Archive for Oktober, 2013

Ça plane pour W.

26. Oktober 2013

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (234) Was schenkt man einem Mann, der schon alles hat, zum Geburtstag? Antwort: ein zukunftstaugliches Stück Vergangenheit.

Pinball Wizard

Neulich begab es sich, dass mein bester Freund W. Geburtstag feierte. Nicht irgendeinen, sondern den rundesten, den man üblicherweise – abgesehen vom hundertsten – in einem Menschenleben begeht. W. ist, trotz seines denkwürdigen Alters, ein junger Mann geblieben: verheiratet mit einer noch jüngeren, wunderbaren Frau, ausgerüstet mit blühender Gesundheit und allen erdenklichen irdischen Annehmlichkeiten, wach im Herzen und hell in der Birne wie eh und je.

Man darf diesen Mann also ruhigen Gewissens beneiden. Als Redakteur einer Radio-Sachbuchsendung geniesst W. zudem das Privileg, sich jedem ihn interessierenden Gegenstand und Thema schon von Berufs wegen widmen zu dürfen. Und ihn interessiert so ziemlich alles – da bedarf es keiner ausgeprägten Hobbies oder ausgefallener Gadgets mehr, um gegen etwaige Langeweile anzukämpfen.

Was schenkt man so einem Mann? Die Frage stellte sich, weil ich auf ein Angebot des Freundeskreises, mich an einem kollektiven Präsent – man sammelte für eine Reise – zu beteiligen, abschlägig reagierte. So fein solche Geschenke für den Beschenkten sein mögen – wer braucht schon acht Design-Zitronenpressen? –, so sehr ziehe ich individuelle Überlegungen und Überreichungen vor. Zunächst wollte ich W. also, der in Jugendjahren als Pinball Wizard von Wien galt (und in dieser Disziplin nur bisweilen, ha!, vom Schreiber dieser Zeilen geschlagen werden konnte), mit einem alten Flipper-Automaten beglücken. Einem Prachtstück der prä-digitalen, mechanischen Ära, die unsere Generation wohl als letzte in voller Blüte erlebt hat.

Das hätte ihm schon gefallen, aber auf meine leise Anfrage, ob er sich vorstellen könne, so ein Trumm ins Wohnzimmer zu stellen, folgte umgehend bedauerndes Kopfschütteln. Platzprobleme, wer hat sie nicht? Leider unterband exakt dieses existentielle Hindernis auch die Regung, W. eine Jukebox voller erinnerungsträchtiger Singles von Johnny Wakelin („In Zaire“), Drahdiwaberl („Plöschberger“), Slade („Cum On Feel The Noize“) und Plastic Bertrand („Ca Plane Pour Moi“) zu schenken. Oder einen chromblitzenden Retro-Röhrenverstärker mit mannshohen Lautsprecherboxen. Oder.

Sie merken: eine gewisse technische Affinität teilen W. und ich. Da müsste ich schon sehr daneben liegen, wenn ich seine wildesten Wünsche und Phantasien nicht erriete, haben wir doch schon in der Volksschule Auto-Sammelbilder getauscht. Was also tun? Machen wir’s spannend: die Antwort erfahren Sie – und er – dann nächste Woche. Happy Birthday!

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Das Geizhals-Syndrom

19. Oktober 2013

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (233) Benzin- oder Elektromobil? Der Zukunftsmarkt hängt zuvorderst vom Sparwillen der Autokäufer ab.

Jamais_contente

In der vorwöchigen „Presse am Sonntag“-Kolumne habe ich ungeniert meine Faszination für die Spezies Elektroauto durchklingen lassen – durchaus verstörend für Benzinbrüder, aber ich scheine damit nicht ganz allein auf weiter Flur zu sein. Auch wenn die Zulassungszahlen momentan noch am Rand der Wahrnehmungsgrenze herumgrundeln: bald könnte richtig Schwung in die Sache kommen.

Im Fall des Luxusmodells Tesla S, das in Norwegen in punkto Verkaufsstatistik selbst den Brot- & Butter-Boliden VW Golf hinter sich gelassen hat, ist das auf lokale Fördermassnahmen und Privilegien zurückzuführen. Und, klar, auf einen daraus resultierenden, vergleichsweise sehr günstigen Anschaffungspreis und verlockend niedrige Kilometerkosten.

Mittlerweile habe ich den Tesla des Musikproduzenten R., der zu den ersten Besitzern des Fahrzeugs in hiesigen Gefilden zählt, näher in Augenschein genommen. Das macht schon richtig Freude – vom überdimensionalen Touch-Monitor, der das Armaturenbrett ersetzt, bis zur vollkommenen Lautlosigkeit der Fortbewegung. Aber das sind nur erste, flüchtige Impressionen. Was zählt, sind Langzeiterfahrungen. Anyway: ich werde R. mit Flötentönen zu einer ausgedehnten Probefahrt zwingen und Ihnen dann berichten. Auch den BMW i3 habe ich schon auf die Wunschliste gesetzt.

Zuvor aber gilt es etwas zu bereden, was der Fahrzeugbranche – egal, ob Benzin oder Strom – noch mächtig Probleme bereiten wird: die um sich greifende Dumping-Mentalität. Nennen wir das Phänomen das „Geizhals-Syndrom“, das zunächst ja für die Konsumentenseite erfreulich wirkt: wer hat nicht gern ein neues Auto zum billigstmöglichen Preis? Die Möglichkeiten, Vergleiche anzustellen und Angebote systematisch zu durchforsten, sind ja mit dem Internet förmlich explodiert.

Jedoch: die Preisschlacht lässt automatisch auch die Handelsspannen gegen Null tendieren. Und fordert eine gewisse Schlankheit der Serviceleistungen. Auch die tendieren mittlerweile gen Null. Wenn der Automobilmarkt oberflächlich so überhitzt, in Wirklichkeit aber deutlich unterkühlt ist, dass sich die grossen Markenanbieter entweder in forcierten Export oder kaum camoufliertes Sich-gegenseitig-in-den-Ruin-Treiben flüchten, lässt das leider auch wenig Spielraum für die Entwicklungsabteilungen. Aber läge nicht gerade da das Hoffnungsterrain?

Im Schnitt gewähren Autohändler in Deutschland auf die 30 aktuell meistverkauften Modelle 20,1 Prozent Rabatt. Und in „Österreich“ (ja, ich meine die keck nach dem Verbreitungsgebiet benannte Zeitung, die inzwischen mehr einem Verkaufsprospekt ähnelt) überschlägt man sich bei KfZ-Inseraten mit Aktionitis: „Fahren ohne Anzahlung!“, Kurzzulassungen, „Servicegutscheine geschenkt!“, „Preiskracher!“, Superdupersonderkonditionen zum Abwinken. Einen Ford Fiesta gibt es z.B. um knapp über 10.000 Euro, das sind – ohne, dass ich den Taschenrechner zücke -, deutlich über 30 Prozent unter dem Listenpreis. Wozu dann aber überhaupt noch Hersteller-Preislisten? Sind die für die ganz Uninformierten (so wie die offiziellen Verbrauchsangaben)?

Sollen die Wirtschaftsexperten streiten: ist das jetzt ein Zeichen für eine immer grösser werdende Krise – oder für einen fulminanten Aufschwung? Und, wenn letzteres, wo? Oder einfach nur ein Fanal der ewigen Dummheit der Konsumenten, denen vermeintliche Geschenke später umso sicherer und deftiger in Rechnung gestellt werden. Mit Garantie.

Öl ins Feuer

13. Oktober 2013

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (232) Angst vor einem Batterienbrand in einem Elektrofahrzeug? Tesla sagt: vergessen Sie’s!

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Dass sich mehr als drei Millionen Schaulustige auf YouTube ein – noch dazu relativ unspektakuläres – Video eines brennenden Fahrzeugs an einer einsamen Strassenkreuzung reinziehen, kommt auch nicht alle Tage vor. Jedes Jahr gehen allein 180.000 Autos in den USA aus unterschiedlichsten Gründen in Flammen auf. Bis auf die Besitzer dieser Vehikel, ihre Versicherungsagenten und die Einsatzkräfte der örtlichen Feuerwehr lässt das die Menschheit eher kalt. Dass aber solch ein Vorkommnis, das für den Fahrer gottseidank glimpflich verlaufen ist, den Hersteller des Fahrzeugs an der Börse in Kalamitäten bringt, darf dann doch als aussergewöhnliche Entwicklung gewertet werden. Ausser der Hersteller heisst Tesla. Und die verkohlte Maschine ist ein Elektro-Sport-Bolide vom Typ Tesla S.

Irgendein Metalltrumm, das auf der Fahrbahn herumlag, hat unlängst den Fahrzeugboden einer dieser flotten Karren durchschlagen und ein paar der unzähligen, flüssigkeitsgekühlten Lithium-Ionen-Akkuzellen erwischt. Die Feuerwehr, ungeübt im Umgang mit Elektroautos, verschlimmerte mit ihren Löschversuchen zunächst die Malaise eher als sie rasch zu beenden. Und noch rasanter, sprichwörtlich wie ein Lauffeuer, verbreiteten sich Augenzeugenberichte im Netz – „Oh, that’s a Tesla, dude!“ Am nächsten Tag rasselte die Aktie bis zu 13 Prozent ins Minus, macht unterm Strich rund drei Milliarden Dollar Kursverlust wegen einer ausgebrannten Limousine mit einem Listenpreis von knapp 70.000 Dollar.

Dabei hatte ausgerechnet dieses Modell erst im August dieses Jahres die Bestnote beim Sicherheitstest der National Highway Traffic Safety Administation erhalten. Treppenwitz: auf die Nachfrage, ob nun dieser – prototypische? – Fall von der Behörde genauer untersucht werde, erhielt die „New York Times“ keine Antwort. Die US-Behörde ist, wie unzählige andere Einrichtungen und Ämter, wegen des akuten Haushaltsnotstands der Vereinigten Staaten geschlossen.

Die Prognose, dass sich dagegen der Aktienkurs des innovativen Herstellers Tesla rasch erholen wird, ist teilweise schon eingetroffen. Weniger gut geht es im Kontrast dazu vielen Autofabriken rund um den Globus, die ungebremst auf altvatterische, benzinfressende Verbrennungsmotoren setzen. Hersteller und Händler liefern sich gerade jetzt im Herbst Dumping-Preisschlachten wie selten zuvor. Wann kommt eigentlich – Öl ins Feuer! – das erste Fahrzeug auf den Markt, das man für eine Unterschrift unter einen langjährigen Wartungsvertrag „geschenkt“ bekommt? Muß ja kein Tesla S sein. Obwohl sich ausgerechnet der in Norwegen inzwischen besser verkauft als ein VW Golf.

Der Killerfaktor

6. Oktober 2013

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (231) Bang & Olufsen angeschlagen, Loewe pleite. Ist der Design-HiFi- & TV-Markt endgültig tot?

B&O Sample

Zwei Meldungen liessen diese Woche einige Menschen hellhörig werden. Erstens: Loewe, ein traditionsreicher deutscher Hersteller von TV-Geräten und Lautsprechersystemen, hat Insolvenz angemeldet. Noch glaubt man aber in der Chefetage an eine Zukunft und will schon in den nächsten Tagen einen Investor aus dem Nahen Osten oder China präsentieren. Oder gar Apple?

Die zweite Meldung betraf den dänischen Anbieter Bang & Olufsen, der vielen Kunden unter dem Kürzel B&O geläufiger ist. Bei einem Quartalsumsatz von nur noch 75 Millionen Euro rutsche der Anbieter tiefer und tiefer in die Verlustzone – allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2013 hat man einen Verlust von neun Millionen Euro erwirtschaftet. Der zweitgrösste europäische Unterhaltungselektronikkonzern „kämpft seit längerem mit einer Nachfrageflaute“, so die APA, „und der harten Konkurrenz aus Asien.“ Namentlich sind das zuvorderst Samsung und LG.

Nun sind die Krise von B&O und das mögliche Ende von Loewe nur für eine zahlenmässig kleine Klientel eine Schreckensnachricht. Es ist jene Bevölkerungsschicht, die – um ein leuchtkräftiges Klischeebild zu entwerfen – auf sauteuren Bobo-Sofas herumlümmelt, regelmässig den „Architectural Digest“ studiert und Nespresso mit abgespreizten Fingern aus italienischen Designer-Tassen (Limited Edition) schlürft. Und eine Marke oft nur aufgrund ihres „In“-Faktors und inhärenter Distinktionsqualitäten schätzt.

Wirkliche Sentimentalität, ja Trauer unterstelle ich dagegen Kennern der reichen Historie sowohl der dänischen wie der deutschen High End-Schmiede. Wer Gerätschaften wie den Plattenspieler Beogram 4000, den Radio-Portable Beolit 600 (Entwurf: Jacob Jensen) oder den auch im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellten Fernseher Loewe Art 1 – to name just a few – geschaffen und durchgängig einen Willen zu minimalistischer Eleganz und neuen Formensprachen gezeigt hat, muss im Fall des Falles in einem Markt, der Konformität und Kack-Design begünstigt, als Verlust gelten. Unbedingt.

Wie aber konnte es so weit kommen? Vox populi sagt: die Geräte sind schön, aber schlichtweg zu teuer. Nun greift diese Sichtweite eindeutig zu kurz – denn ein bestimmter Menschenschlag giert nunmal nach Qualität und ist bereit, dafür fast jeden Preis zu bezahlen. Wenn aber hinter gebürsteten Aluminiumoberflächen letztlich auch nur Billig-Elektronik, Plastikteile und Panels aus Korea stecken und überteuerte Designlautsprecher kaum schmeichelhafter klingen als 08/15-Kisten aus dem Elektromarkt, wächst sich Gewinnmaximierung rasch zum Killerfaktor aus.

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