Archive for Oktober, 2014

Klangbilderbuch

26. Oktober 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (284) Die beste HiFi-Anlage ist die, die am besten klingt. Zuvorderst in den eigenen Ohren. Punkt.

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Demnächst – nämlich vom 7. bis 9. November – findet einmal mehr Österreichs einzig nennenswerte HiFi-Messe statt, die “Klangbilder”. Was darf man sich darunter vorstellen? Kurzgesagt: eine den Zahlen nach deutlich vierstellige Versammlung von Audio- und Video-Enthusiasten, die sich mit ehrfürchtiger Miene und getragenen Schritts von Hotelzimmer zu Hotelzimmer bewegt, um dort unterschiedlichste Erzeugnisse aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik auf Herz und Nieren zu prüfen.

Diese – für Aussenstehende möglicherweise seltsam anmutende – Prozession nimmt anno 2014 das Arcotel Kaiserwasser in Beschlag. Man muss aber, sollte sich auch bei Ihnen Interesse regen, keine allzu umständliche Anreise nach Transdanubien befürchten – die Wiener U-Bahn-Linie U1 hält unweit des Veranstaltungsorts (Station Kaisermühlen). Viel Vergnügen!

Mir jedenfalls ist es das: ein alljährlich wiederkehrendes Vergnügen. Meist packe ich eine Produktion, die ich höchstpersönlich in- und auswendig kenne, ein (und zwar sowohl als CD wie auch auf Vinyl) – und teste somit ein gutes Dutzend ausgewählter HiFi-Anlagen in unterschiedlichsten Preisklassen auf ihre Wiedergabetreue und Klangqualitäten. Die Erfahrung zeigt: nicht immer lässt das Preisschild eine á priori-Beurteilung zu. Und unbekannte Namen liefern oft für die grössten Überraschungen.

Mein Tipp: suchen Sie den Hörraum von Allegro HiFi auf! Im Vorjahr hatte dort Bernhard Mesicek, seines Zeichens Österreichs Audio-Experte mit dem exquisitesten Musikgeschmack, eine gar feine Anlage aufgebaut: ein Musicbook von Lindemann an S1-Aktivboxen aus dem Hause Manger. Okay, kostet in dieser Kombination die Kleinigkeit von knapp unter 19.000 Euro, ist aber state-of-the-art in punkto konstruktiver Modernität, optischer und tonaler Unaufdringlichkeit und audiophiler Raffinesse. “Da spielt nicht die Technik”, so Mesicek, “sondern nur die Musik.” Sie können das selbstverständlich auch per Smartphone oder iPad nachprüfen, ohne Streaming Device kommt heutzutage sowieso keine g’scheite Anlage aus. Ohne neu entdeckten Phono-MM- und/oder MC-Eingang übrigens auch nicht.

Der rührige Veranstalter der “Klangbilder”, zugleich der Doyen der Handvoll HiFi-Journalisten dieses Landes, Dr. Ludwig Flich, konnte mir noch nicht fix versprechen, dass Allegro wieder mit dabei ist im Ausstellerverzeichnis. Aber wenn Meister Mesicek diesen Lobgesang liest, hoffe ich doch. Man komme, höre und staune!

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Jubeln und Jammern

17. Oktober 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (283) Die Naivität von Journalisten schlägt die Dreistigkeit von Amazon & Co. bisweilen noch um Längen.

Four books isolated on the white background

Manchmal ist man echt fassungslos. Mir ging es vorige Woche so, als ich die Technik-Kolumne von Thomas V. im “profil” studierte. “Ich kaufe Bücher wie ein Verrückter”, hob die Epistel des Kollegen an. “Gedruckte Bücher, E-Books, antiquarische Sachen. Bald werden es hoffentlich ein paar Bücher weniger sein.”

Warum das? Weil der Internet-Gigant Amazon ein Flatrate-Angebot für sein Literatur-Lesegerät Kindle eingeführt hat. Für 9,99 Euro im Monat hat man nach dem “All You Can Eat”-Prinzip Zugriff auf 650.000 Bücher, davon allerdings keine zehn Prozent auf deutsch.

Das ist dennoch ein Lockangebot. Und ein Affront. Denn man will solchermassen die Buchpreisbindung in Frage stellen – sie gilt in Österreich demnächst auch für E-Books – und die Leser an neue, lohnendere Bezahlmodelle gewöhnen. Für Amazon & Co. lohnendere, wohlgemerkt. Der traditionelle Buchhandel und die Schriftsteller-Vereinigungen laufen dagegen Sturm.

Thomas V. ficht das nicht an. Im Gegenteil. “Ich finde das super”, verkündete er. “Ich bin Konsument. Ich will billigere Bücher, und zwar möglichst komfortabel.” Dass hier ein ruinöser Wettbewerb für Kulturgüter aufbrechen könnte, ist V. “offen gestanden egal.” Die schlichte Denkart versteckt sich hinter der potjemkinschen Fassade der Marktliberalität. Die altruistisch-cool im Namen der “Demokratisierung des Bücherlesens” auftritt. Und einmal mehr die konservativen Branchenvertreter schilt, die “darüber jammern, dass Amazon schlauer und schneller ist.”

Sorry, lieber Thomas V.: ich dachte, die Spezies der Naivlinge, die die Implikationen des Digitalbusiness nicht versteht (oder verstehen will) und in Hurra!-Geschrei ob der Negativ-Skalierung von Flatfee-Angeboten verfällt (die freilich aus der Sicht eines scheuklappenbewehrten “Geiz ist geil!”-Konsumenten ein unbedingtes Positivum ist), wäre längst ausgestorben. Oder nur mehr in Nerd- und Frust-Foren selbsternannter Verlags- und Literaturexperten zu finden.

Ich erinnere mich noch an die Zeiten, als man der ähnlich strukturierten und somit probat vergleichbaren Musikindustrie publizistisch lautstark zurief, sie wäre hinterwäldlerisch, denkfaul, fortschrittsfeindlich und zugleich gierig und satt. Und blockiere quasi die Zukunft. Heute treffe ich die kecken Kommentatoren von damals meist an der Theke, wenn sie in ihr Bier weinen und den Zustand ihrer Medienhäuser und der Printmedien generell beklagen.

Aber vielleicht hat ja auch Thomas V. demnächst mehr Zeit, mehr Bücher zu lesen. Die weniger gekostet haben (wahrscheinlich auch in punkto Verlagssorgfalt, Lektorat und Korrektur). Könnte sich glatt ausgehen mit der Arbeitslosenkohle.

Kühler Umgang mit Hitzköpfen

10. Oktober 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (282) Wollen wir frieren, weil die Energieeffizienz von Heizstrahlern keine optimale ist?

Thermo

Durchsage der Direktion: der Infrarot-Heizstrahler, den ich letzte Woche geordert und hierorts ansatzweise beschrieben hatte, wurde noch nicht zum Einsatz gebracht. Oktober ist ja der neue August. Und die lauen Herbstnächte schreien – noch – nicht nach Wollstrumpfhosen, Heizdecken und Gaskonvektoren. Gut so.

Im Moment durchforste ich diverse Kataloge nach einer technischen Erfindung, die das braune Laub wie von Zauberhand in sich aufsaugt, ohne dies auch mit Kieselsteinen, Nutzgegenständen und vorbeihuschenden Katzen zu tun. Für Leser/innen-Tipps bin ich dankbar! Aber wahrscheinlich überlasse ich den vorgezogenen Frühjahrsputz eh den unerbittlich waltenden Kräften der Natur. Diese Bio-High Tech-Maschinerie ist in ihrer Allmacht auch im 21. Jahrhundert ungeschlagen.

Wer sich dagegen immer wieder kleinlich zum Richter über seine eigene Spezies aufschwingt, ist der Mensch. Und was da alles kritisiert werden kann, kritisiert werden muss, kritisiert wird! “Wirklich?”, schnauzte mich etwa letzte Woche Leser Manfred F. an. “Ökologisch fragwürdige Geräte muss man bewerben, wenn sie schick sind? Ist das ein bezahltes Inserat?” Der Mann spielte damit auf eben jenen Infrarot-Heizstrahler an, dessen vorgesehener Einsatzort – auf der Terrasse, also im Freien – ihm sauer aufstiess.

Klar: ein hinterfragenswertes Szenario. Aber wir wollen doch, bitt’schön, die Kirche im Dorf lassen. Wieviele Milliarden Heizkörper strahlen auf diesem Planeten Wärme ab? Unter welchen Umständen? Mit welcher Effizienz? Und sitzt Manfred F. selbst mit fünf dicken Pullis daheim im Wohnzimmer oder im energieneutralen Kellerabteil? Ist er Raucher? Wenn ja: meidet er Lokale, wo die suchtgeplagte Gästeschar sich im Winter gezwungenermassen bibbernd im Freien unter einem Heizschwammerl zusammendrängt? Und so weiter und so fort.

Selbstgerechtigkeit nervt. Unendlich. Wer die Welt verändern will, möge bei sich selbst anfangen. Und überzeugende Argumente zusammenkratzen, damit man ihm/ihr freiwillig und mit gutem Gefühl folgt. Jeden (absehbar selten genutzten) Infrarotstrahler, jedes Auto mit Verbrennungsmotor, jede technische Errungenschaft der Moderne als Teufelszeug abzutun, hilft nicht weiter. Und befördert nur einen Ludditensturm 2.0. Ich dachte ja auch lange Zeit, ein Merkmal der Zivilisation sei es, die Natur zu überwinden. Mittlerweile ist das eine überholte Position. Es geht um eine friedliche, clevere, annähernd symbiotische Koexistenz.

Die technikgetriebene Umdeutung des Schreckens in ein stabiles Idyll: Eiseskälte passt da einfach nicht ins Bild.

Warm ums Herz

4. Oktober 2014

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (281) Hurra! Endlich ein Technik-Objekt im Haus, für das sich auch meine Freundin erwärmen kann.

Infrarot-Heizer

Meine Freundin ist – grad’heraus gesagt – keine Freundin der Technik. Sie liest Bedienungsanleitungen höchstens, wenn ein Gerät mal keinen Mucks mehr von sich gibt, lässt Glühbirnen von dienstbaren Geistern (zuvorderst, erraten!,: mir) einschrauben und ist zwar die Herrin über Geschirrspüler, Waschmaschine und Fernseher, ohne sich aber für die Details zu interessieren. Meinem Technikpark begegnet sie mit offensiver Ignoranz. Oder, wahlweise, mit aufreizender Ironie. “Wofür brauchst Du schon wieder so ein Kastl? Da stehen doch schon mehr als genug herum!” ist eine Standardansage in unserer Konversation.

Ganz unwirsch wird sie aber, wenn ich ihr zu einem Festtag – zu Weihnachten etwa oder zu ihrem Geburtstag – etwas schenke, das auch nur entfernt als technisches Objekt zu identifizieren ist. Wenn es schon keine Reise, kein Schmuck oder, sagen wir mal, kein Einkaufsgutschein für das Schuhhaus Wunderl in Sollenau sein darf (wofür wiederum, zugegebenermaßen, ich mich weniger interessiere), möge ich ihr lieber gar nichts überreichen. Sagt sie. Was natürlich auch nicht geht.

Was tun? Die Frage hat schon Lenin gestellt. Der alte Revolutionär kannte aber noch nicht die Firma Pro-Idee, die den kapitalistischen Warenverkehr der Jetzt-Zeit in extraordinärer Weise bedient. Pro-Idee, laut Eigendefinition ein “Spezialversandhaus für exklusive Produkte aus aller Welt”, verschickt regelmässig bunte Kataloge. Voll wunderlicher, innovativer und attraktiver Angebote. Vom beheizbaren Handschuh über patentierte Schuheinlagen, Teleskop-Wäscheständer und Design-Schwebelampen bis zum futuristischen Kunststoff-Iglu für den Garten ist da allerhand zu bestaunen. Und zu bestellen.

Was mir schnurstracks die oben gestellte Frage zu beantworten half. Denn da lachte mir doch glatt ein “Infrarot-Heizer mit klappbarem Strahler-Arm” entgegen. Leistung: 1800 Watt, dimmbares LED-Licht, fernbedienbar und – im Gegensatz zu all den grauenhaft designten Konvektoren und Heizschwammerln, die es im Baumarkt um die Ecke gibt – auch noch probat aussehend. Das Ding lässt sich wie ein Galgen über den Gartentisch schwenken und wärmt laut Prospekt jede spätherbstliche Freiluft-Tratschrunde (Test folgt). “Endlich!” verkündet Pro-Idee. Und ich stimme ein. Meine Freundin – die möchte auch bei Minusgraden im Garten rumsitzen, es fröstelt sie aber schon in lauen Julinächten – wird sich absehbar dafür erwärmen können.

Nun kann ich diese ökologisch fragwürdige Gerätekategorie – wiewohl Technik pur! – eigentlich gar nicht leiden. Aber Geschenke von Herzen müssen ja dem/der Beschenkten gefallen. Und nicht mir selbst.

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