MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (308) Es gibt Maschinen, die unseren Verstand übersteigen. Eine davon kreist seit 25 Jahren über unseren Köpfen.
Was ist die bislang mächtigste von Menschenhand erbaute Maschine? Gute Frage. Kommt wohl darauf an, was man als „mächtig“ bezeichnet und was präzise unter einer Maschine zu verstehen ist. Denn streng genommen ist das Ding, das ich heute in den Fokus der Betrachtungen rücken möchte, eher ein wissenschaftliches Instrument – wiewohl es als Gerät, das durch ein Antriebssystem bewegte mechanische Teile enthält, auch der Definition einer Maschine entspricht.
Mit 13,1 Meter Länge, einem Durchmesser von 4,4 Metern, einer Masse von elfeinhalb Tonnen und dem Aussehen einer leicht verschrammten Blechbüchse ist das Hubble Weltraumteleskop für die „Generation Transformers“ wohl auf den ersten Blick nicht übermässig beeindruckend. Dabei ermöglicht es, ziemlich exakt seit einem Vierteljahrhundert in 560 Kilometern Höhe über unseren Köpfen kreisend, Erkenntnisse, die unseren Verstand überschreiten. Wohlgemerkt: unseren – nicht den von Stephen Hawking und jener Handvoll von Wissenschaftlern rund um den Erdball, die sich der systematischen Erforschung von Raum und Zeit verschrieben haben.
Erdacht wurde ein extraterrestrisches Fernrohr, das nicht durch den Schleier der Erdatmosphäre behindert wird, schon Jahrzehnte, bevor man die nach dem Astronomen Edwin Hubble benannte Vorrichtung via Space Shuttle ins All transportierte. Das Resultat übertraf – trotz mannigfaltiger Konstruktionsfehler und Widrigkeiten, die mit fünf komplizierten Service-Missionen bereinigt werden mussten – alle Erwartungen. Prächtige Bilder unbekannter Galaxien, erdähnlicher Exoplaneten, sterbender Sterne, riesiger Schwarzer Löcher und verbogener Neptun- und Pluto-Monde erzeugten auch bei Laien offenes Staunen.
Letztere mögen nur für Vollständigkeitsfanatiker im Sternkatalog-Club von Belang sein, die Erkenntnis aber, dass das All durch bislang unerforschte Kräfte seine Expansion immerzu beschleunigt, lässt auch die Wissenschaft an ihre Grenzen stossen. Letztlich ist Hubble eine Zeitmaschine, die uns Milliarden Jahre zurück in den Urgrund des Universums blicken lässt.
Dennoch sind die Tage von Hubble gezählt. Was wird uns erst der weit mächtigere Nachfolger, das bereits in Bau befindliche James Webb Space Telescope, erschauen lassen? Sofern der Himmelskörper, um den sich aus unserem weithin nichtsahnend-eitlen Blickwinkel alles dreht, dann überhaupt noch von der Spezies Mensch bevölkert ist.