Archive for Januar, 2013

Mehr Licht!

31. Januar 2013

„Mehr Licht!“ waren angeblich die letzten Worte Goethes auf dem Sterbebett. Längst hat die Literaturforschung dies als Mythos entlarvt. „Mehr Licht!“ könnte aber zum aktuellen Schlachtruf gegen eine fatal intransparente, partiell inferior planlose und traditionell lobby-hörige Medien- und Kulturpolitik werden.

Handröntgen

Es gibt einen mächtigen Zeit-Strom – er heisst: Transparenz. Alle anderen signifikanten Entwicklungen, Trends und Strömungen der letzten Jahre ordnen sich diesem Imperativ unter. Egal, ob in Politik, Gesellschaft, Religion, Wirtschaft, in Behörden, Banken oder Medien: es gibt kaum mehr Institutionen, die nicht in Frage gestellt werden. Funktionsträger, die als unantastbar gelten. Tabus, die nicht längst zweifel-, wenn nicht gar lachhaft sind.

Freilich gibt es da wie dort konservative, restaurative oder schlichtweg reaktionäre Kräfte, die sich verbissen gegen den Zeitgeist wehren. Aber ihre erregten lobbyistischen Aktionen und Reaktionen legen die dunklen Zonen der „wohlerworbenen“ Vorrechte, „Das war immer so“-Pfründe, der Freunderl- & Parteibuch-Wirtschaft und der gänzlich ungenierten Machtpolitik, verquickt mit systematischer und nicht gerade selten auch individueller Korruption, umso nachhaltiger offen. Man kann diese zähe Gemengelage, die uns alle zu ersticken droht, mit einem kurzen Wort umreissen: Filz.

Die unfreiwillige Freimütigkeit, die sich aus dem wachsendem Unwillen weiter Bevölkerungskreise, den Status Quo ewig mitzutragen, ergibt, nährt sich auch aus der Verknüpfung immer grösserer Datenbestände, intensiven Recherchen kritischer Journalisten sowie (halb-)informierter Staatsbürger und einer langsamen, aber beständigen Öffnung des Gesetzgebers in Richtung Transparenz. Was wir gerade erleben, ist die Hinterfragung, Durchleuchtung und Aufarbeitung eines Systems, das seine Bedeutung und Legitimation seit jeher aus sich selbst heraus erklärt, eine lebendige Demokratie zur „Demokratur“ herabwürdigt und uns alle die Spesen einer Tafelrunde der oberen Zehntausend zahlen lässt. Oh: es tut verdammt gut, die österreichische Realverfassung ins Wanken geraten zu sehen.

Bevor Sie nun meinen, ich würde hier – vollkommen unpassend – zu einer privatistischen Wirtshaustisch-Tirade ansetzen: leider macht die System-Durchseuchung vor dem Medien- & Kulturbereich nicht halt. Im Gegenteil. Zwei Bespiele. Das erste: der pensionierte ORF-Spitzenmanager, der sich vor Gericht ein zusätzliches Pensions-Körberlgeld von 668.000 Euro erstreitet. Geld, das ihm ein anderer pensionierter ORF-Spitzenmanager freihändig zugesagt hat. Schriftliche Unterlagen dazu gibt es keine.

So geht das also: man schnapst sich – zwischen Machthaberer und Machthaberer, zwischen Parteifreund und Tarockpartner, zwischen Tür und Angel – im Plauderton extra ein paar Netsch aus, um die eh schon beachtliche Gage und privilegierte Pension noch aufzufetten. Wahrscheinlich lautet der Standardreflex dieser Potentaten „Neiddebatte!“, wenn man sich erlaubt darauf hinzuweisen, dass vom Zubrot des Herrn O. etwa 33,4 freie Ö1-Mitarbeiter ein Jahr lang leben könnten (das ist nämlich das generöse Netto-Fixum, das der ORF den zum ewigen Prekariat verdammten Jungjournalisten angeboten hat.) Und wehe, es steht irgendeines dieser Würschtl’n am bis zur Grabesruh‘ reservierten VIP-Parkplatz…

Gut, die ernüchternde Faktenlage in der Zeitung nachlesen zu können. Sie wirft nämlich ein grelles Licht auf den absehbar immer angestrengteren, immer schmerzhafteren (und irgendwann nicht mehr machbaren) ORF-Real-Finanzspagat. Und bringt absehbar die Chefetage am Küniglberg nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern in die Bredouille. Völlig zurecht, wenn Sie mich fragen. Auch wenn in diesem speziellen Fall der amtierende Generaldirektor und seine Justitiare gegen die ORF-Altlasten vor Gericht gezogen sind. Erfolglos, leider.

Zweites Beispiel. Im Wirtschaftsmagazin „trend“ fordern Bundestheater-Holding-Chef Georg Springer und der kaufmännische Geschäftsführer der Vereinigten Bühnen Wien, Thomas Drozda, aktuell eine Aufstockung der Budgets für ihre Häuser von 10 Millionen Euro. Jährlich. Ab 2013. Sonst gehe nämlich, so Springer („Wir stehen jetzt nackt da“), bald gar nichts mehr. Die „Basisabgeltung“ macht bei den Bundesbühnen schon 144 Millionen Euro aus, bei den im Eigentum der Stadt Wien stehenden Vereinigten Bühnen 37 Millionen Euro. Jahr für Jahr. Und das bei Spitzenauslastung. Und teilweise – man denke an das weltweit operierende Musical-Imperium der VBW – bei höchst kommerziellen Mainstream-Produktionen und -Inhalten. Es ist der Grossteil der Kulturbudgets, der solchermassen fix zugeteilt und verplant, selten hinterfragt und evaluiert, insgesamt regelrecht festzementiert wird.

Man könnte jetzt mal polemisch nachfragen, wie die Herren Springer, Drozda & Co. allein ihre eigenen fürstlichen Gagen jenseits des Gehalts des Bundeskanzlers rechtfertigen – aber das kann man getrost auch den Online-Kommentatoren aus dem gemeinen Volk überlassen. Weniger lustig wird es aber, wenn man versucht, die Evaluierungs-Berichte zu den Kulturtankern nachzulesen. Denn diese – Tonnen von Papier! – wurden zwar erstellt, sind aber geheim. Was man so erklärt: „Da Teile der in den Gesamtberichten enthaltenen Informationen aus rechtlicher Sicht als Geschäftsgeheimnisse zu werten sind, deren Offenlegung die Wettbewerbssituation der Österreichischen Bundestheater gefährden oder verschlechtern könnte, wird von einer Veröffentlichung der Gesamtberichte Abstand genommen.“ Schmeck’s! Doch jede Wette, dass sich diese trotzige, wirklichkeitsfremde Position nicht auf Dauer halten lässt.

Der Hang & Drang zur Transparenz hält an. Und wird nicht schwächer werden, im Gegenteil. Denn allmählich sollte sich doch der Grundsatz, dass für alle dieselben (oder zumindest egalitäre) Spielregeln zu gelten haben, durchsetzen. Und, nein, ich habe kein grundsätzliches Problem mit Subventionen – für künstlerische und kulturelle Wagnisse, für Risikoproduktionen, für Qualitätsinhalte und Marktunabhängigkeit, für Off- und Off-Off-Mainstream-Experimente, für nachhaltigen Innovationsgeist und erwiesenes Durchhaltevermögen. Aber ich mag nicht in buntbemalte Touristenattraktionen – gerade steht etwa das Hundertwasser-Haus heftig in der Diskussion – und vage Umwegrentabilitäten, in Brot- & Spiele-Aktionismus und offensive Volksverblödung, in strikt kommerzielle Rendite-Objekte und nie hinterfragte K&K-Traditionen die Kulturbudgets und Medienförderungen hineingepumpt wissen. Zumal diese real schmaler und schmaler werden.

Was Unternehmer, Manager, Investoren mit ihrer privaten Kohle treiben, ist ihre Sache (sofern keine Gesetze verletzt werden). Wenn aber öffentliche Gelder im Spiel sind, Subventionen die primäre (und oftmals einzige) Existenzgrundlage bilden oder kollektive Einnahmen kanalisiert und verteilt werden, ist Transparenz oberstes Gebot. Egal, ob es sich um die Salzburger Festspiele oder das Popfest Wien, die AKM oder die LSG, die Leercassetten-Abgabe oder die ORF-Gebühren, die Honorare für Beraterinnen der Kulturministerin oder Zuträger des Kulturstadtrats oder die Pensionsregelungen für Funktionäre der Arbeiter- oder Wirtschaftskammer handelt.

Mehr Licht! Mehr ist nicht zu sagen. Für’s erste.

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Der tönende Heizlüfter

27. Januar 2013

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (196) Ein Gitarrenverstärker, der aussieht wie ein Toaster und formidabel klingt? Ja, den gibt es.

YAMAHA THR10

Das Yamaha Austria-Team hat es wirklich nicht leicht mit mir. Denn eigentlich sollte ich seit Tagen, wenn nicht gar Wochen ein Testgerät retournieren – und zögere die Rückgabe des Teils mit immer neuen, immer abenteuerlicheren Begründungen hinaus. Hier und jetzt starte ich sogar eine öffentliche Charme-Attacke, die vielleicht eine zusätzliche Gnadenfrist einbringt. Es ist halt so,dass die kühl-professionelle Beurteilung neuer und neuester Geräte der Elektronik- und Unterhaltungsindustrie gelegentlich von akutem Nerd- & Fan-Verhalten konterkariert wird. Und man selbst in eine Rolle kippt, die ihren Stammplatz eher in einem Spielzimmer hat als in einem Maschinenraum für Erwachsene.

Was nun löst diesen Pawloffschen “Will haben!”-Reflex aus? Es ist, räusper, ein Gitarrenverstärker. Von Yamaha, Modell No.THR10. Eigentlich sieht das Ding – einmal mehr im Retro-Design der fünfziger Jahre – wie ein Toaster aus. Oder ein Heizlüfter für den Abstellraum. Natürlich kann man mit solch einem tönenden Durchlauferhitzer, der sich zur Not auch mit Batterien betreiben lässt, nicht die Stadthalle beschallen. Aber für die Garage oder den Proberaum reicht der THR10 allemal.

Von innen her glimmt es rötlich – was wohl Röhrentechnik simulieren soll. Aber auch die schnöde Verstärkung durch Transistoren hat ihre Vorzüge. Mittels Drehregler und gratis downloadbarer Editor-Software lassen sich alle möglichen klassischen Amp-Sounds nachstellen und mit Effekten (Hall, Chorus, Flanger, Tremolo usw.) aufpäppeln. Zusätzlich gibt es einen Aux- und USB-Eingang, etwa für den Laptop oder iPod. Da Yamaha als der führende Musikinstrumente-Fabrikant der Welt, der auch eine formidable HiFi-Schmiede betreibt, hörbar Wert auf brauchbaren Klang legt, ist das also ein ziemlich vielseitiges Köfferchen. Es macht wirklich Spass, die Welt glauben zu lassen, man hätte im Hobbykeller ein 6L6-Jazz-Röhrenmonster herumstehen.

Also lasst die Musik noch ein wenig spielen, liebe Yamaha-PRAbteilung! Und wenn ich den THR10 zurückschicke, hätte ich gleich die nächste Bestellung parat: die Keyboard-Workstation MX49. Da überschlägt sich auch gerade die Fachpresse, was die Fähigkeiten und das Preis-/Leistungsverhältnis dieses brandneuen Synthesizers angeht. Die Zukunft des Musikgenusses liegt ja, wenn man z.B. dem Künstler Beck Hansen (alias Beck) folgt, keinesfalls in passiver Berieselung. Sondern in aktivem Musizieren. Folgerichtig vertreibt der gute Mann sein neuestes Album „Song Reader“ nur als Notenheft… Jetzt muß ich, nebstbei, nur noch A-Moll von E-Moll unterscheiden lernen.

Der Schwanzhund & ich

19. Januar 2013

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (195) Facebook beginnt zu nerven. Geht’s bitte auch ohne Kommerz-Kackophonie und Kindergartentanten-Gehabe?

schwanzhund

Seltsames Gefühl, plötzlich nicht mehr am fröhlichen Kommunikations-Ringelreih’ auf Facebook teilnehmen zu dürfen. Und sich in der Verbannung wiederzufinden. Zwar nur für 24 Stunden. Und das nach mehrmaliger Vorab-Ermahnung. Aber doch: plötzlich geht nichts mehr. “Diese Funktion ist vorübergehend blockiert”, meldet sich die Kindergartentante aus der Unternehmenszentrale zu Wort. “Um zu verhindern, dass Du erneut gesperrt wirst, solltest Du die Standards der Facebook-Gemeinschaft gelesen und verstanden haben.”

Was ich zwar gelesen habe, aber bis heute nicht verstehen will, ist der Umstand, dass diese Sperre – meinerseits eine Premiere, Freunde berichten mir, dass ihnen derlei bereits dutzendfach und monatelang passiert ist – auf einer schlichten Meinungsäusserung beruhte. Dahingehend, eine ständig wiederkehrende Werbemeldung eines esoterischen, sektenartig agierenden und offensiv die Werbetrommel rührenden NLP-Unternehmens tunlichst nicht mehr sehen zu wollen.

Eine Social Media-Plattform mit etwas künstlicher Intelligenz hätte meinen Unmut kapiert, erhört und die subjektiv so penetrante Anti-Werbung einfach ausgeblendet. So aber wurde mein legérer Anstoß zum Sündenfall. Zur Gotteslästerung. Verwarnung, temporäres Redeverbot, bei Wiederholung Exkommunikation und Ausstoß aus der Glaubensgemeinschaft. Marc Zuckerberg hat gesprochen. Ich war baff, zugegebenermassen.

Peter Glaser, der beste netzaffine Kolumnist des deutschsprachigen Raums, hat in diesem Kontext seine eigene Geschichte zu erzählen. Die kuriose Story vom “Schwanzhund” – einem Bild, das einen Hund zeigt, aber bei flüchtiger Betrachtung auch andere Assoziationen zulässt. Auch hier gab es eine Abmahnung, der ein Identitäts-Check voranging. “Facebook ist wie ein Bienenkorb“, sagt Glaser. „Wir alle produzieren viele kleine Zuckertröpfchen für den grossen Zuckerberg.“

Für die „Schwanzhund“-Zensur hat der Autor zwei mögliche Erklärungen: „Entweder hat irgendein Marokkaner, der unterbezahlt für Facebooks Anti-Porno-Brigade arbeitet, die Ironie nicht verstanden. Oder eine Maschine hat den Inhalt gefiltert.“ Beides bedeute, dass sich Facebook seine Schäfchen mit möglichst geringem Arbeitsaufwand vom Halse halten will. „Sie sollen brav miteinander spielen und den Reklamerand lesen, sonst fliegen sie raus. Das ist das Gegenteil von sozial.“ Word.

Freund Glaser hat noch einiges mehr zu sagen, man sollte es lesen. Und rückt der gute Mann eines Tages Ober-Kindergartenonkel Zuckerberg schärfer an den Kragen oder zieht mit guten Gründen ganz von dannen, bin ich der erste, der sich ihm anschliesst.

Retromania

12. Januar 2013

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (194) “Retro” ist der letzte Schrei. Dabei leben wir in einer ewigen Echokammer der Moden.

retromania

Neulich stolperte ich im Zug der Berichterstattung zur weltweit wichtigsten Technik-Messe, der CES in Las Vegas, über einen “Spiegel Online”-Artikel, der die Fujifilm X100s an die Spitze setzte.

Unter Kennern gilt das Vorgängermodell dieser Kamera als Auslöser der Retro-Welle, die insbesondere in der Fotobranche – aber nicht nur dort – Raum greift. Ein markanter optischer Sucher auf einem edlen Magnesiumgehäuse, viele manuelle Einstellmöglichkeiten, Fixbrennweite, die geriffelte schwarze Oberfläche in Lederoptik: das ist ein Apparat, der äusserlich ungeniert an alte Vorbilder (etwa von Leica, Konica, Agfa oder Voigtländer) erinnert. Wiewohl er, was die Innereien betrifft, auf dem letzten Stand der Technik ist.

Auch andere Fujifilm-Novitäten wie die Systemkamera X-E1 oder das kompakte Modell X20 huldigen optisch der Vergangenheit. Die japanische Firma scheint sich ganz einem Trend verschrieben zu haben, den der britische Autor Simon Reynolds – hier allerdings mit Blickwinkel auf die Pop-Kultur per se – als “Retromania” beschrieb. Als “Früher war alles besser”-Wahn, der Innovationen behindere und uns ewig in verstaubten Denkmodellen Karussell fahren lässt.

Eine würdige, aber durchschaubare Polemik. Die Selbstbezogenheit ganzer Branchen hat ihre Gründe: hier tummeln sich auch jede Menge Connaisseure, Sammler und Jäger, die ihr Geld vorrangig aus ästhetischer und intellektueller Liebhaberei in die Geschäfte tragen. Kein Mensch braucht ein Dutzend Kameras – wer also soll noch die Wirtschaft ankurbeln ausser Design-Liebhaber und Objekt-Fetischisten?

Insofern sind auch wirklich frische Entwürfe von Interesse: eine Sigma DP3 oder Nikon 1J3, die – auch Retro? – fast Bauhaus-artige Schlichtheit auszeichnet. Oder Canons annähernd quadratische, WLAN-taugliche Schnappschuß-Kamera Powershot N. Mal schau’n, ob diese 2013er-Modelle einst für zukünftige modische Remineszenzen als Vorlage dienen.

Selbst als Retro-Liebhaber geht mir aber so mancher Marketing-Gag zu weit: so habe ich ein Philips-Radio mit iPhone-Docking Station, Modell ORD7300, geordert, das an ein altes “Philetta”-Röhrenradio der fünfziger Jahre erinnert. Allerdings nur sehr oberflächlich. Geht retour. Apropos: möchte nicht jemand baldigst den besten österreichischen Markennamen aller Zeiten – “Hornyphon” – wieder ausgraben?

Es konnte kein Speicherplatz zugewiesen werden

5. Januar 2013

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (193) Heissa! Sie können diese Kolumne nicht nur lesen, sondern auch hören. Eventuell aber auch nicht.

Vocal Studio

Manchmal fühlt man sich wie der letzte Trottel. Pardon, aber so ist nun mal die Befindlichkeit, wenn man sich für einen alltagstechnisch einigermassen kundigen Menschen hält (der ja auch regelmässig und ungeniert Episteln zum Thema schreibt; Sie lesen gerade eine) – und an Details scheitert, die einen nachhaltig am eigenen Hausverstand zweifeln lassen.

Die Geschichte zu dieser erregten Einleitung geht so: ein Radiosender, der via Internet allerorten und auf einer regulären UKW-Frequenz in Linz, Steyr, Wels, Klagenfurt, Gmunden und mit gut Glück bald auch in Salzburg und Wien zu empfangen ist, meinte, es wäre eine hübsche Idee, diese Kolumne für sein Publikum hörbar zu machen. Ich möge doch einfach, sagte der Chef der Station, mein Geschreibsel in ein Mikrofon sprechen und als Audio-File auf den Redaktionsserver hochladen. Simple as that. Ich erinnerte mich augenblicklich an selige Ö3-Zeiten, wo man mit Magnetband und Schneideschere hantierte und einen Tontechniker, der gelegentlich sogar noch einen weißen Arbeitsmantel trug, an seiner Seite hatte.

Anno 2013 dagegen meint man, leichterhand mit einem Aufnahmestudio “out of the box” und im Rechner auskommen zu können. Namentlich “Avid Vocal Studio”. Das ist, kurzgefasst, ein USB-Mikrofon samt Interface und Recording-Software (für Interessierte: Pro Tools SE, eine abgespeckte Variante des weit verbreiteten Profi-Programms). Kosten tut das Paket soviel wie ein paar dutzend Wurstsemmeln in der ORF-Kantine. Und die Werbung verspricht eine einfach zu bedienende Universallösung für Podcaster, Nachwuchssängerinnen und Heimbastler wie mich.

Denkste. Nach dem x-ten Versuch, eine ebenso notorische wie rätselhafte Fehlermeldung (“An access violation has occurred”), gefolgt vom gleichfalls kryptischen Hinweis “Es konnte kein Speicherplatz zugewiesen werden”, zu durchschauen, gab ich das Unterfangen auf. Und spreche diese Kolumne jetzt in das Mikrofon meines iPhones. Entschuldigen Sie also bitte die absehbar mässige Ton- und Schnittqualität. Sofern Sie denn überhaupt etwas zu hören bekommen. (Wobei: die ersten Testaufnahmen mit Apps wie „VC Audio Pro“ oder „iRig Recorder“ tönen formidabel.)

Das Unterfangen, auch nur annähernd zu begreifen, was man denn im „Vocal Studio“-Universum falsch gemacht haben könnte – die rudimentäre Bedienungsanleitung verweist auf eine Hotline im Ausland, dort hebt niemand ab, im Netz steht auch nichts Brauchbares – dauert noch an. Eventuell ewig.

Local Heroes

4. Januar 2013

Ein Detail ist falsch bei diesem Film: kaum ein Musiker, kaum eine Band glaubt heute an den seligmachenden, karriereerfüllenden Status eines Major-Plattenvertrags. Sonst aber stimmt fast alles in „Local Heroes“. Die Obsession. Die Tonspur. Die Hoffnungslosigkeit. Die Story an und für sich. Eine Kino-Empfehlung.

Local Heroes Plakat

Vielleicht ist es ja ein Zufall, dass gerade zwei Filme, die sich – auf gewiß ganz unterschiedliche Weise – des Themas Musik annehmen, auf die Kinoleinwände drängen: Mirjam Ungers „Oh Yeah, She Performs!“ und Henning Backhaus’ „Local Heroes“. Ersterer ein Dokumentarfilm, der Musikerinnen in den Mittelpunkt stellt, letzterer ein Spielfilm-Debut, der eine Geschichte aus dem Kontext einer Newcomerband heraus erzählt.

Beide Filme arbeiten mit österreichischer Alternative Pop/Rock-Musik. „Arbeiten“  heisst: den Protagonisten und den von ihnen gewollt verursachten Tönen, Zwischentönen, Geräuschen, Sounds und Songs Raum geben, sie ernst nehmen, ja wichtig, sie wirken lassen. Auf sich selbst und auf andere. Das ist eine essentielle  Gemeinsamkeit der erwähnten Filme, und beide fallen sie in eine Zeit, die man getrost als als die richtige Zeit dafür erkennen kann. Denn noch nie war die heimische Szene so dicht, so qualitätsvoll, so vital, tatendurstig, bemerkenswert wie 2012/2013.

Nun ist „Local Heroes“ ein Coming-of-Age-Drama, das zuvorderst die – ebenso naiven wie obsessiven – Träume eines Nachwuchsmusikers, bebildert. Ein Newcomer, der noch nicht einmal fix zum Lokalheroen aufgestiegen ist, ersehnt eine professionelle Karriere – etwas, das im engen kulturökonomischen Biotop Wien bzw. Österreich fast zwingend zum Filmriß führen muß. Dennoch wohnt diesem – bei allen  Live- und Probekeller-Lautstärkeexzessen – stillen Streifen eine ungewohnte Kraft und Sehnsucht inne. Der „Rat Race“ der Musikindustrie, das verzweifelte Drehen am und im Hamsterrad der Möglichkeiten, der darwinistische Konkurrenzkampf in einem nicht gerade selten belächelten Spielfeld der Populärkultur ist das Hauptmotiv in „Local Heroes“. But what can a poor boy do but play in a rock’n’roll band?

Herausgekommen ist – neben dem Kinofilm selbst – ein Soundtrack, der sehr ernsthaft (und dabei doch spielerisch), eigenständig und nachdrücklich ein Statement setzt. Einerseits, weil er eine Szene durchmisst, die sonst gerade mal von FM4 und Radio Soundportal wahr- und ernstgenommen wird. Anderseits, weil er auch bei der puren Fiktion nicht danebengreift. Eine imaginäre Band wie Yoko Love wird gleichberechtigt neben (mit tollen Tracks vertretenen) Szenegrössen wie Marrok, Mother’s Cake, Gudrun von Laxenburg und Cardiochaos gestellt. Und besteht mit ihren Songentwürfen.

Hans Wagner, der Musik-Guide des Films und selbst aktiv bei Das Trojanische Pferd, Neuschnee, Hans im Glück u.a., hat ganze Arbeit geleistet. Props gehen auch an die Studioprofis Jonathan und Georg Gabler und an den Produzenten Michael Katz. Und natürlich an den Haneke-Schüler Henning Backhaus, der sich an das nicht gerade einfache (und noch weniger einfach darstellbare) Musiker(innen)-Milieu herangewagt hat. Und Musik als alltägliches Lebensmittel, als Über-Lebensmittel begreift. Ich sage: diese Songkollektion kann einiges. Der Film kann noch mehr. Hören, sehen, weitersagen.

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