Archive for August, 2014

Vertrauenssache

31. August 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (276) Amtsgeheimnis, Diskretion, Datenschutz – ach, was haben wir gelacht!

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Ein kurioses Szenario: ich sitze gerade im “Althof” – einem der wenigen Orte in der Gegend, wo es ein öffentlich zugängliches WLAN gibt – im frühherbstlichen Retz im Weinviertel, schlürfe eine Grießnockerlsuppe und schreibe diese Kolumne.

Nebenan ist lautstark eine Seminar-Gruppe zugange. Es handelt sich augen- und ohrenfällig um IT-Manager, die sich darüber austauschen, welche Projekte man ab Herbst – unter Umgehung öffentlicher Ausschreibungen – diversen Ministerien, Kammern und sonstigen staatsnahen Einrichtungen reindrücken könnte. Es herrscht lockere, optimistische, offensive Stimmung. Anscheinend ist das Motto “Gehts der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut” zumindest teilweise zutreffend.

Ich schwöre: ich wollte diese Runde keineswegs belauschen. Aber mich extra wegsetzen und meine Ohren verschliessen auch nicht. Offenbar hat man nicht das geringste Diskretionsproblem. In Österreich werden ja auch die Namen und Telefonnummern der Anzeiger von Neonazi-Umtrieben von Amts wegen weitergegeben oder hoch brisante Gerichtsakten ungeshreddert im Papiermüll entsorgt – also warum gerade in Sachen Informationstechnologie auf Vertraulichkeit pochen? Kurioserweise scheitern aber äußerst berechtigte Nachfragen besorgter Bürger oftmals am “Amtsgeheimnis” und am “Datenschutz”. Ausgerechnet. Einerseits scheint es sich also um den Heiligen Gral des Digitalzeitalters zu handeln, andererseits pfeift man sich in der Praxis kaum etwas.

Welches Amt könnte man nun kontaktieren, wenn einen akute Sorgen plagen in punkto Datensicherheit? Welchen Politiker, Volksanwalt oder Vertrauensmann? (Gern auch: -frau). Ein Exempel: erst dieser Tage wurde berichtet, es sei mittels geeigneter Software nahezu jedem zahlenden Kunden möglich, Mobiltelefone weltweit zu lokalisieren. Auf einen Häuserblock genau. Und das nur anhand der Telefonnummer. Machbar sei dies durch einen Fehler im sogenannten SS7-Standard der Mobilfunk-Provider. Es könne nicht ausgeschlossen werden, hiess es im Bericht, dass die Software “nicht auch in die Hände privater Personen oder Gruppen gerät”.

Ha! Versuchen Sie mal, die österreichische Politik – etwa das Zukunftsministerium? – auf solche Topics aufmerksam zu machen. Bestenfalls hat man dort noch nie davon gehört. Schlimmstenfalls holt man Sie umgehend zu einer Einvernahme ab. Ihr Standpunkt, aber auch Ihr Standort sind ja praktischerweise schon bekannt.

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Am richtigen Dampfer?

24. August 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (275) Die E-Zigarette – harmloser Trend oder gefährliche Glimmstengel-Alternative?

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Mein Vorsatz ist es, möglichst jedes Objekt, über das ich schreibe, auch in Händen zu halten. Und es, soweit es die Zeit, der Hersteller (bzw. Importeur) und natürlich Lust und Laune zulassen, persönlich auf Herz und Nieren zu testen. Einerseits, weil das fast immer richtig Spaß macht, anderseits aus journalistischem Urtrieb: es wäre ja gelacht, wenn ich Ihnen technische Produkte nahebringe, die sich als Mogelpackungen, Fehlkonstruktionen oder noch gröbere Ärgernisse entpuppen.

Erstmals aber muss ich passen. Die Sache ist die: ich bin Nichtraucher. Nicht das, was man einen fanatischen Nikotingegner nennen würde – ich plädiere für die Freiheit, sich umzubringen, wie immer man möchte –, aber dichte Qualmwolken oder der Geruch übervoller Aschenbecher vertreiben mich aus jeder noch so gemütlichen Runde.

Nun begegnen mir in letzter Zeit aber immer mehr Menschen, die sich statt Glimmstengel der sattsam bekannten Sorte(n) zigarettenähnliche, dampfausstossende Dinger in den Mund stecken. Und genüsslich daran ziehen. Bisweilen ähneln die E-Zigaretten – denn um solche handelt es sich gattungstechnisch – auch chromblitzenden medizinischen Instrumenten. Es duftet statt zu stinken, kein Rauch belästigt meine Nase, die Nikotinsüchtigen scheinen glücklich mit diesem Trend. Er lautet: Dampfen statt Rauchen. An vielen Ecken spriessen Shops, wo es die Inhalatoren samt Liquids (sie liefern die Aromen und Inhaltsstoffe) zu kaufen gibt, wie Schwammerl aus dem Boden.

Erfunden wurde die E-Zigarette schon in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Aber erst seit 2005, als der Chinese Hon Lik mit seiner Firma Golden Dragon Holdings (heute: Ruyan) sie auch in den Westen zu exportieren begann, rollt die lukrative Lifestyle-Offensive.

Was wiederum die Frage aufwirft, was genau die Kunden da in die Heizspiralen ihrer Geräte und danach in ihre Lungen jagen: oft bestellt man das Zeug im Internet, das kaum Qualitäts- und Gefahrenanalysen kennt. Die Politik (und natürlich die bedrohten Tabakkonzerne, die aber ihrerseits längst auch diesen Markt aufmischen) reagieren unterschiedlich: da und dort wurde der Import und Gebrauch untersagt, in der EU gibt man sich (noch?) liberal. Die Österreichische Ärztekammer verweigert jeden Kommentar zum Thema, weil “es noch keine ausreichenden Erfahrungen gibt”.

Nun: ich hätte eine – meine – Sicht der Dinge beizusteuern. Es ist strikt die eines Nichtrauchers. Sie lautet: selbst in einem vollbesetzten Restaurant stören zehn Dampfer weniger als ein einziger Macho mit einer Zigarre.

Offensive Skepsis

17. August 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (274) Wie futuristisch ist es anno 2014, ein Elektro-Auto zu fahren? Ein Postscriptum.

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Ein bisserl stand ich da wie ein Obertölpel. Neulich nämlich, als ich hierorts meinen Enthusiasmus für ein alltagstaugliches Elektroauto (exakter: ein Hybrid-Fahrzeug mit Elektromotor und Range Extender) zum Ausdruck brachte. Blöd nur, dass zeitgleich der Hersteller – gewiss kein Nischenanbieter – es zum Auslaufmodell erklärte.

Warum? Weil dieser erste konkrete Schritt in die Zukunft des Automobils den Entwicklern zwar jede Menge Aufmerksamkeit, Lob und positive Medienresonanz eingebracht hat, der Konsument aber kläglich versagte. Sprich: der Opel Ampera verkauft sich nur in erschütternd niedrigen Stückzahlen. Obwohl er ein wirklich ausgereiftes, intelligentes Fahrzeug ist. Zu teuer, gewiss. Aber Early Adopters sind üblicherweise bereit, (fast) jeden Preis zu bezahlen. Und die Marke Opel – lange Zeit mehr als unsexy – gewinnt generell wieder deutlich an Fahrt.

Auf die Spur brachte mich ein Freund, der meine beiläufig zum Ausdruck gebrachte Verwunderung mit dem trockenen Satz kommentierte: “Ich kauf’ doch kein Auto, das in drei, vier Jahren veraltet ist.” Auf Nachfrage verglich er den “Ampera” mit Consumer-Computermodellen: “Die kannst Du eine Zeitlang gut nutzen, dann passen die Stecker nicht mehr, der Prozessor ist zu langsam, der Akku verbraucht und Du kannst nicht mal mehr die neueste Software installieren. Wer weiss schon, wie lange bei diesem Auto allein die Batterien halten?” Ich wusste keine Antwort. Auf Anfrage im Opel-Werk beschied man mir: “Ein Autoleben lang”. Gemeint sind damit maximal zehn Jahre.

Ich verstehe diese offensive Skepsis gegenüber Innovationen, die teure Investitionen nicht immer rechtfertigen. Und das ist – Stichwort: geplante Obszoleszenz – noch milde ausgedrückt. Wer hat das Kleingeld, mit seinem Alltagsfahrzeug zu experimentieren? Und wer zückt die Geldbörse, wenn Experten meinen, nicht Elektroautos seien die Zukunft, sondern Fahrzeuge mit Brennstoffzellen-, Druckluft-, Vielstoff- oder Flusszellenantrieb!? Science Fiction rules OK. Aber wer soll da durchblicken? Und dann bleibt da noch das Grundmisstrauen gegen unsere Politiker/innen, die vielfach Individualverkehr zum Auslaufmodell erklärt haben.

Ein Statement ist Opel mit dem “Ampera” aber gelungen: die Mär’ zu widerlegen, Autohersteller besässen längst funktionierende, ja revolutionäre Konzepte für alternative Mobilitätstechnologien, würden diese aber im Tresor einschliessen, um möglichst lange den Status Quo auszupressen wie eine überreife Zitrone.

Ziellinie

10. August 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (273) Wie futuristisch ist es anno 2014, ein Elektro-Auto zu fahren? Ein Selbstversuch, Teil drei

Opel Ampera

Natürlich ist ein Langzeittest nur ein Langzeittest, wenn man länger als ein paar Stunden mit dem Testfahrzeug in der Gegend herumgurktQuod erat demonstrandum: der Opel Ampera, den ich im Februar das erste Mal bestiegen habe, ist mir erstaunlich ans Herz gewachsen.

Gerade steht er wieder vor der Haustür, diesmal im tiefsten Niederösterreich. Es handelt sich um eine Gegend, die diesbezüglich ihre Tücken hat: die wunderschönen Waldwege an der Grenze zu Tschechien bedürfen einer gewissen Bodenfreiheit. Und futuristische Raumgleiter wie das Hybridfahrzeug aus der Opel-Fabrik haben zwar jedes erdenkliche Elektronik-Helferlein an Bord, aber mit der Geländegängigkeit ist es nicht weit her.

Dennoch muss man irgendwann mal über die Ziellinie rollen, zum Schluss kommen, ein Fazit ziehen. Das will ich gerne tun. Hier und heute. Mein Resümee lautet: es ist kein Experiment mehr, ein Elektroauto zu fahren. Der Ampera ist ein feines Beispiel dafür. Die Kombination eines kurzstreckentauglichen Elektromotors mit einem kleineren, konventionellen Benzinaggregat kombiniert Sparwillen und Umweltschutz mit hundertprozentiger Alltagstauglichkeit.

Für Pendler etwa ist dieser Opel – und man sagt der Marke ja nach, besonders beliebt bei Pendlern zu sein – nahezu ideal. Vor allem dann, wenn man im Umkreis von dreissig bis sechzig Kilometern des Arbeitsplatzes wohnt. Oder Autobahnen als Zubringer nutzt (mit mässigem Benzinverbrauch), um im spritfressenden Stadtverkehr auf flüsterleisen Elektroantrieb umzuschalten. Ein durchschnittliches Verbrauchsergebnis von 1,2 Liter Benzin auf 100 Kilometer, das der Ampera-Prospekt ausweist, ist mir zwar nie geglückt –  aber man macht sich mehr und mehr einen Spass daraus, die persönliche Benchmark nach unten zu drücken.

Sportwagen ist der Ampera keiner, obwohl er so aussieht. Und auch so beschleunigt. Innen drinnen in der für einen Opel ungewöhnlich luxuriösen und elektroleisen Kabine (die trotzdem vor Plastikteilen nur so strotzt) ist man dann vollends von der Welt abgekapselt: ein Effekt, der letztlich auch der Entschleunigung dient. Man kennt derlei von der Luxusabteilung á la Mercedes, Jaguar oder Bentley. Fast 45.000 Euro Neupreis – und die wurden schon deutlich reduziert – sind für ein Mittelklassefahrzeug allerdings auch kein Bemmerl. 

Letzlich ist der Ampera für Opel “nur ein – gewagter, aber zumindest aus meiner subjektiven Sicht gelungener – Schritt Richtung Neuland. Oder, besser gesagt: war. Denn kaum überlege ich mir, das zukünftige Sammlerstück – in das die Ingenieure ihr gesammeltes Knowhow der letzten Jahre hineingesteckt haben – vielleicht im Winter noch mal auf seine Schnee- und Eistauglichkeit testen zu wollen, trudelt die Meldung ein, das Nachfolgemodell stehe schon in den Startlöchern. Ich bin gleich wieder elektrisiert.

Das Medium, die Botschaft

3. August 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (272) Irgendwann musste er kommen: der erste Shitstorm meines Lebens. Aber hallo!

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Frauen mögen in der Öffentlichkeit doch weniger lachen und tratschen, befand der türkische Politiker A. unlängst. Öffentlich und nachdrücklich. Man kann derlei moralisch-sittliche Oberlehrerhaftigkeit einfach als unsinnige Einzelmeinung abtun, aber immerhin handelt es sich um einen stellvertretenden Ministerpräsidenten und engen Gefolgsmann (sic!) des Staatenlenkers E., der so sprach.

Letzterer war erst unlängst in Österreich zu Gast, weil er meinte, seinen aktuellen Wahlkampf auch hierzulande führen zu müssen. Einer der glühendsten Anhänger dieses Herrn in Wien heisst K. Vielen ist der volle Name des Anhängers und Propagandisten von E. bekannt, seit ihn der ORF in eine ZiB-Spätausgabe eingeladen hat. Wo er – gelinde gesagt – durch Dialogunwilligkeit, unhöfliches Benehmen und einen vorzeitigen Abgang auffiel.

Wie immer auch: ich hatte den spontanen Einfall, das Lachverbot seitens A. mit dem Kommunikationsverhalten von K. in Verbindung zu bringen. “Das Medium ist die Botschaft” hat ja einst Marshall McLuhan einen – erst recht für die Generation Internet – gültigen Leitsatz formuliert. Ich tätigte also einen Facebook-Eintrag, wie ich es öfters tue: “Wenn das mal XY liest”. Was meist zur Folge hat, dass der/die Angesprochene die Meldung (samt Extra-Namens-Tagging) tatsächlich zu Gesicht bekommt. Und den augenzwinkernd unterstellten Konnex entweder bestätigt oder dementiert. Die meisten nehmen es mit Humor.

Nicht so K. Nach der launigen, aber gewiss harmlosen Online-Wortmeldung meinerseits – “Wenn das mal K. liest” – war ich schlafen gegangen. Als ich wieder aufwachte, hatte ich über achthundert Postings in meiner Timeline. Nicht wenige davon rüdeste Beschimpfungen – und das, obwohl K. selbst in einer persönlichen Reaktion seiner Anhängerschaft die (so gesehen unlogische) Parole vorgekaut hatte, ich wäre einer Antwort nicht würdig, weil eigentlich kein Mensch. Nun ja.

Schliesslich wuchs der Strang auf über tausend Statements an, ich amüsierte mich ein wenig, hielt mich aber aus dem Tumult – dem ansatzweise ersten Shitstorm meines Lebens – fürderhin raus. Weitgehend. Ich lasse mir ungern Diskussionen aufzwingen, die ich aus gutem Grunde nicht führen kann und will. Und ernsthaft argumentieren kann man mit offensiven Hitzköpfen und Rechthabern sowieso nicht, schon gar nicht mit einer Hundertschar von Fanboys, Fahnenschwingern und Claqueuren in deren Windschatten.

Eines nur sollte K. wissen (und eventuell auch seine politische Vaterfigur E.): als Diplomat, Kommunikationsstratege und kultureller Botschafter seines liebenswerten Herkunftslandes ist er ein Totalversager. Und die Zahl der Facebook-Likes ist  argumentativ seit jeher eine lachhafte Währung.

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