in strikt kommerzielle Rendite-Objekte und nie hinterfragte K&K-Traditionen die Kulturbudgets und Medienförderungen hineingepumpt wissen. Zumal diese real schmaler und schmaler werden.
Was Unternehmer, Manager, Investoren mit ihrer privaten Kohle treiben, ist ihre Sache (sofern keine Gesetze verletzt werden). Wenn aber öffentliche Gelder im Spiel sind, Subventionen die primäre (und oftmals einzige) Existenzgrundlage bilden oder kollektive Einnahmen kanalisiert und verteilt werden, ist Transparenz oberstes Gebot. Egal, ob es sich um die Salzburger Festspiele oder das Popfest Wien, die AKM oder die LSG, die Leercassetten-Abgabe oder die ORF-Gebühren, die Honorare für Beraterinnen der Kulturministerin oder Zuträger des Kulturstadtrats oder die Pensionsregelungen für Funktionäre der Arbeiter- oder Wirtschaftskammer handelt.
Mehr Licht! Mehr ist nicht zu sagen. Für’s erste.