MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (217) Ein Schritt zurück kann auch ein Fortschritt sein. Windows 8.1 versucht den Beweis anzutreten.
LOL! Das Kürzel steht in der Online-Welt für „Lough Out Lout“. In tatsächlich kaum zu unterdrückendes Gekicher, Gekecker und Gekuder verfallen bin ich vorgestern. Bei der Vorstellung des ersten grösseren Updates von Windows 8. Erraten: Acht Punkt Eins. Denn bei der Live-Präsentation dieses Betriebssystems durch Microsoft-Chef Steve Ballmer – die PC-Branche ähnelt hier Sekten und ihren Predigern – erhielt der gute Mann den denkbar grössten Applaus für einen mutigen Schritt zurück.
Hallelujah, der Windows-Start-Button ist wieder da! Wenn auch ein kleiner Etikettenschwindel. Und man kann mit dem altbekannten Desktop-Modus in den Arbeitsalltag einsteigen, hat also den eigenen elektronischen Schreibtisch vor Augen und nicht mehr die Kachelwand von Windows 8. Sollte man dennoch das Bedürfnis nach dem umstrittenen Modernismus der Microsoft-Designer haben, darf man nun die Schaltflächen individueller gestalten und strukturieren. Nochmals: hallelujah!
Ich erlaube mir an dieser Stelle, die hoch bezahlten Experten auf einen verblüffenden Umstand aufmerksam zu machen. Einen reichlich trivialen, aber zugleich fundamentalen Lehrsatz. Er lautet: Menschen sind Gewohnheitstiere. Und ich habe nicht nur einmal meine Freundin – die alles andere ist als ein Computer-Nerd, aber gewiss auch nicht vernagelter als der Rest der Menschheit – leise fluchen und dabei sagen hören: „Das sieht aber anders aus als bei mir im Büro“. Irritation deluxe!
Die Vorgeschichte: zu Weihnachten hatte ich ihr einen in Geschenkpapier verpackten Windows-Laptop überreicht, weil ich die fortwährenden Beschwerden bei Nutzung meines Apple MacBooks (erraten!: „Das sieht aber anders aus als bei mir im Büro“) nicht mehr ertragen mochte. Allein: sie ist ein Gerät mit Windows Vista – oder gar noch dem Uralt-Windows XP? – gewohnt. Die bunte, verwirrende Kachelwelt von Windows 8 macht sie fertig. Und mich auch. Ich bin nun nämlich als persönlicher Amateur-Systembetreuer ständig mit Fragen konfrontiert. Fragen wie „Wenn ich da drauf klicke, was passiert dann?“ oder „Warum befinde ich mich jetzt hier?“ oder gar „Habe ich jetzt unabsichtlich alles gelöscht?“. Und bin solchermassen gezwungen, mich mehr mit diesem Betriebssystem auseinanderzusetzen als mir lieb ist.
Mister Ballmer! Hoffentlich klappt’s jetzt. Sonst, fürchte ich, werden weder Sie noch ich Windows 9 erleben. Was ja auch eine Erlösung sein könnte.