MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (276) Amtsgeheimnis, Diskretion, Datenschutz – ach, was haben wir gelacht!
Ein kurioses Szenario: ich sitze gerade im “Althof” – einem der wenigen Orte in der Gegend, wo es ein öffentlich zugängliches WLAN gibt – im frühherbstlichen Retz im Weinviertel, schlürfe eine Grießnockerlsuppe und schreibe diese Kolumne.
Nebenan ist lautstark eine Seminar-Gruppe zugange. Es handelt sich augen- und ohrenfällig um IT-Manager, die sich darüber austauschen, welche Projekte man ab Herbst – unter Umgehung öffentlicher Ausschreibungen – diversen Ministerien, Kammern und sonstigen staatsnahen Einrichtungen reindrücken könnte. Es herrscht lockere, optimistische, offensive Stimmung. Anscheinend ist das Motto “Gehts der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut” zumindest teilweise zutreffend.
Ich schwöre: ich wollte diese Runde keineswegs belauschen. Aber mich extra wegsetzen und meine Ohren verschliessen auch nicht. Offenbar hat man nicht das geringste Diskretionsproblem. In Österreich werden ja auch die Namen und Telefonnummern der Anzeiger von Neonazi-Umtrieben von Amts wegen weitergegeben oder hoch brisante Gerichtsakten ungeshreddert im Papiermüll entsorgt – also warum gerade in Sachen Informationstechnologie auf Vertraulichkeit pochen? Kurioserweise scheitern aber äußerst berechtigte Nachfragen besorgter Bürger oftmals am “Amtsgeheimnis” und am “Datenschutz”. Ausgerechnet. Einerseits scheint es sich also um den Heiligen Gral des Digitalzeitalters zu handeln, andererseits pfeift man sich in der Praxis kaum etwas.
Welches Amt könnte man nun kontaktieren, wenn einen akute Sorgen plagen in punkto Datensicherheit? Welchen Politiker, Volksanwalt oder Vertrauensmann? (Gern auch: -frau). Ein Exempel: erst dieser Tage wurde berichtet, es sei mittels geeigneter Software nahezu jedem zahlenden Kunden möglich, Mobiltelefone weltweit zu lokalisieren. Auf einen Häuserblock genau. Und das nur anhand der Telefonnummer. Machbar sei dies durch einen Fehler im sogenannten SS7-Standard der Mobilfunk-Provider. Es könne nicht ausgeschlossen werden, hiess es im Bericht, dass die Software “nicht auch in die Hände privater Personen oder Gruppen gerät”.
Ha! Versuchen Sie mal, die österreichische Politik – etwa das Zukunftsministerium? – auf solche Topics aufmerksam zu machen. Bestenfalls hat man dort noch nie davon gehört. Schlimmstenfalls holt man Sie umgehend zu einer Einvernahme ab. Ihr Standpunkt, aber auch Ihr Standort sind ja praktischerweise schon bekannt.