Archive for Juli, 2014

Fitness Hijacking

27. Juli 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (271) Bitte verpassen Sie Ihrem inneren Schweinehund einen digitalen Maulkorb!

Runtastic

Ich gestehe: ich habe Unfug getrieben. Und Ungehöriges getan. Aber es war nicht bös’ gemeint. Ich dachte, wer mich kennt, wird mir das sowieso nie glauben. Und den Witz an der Sache umgehend erkennen.

Wie immer aber, wenn Ironie ins Spiel kommt im Netz, wird man missverstanden. Und nicht gerade wenige meiner Facebook-Freunde haben eine meiner Statusmeldungen der letzten Tage für bare Münze genommen. Die Meldung nämlich, ich wäre 15,6 Kilometer gelaufen. Und zwar in knapp zwei Stunden. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 7:42 Minuten pro Kilometer. Und einem Energieverbrauch von 1323 Kilokalorien.

Die Wahrheit ist: diese Strecke – sie ist kartographisch irgendwo zwischen Maria Enzersdorf und Brunn am Gebirge angesiedelt – ist ganz jemand anderer gelaufen. Ich Spassvogel habe einfach die Statusmeldung seines Runtastic-Accounts per Copy & Paste ausgeschnitten und in meine Timeline übertragen. Und darf damit taxfrei als Erfinder der neuen Social Media-Kategorie “Fitness-Hijacking” gelten (jemand brachte auch den Begriff „Nordic Stalking“ ins Spiel). Einige Freunde gratulierten umgehend zu meinen sportlichen Aktivitäten, andere erklärten Zeit, Strecke und Kalorienverbrauch für verbesserungsfähig.

Ich gestehe abermals: zuerst lächelte ich still in mich hinein, weil ich nun, ohne einen einzigen Schweißtropfen vergossen zu haben, als halbwegs fitter Zeitgenosse galt. Endlich konnte ich mich einreihen in die wachsende Liste jener Sportskanonen, die dem Rest der Welt ungefragt ihre Laufstrecken und Rundenzeiten mitteilen. Und sich gegenseitig übertrumpfen in den Fußstapfen von Emil Zatopek. Dann aber kam mir der Originalinhaber der tolldreist gekaperten Runtastic-Werte auf die Schliche. Und in die Quere. Er meinte – vollkommen zurecht übrigens –, ich solle meine Scherze doch mit jemand anderem treiben, aber nicht mit ihm. Ehrenwort!: kommt nicht wieder vor.

Dabei ist die Instant-Fitness-Dokumentation die positive Seite eines generellen Online-Exhibitionismus, die zwischen lässlicher Eitelkeit unter Freunden und bedrückenden Einblicken in die Intimsphäre Fremder oszilliert. All die Pulsuhren, Fitness Apps, Fettanalyse-Waagen, Activity Trackers und Körpervermessungsinstrumente gieren als “Biological Smart Meters” ja förmlich danach, nicht nur ihrem Besitzer Einblick in seinen Gesundheitszustand zu geben (Stichwort „Quantified Self“), sondern das auch gleich dem gesamten digitalen Universum mitzuteilen.

Und, ehrlich gesagt, das will und muss ich nun wirklich nicht wissen (und schon gar nicht augenblicklich): dass Ihr Blutdruck mit dem Lesen dieser Kolumne bedenklich angestiegen ist.

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Sofortmaßnahmen

19. Juli 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (270) Egal, ob Eurofighter oder Pinzgauer – das österreichische Bundesheer rüstet systematisch ab.

Steyr-Puch Pinzgauer

Es ist keine grosse Befriedigung, mit einer schwarzmalerischen Prognose recht zu behalten. Im Gegenteil. Denn so sehr ich als Pazifist, ehemaliger Zivildiener und hoffentlich halbwegs mit Intelligenz bewaffneter Staatsbürger dazu verleitet sein mag, mich über das Bundesheer lustig zu machen – in realita tun mir die adipösen Etappenhengste der oberen Offiziersränge und ihre unfreiwilligen (und freiwilligen) Untergebenen längst leid.

Vor viereinhalb Jahren war die Truppe und ihre technische Ausstattung schon einmal Thema dieser Kolumne. Und der damalige Vorschlag, überzüchtete, unleistbare Abfangjäger schleunigst wieder los zu werden, durchaus ernst gemeint. Man kann auf den Zynismus diverser – mit hoher Wahrscheinlichkeit korrupter – Politiker und Entscheidungsträger, das Bundesheer mittels millardenschwerer Militärtechnik-Einkäufe direkt in die Pleite zu treiben, ja nur mit knallhartem Realismus antworten.

Insofern plädiere ich für drei Akutmaßnahmen. Erstens: die sofortige Rückgabe der Flieger an den Hersteller. Derlei ist vertraglich vorgesehen, wenn der Kauf nicht ganz koscher verlief – und bis zur finalen Klärung der Causa erspart man sich wenigstens die Spritkosten. EADS dürfte die Angelegenheit rasch äusserst peinlich werden. Und vielleicht erklärt man ja Peter Pilz zum obersten Heeres-Abgesandten – insofern ist Verhandlungsbereitschaft zu erwarten.

Zweitens: die Besorgung von Prospekten und Daten des Modells „Scorpion“ des Flugzeugbauers Textron AirLand. Dieser ist neu am Markt mit einer revolutionären Idee: wenn schon der Betrieb von Kampfjets nicht generell internationaler Ächtung unterworfen werden kann, weil sich die Menschheit auch im 21. Jahrhundert gegenseitig gern den Schädel einschlägt, dann könnte man sich immerhin den absurden Kostenspiralen des militärisch-industriellen Komplexes entziehen. Und Billigflieger von der Stange entwickeln, die – trotz eines Bruchteils der üblich-üblen Kosten – auch den Zweck erfüllen. Vielleicht sogar besser als die gerupften High Tech-Hendeln namens Eurofighter, die man uns – dem tumben Steuerzahler – angedreht hat. Und für die es inzwischen nicht einmal mehr genügend Piloten gibt.

Drittens: sofortige Rücknahme der Entscheidung, die halbe „Pinzgauer“-Flotte des Bundesheeres – insgesamt 699 Stück – zu veräussern. Denn natürlich sind die geländegängigen Kleinlaster absurd veraltet. Aber zugleich ein Stück genialer österreichischer Technikgeschichte. Immerhin rechnet man beim Abverkauf mit einem Erlös ab 10.000 Euro pro Fahrzeug. Also können die Pinzgauers, Puch G und sonstigen Vintage-Modelle im Fuhrpark des Heeres nicht komplett rostzerfressen sein. Wenn sie schon jahrzehntelang Dienst tun – wie auch die alten Saab 105OE-Jagdbomber -, dann könnte man ja glatt noch ein paar Jährchen dranhängen. Und die Rekruten zu Oldtimer-Liebhabern ausbilden.

Realismus, wie gesagt. Einzige Bewaffung: offensive Ironie.

Uberfall

12. Juli 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (269) Innovative webbasierte Service-Plattformen wie Airbnb, Uber & Co. verstören Business-Besitzstandwahrer rund um den Globus.

Uber Protest

Stellen Sie sich vor, Sie sind Besitzer/in einer kleinen, feinen Eigentumswohnung (vielleicht sind Sie das sogar, Glückwunsch!). Sie nutzen diese Wohnung aber nicht – oder zumindest nur temporär. Und kommen auf die Idee, ihre vier Wände anderen zu überlassen. Für ein paar Tage oder Wochen. Gegen Entgelt.

Auf die Fährte gebracht hat Sie ein Freund oder eine Bekannte, die Ihnen von der Web-Plattform Airbnb vorgeschwärmt hat – dem Online-Marktplatz für die weltweite An- und Vermietung privater Unterkünfte schlechthin. Er funktioniert nicht unähnlich einem Hotelbuchungssystem, wendet sich aber an eine andere Zielgruppe: jene, die etwas abenteuerlustiger sind, authentische Atmosphäre schnuppern oder einfach nur Geld sparen wollen. “Übernachte in über 34.000 Städten und 190 Ländern” wirbt die hiesige Homepage von Airbnb. Gibt man als Zielort z.B. “Wien” ein, stehen mit heutigem Stichdatum über 600 Unterkünfte bereit – ab 7 Euro pro Person und Tag. Und da sind, aber hallo!, wirklich originelle, attraktive, sympathische Angebote dabei.

Wo ist der Haken?, werden Sie fragen. Nirgends, sagen mir Globetrotter, die Airbnb ständig nutzen (es gibt noch jede Menge ähnlich gestrickter, alternativer Web-Plattformen). Natürlich kann es hie und da Enttäuschungen geben, aber generell sei dieses System vertrauensvoller Vernetzung zwischen Privatpersonen eine wirkliche Bereicherung des Angebots.

So wie etwa auch die Online-Drehscheibe Uber – Sie haben wahrscheinlich schon davon gehört oder gelesen – eine spannende Ergänzung zu herkömmlichen Taxi- und Mietwagen-Anbietern ist. Die Idee, Privatfahrzeuge per App wie eine Lohndroschke ordern und nutzen zu können, hat weltweit schon Millionen Anhänger. Und operiert seit Februar auch in Österreich. Derlei gefällt natürlich den Taxizentralen, Platzhirschen und Besitzstandswahrern rund um den Globus nicht – mit der Bekanntheit von Uber & Co. mehren sich die Proteste. EU-Digital-Kommissarin Neelie Kroes hält dagegen: “Wir leben nicht mehr im 19. Jahrhundert”.

Nun kann man jede Menge Argumente pro und contra webbasierter Services wie Airbnb oder Uber finden: letztlich möge der Konsument entscheiden. Denn sonst tun’s Lobbyisten und/oder Bürokraten. Wie im Fall der zeitweise vermieteten Eigentumswohnung: derlei sei, so der Oberste Gerichtshof, ab sofort in Österreich nicht mehr zulässig (zumindest ohne Zustimmung aller Hausmiteigentümer). Denn man hätte es ja mit der “unkontrollierten Anwesenheit von fremden Personen” zu tun. Jössas na!

Showdown

5. Juli 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (268) Können Sie das seltsame Wort “Festplattenabgabe” auch schon nicht mehr hören?

Festplattenabgabe

Das ewige Gezerre um die sogenannte “Festplattenabgabe” zerrt an unser aller Nerven. Eine Entscheidung ist überfällig. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des denkwürdigen Umstands, dass hier ungeniert Millionen Euro – die Urhebern und Rechteinhabern von Musik, Fotos, Filmen, Texten usw. zugute kommen sollen – seit Jahren von den Konsumenten einkassiert, aber nicht an die vorgesehenen Empfänger ausgezahlt werden.

Mittlerweile sind einige der Händler, die dieses Geschäft betreiben und sich zu allem Überdruss auch noch zu Vordenkern eines “modernen Urheberrechts” erklärt haben, spektakulär pleite gegangen. Jetzt fehlen nur noch ein paar jeder Verschwörungstheorie hinterhermarschierende Hanseln, die meinen, daran wären Andreas Gabalier (wahlweise: Sigi Maron), seine Plattenfirma, die AKM und die Bilderberger schuld.

Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen: mir gefallen Preisaufschläge und Pauschalabgaben auch nicht. Aber dass z.B. ausgerechnet die Arbeiter- und (!) die Wirtschaftskammer unisono gegen eine sehr pragmatisch angelegte Form eines Beitrags zur Existenzgrundlage von Künstlern wettern, lässt sich aus dem Blickwinkel letzterer nur als Chuzpe interpretieren. Wovon lebt eigentlich der gemeine Kammerfunktionär so? Der gemeinnützig, aber nicht gratis tätige Politiker? Und was treibt all jene an, die meinen, Kreative mögen gefälligst ihre Geistesprodukte herschenken, die Hände falten und den Mund halten? Dass mit aufgeganselten “Geiz ist geil!”-Egoshootern, die nun partout aus Protest ihre Terabyte-Raids in Luxemburg, Großbritannien oder China bestellen wollen, keine weiterführende Diskussion möglich ist, ist schade, aber verschmerzbar.

Die Frage wirtschaftlicher Kompensationen und gerechter Transferzahlungen im Digitalzeitalter (mit allen seinen radikalen Implikationen) ist seit Jahren am Tapet. Und sowohl national wie international von vielen Seiten her beleuchtet, analysiert und diskutiert worden. Ohne finale Erkenntnis. Der Status Quo ist, ja, hinterfragenswert. Eine mittelprächtige Regelung sollte aber erst dann abgelöst werden, wenn eine deutlich bessere, sinnvollere, zukunftsträchtigere vorliegt. Und mir sind partout jene lieber, die versuchen, konkrete, umsetzbare Lösungen auch wirklich umzusetzen als sich entweder aus populistischen Motiven davor zu drücken oder ins weite Reich der Phantasie zu flüchten. Call it Realitätssinn!

Ich habe jedenfalls mehr Respekt vor denen, die etwas für Kunst & Kultur tun als vor jenen, die um jeden Cent greinen, den sie eh nicht ausgeben. Oder nur in China.

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