MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (313) Ein E-Bike, das aussieht wie ein normales Fahrrad? Diese Idee begeistert Crowdfunding-Investoren gerade enorm.
Geld ist in Verruf gekommen. Egal, ob es sich um Negativzinsen, den ungehinderten Einblick in Bankkonten, die Abschaffung von Bargeld oder die perspektivische Entwertbarkeit von Banknoten per RFID-Chip (entwickelt von einem österreichischen Unternehmen) handelt – hier bröseln gerade eherne Grundsätze, die seit Jahrzehnten, wenn nicht gar Jahrhunderten galten.
Ob das eine positive oder negative Entwicklung ist, sei dahingestellt. Selbst Experten zeigen sich uneins. Gewiss aber sollte den Damen und Herren in den Chefetagen der Banken der Reis gehen: ihre ehemals güldenen Geschäftsmodelle geraten zu Ladenhütern, die Institutionen selbst werden zunehmend überflüssig.
Denn Startups und innovative Unternehmen betteln nicht mehr um Kredite (meist vergeblich), sondern besorgen sich ihre Finanzmittel zunehmend bei ihren potentiellen Kunden. Wenn eine Idee überzeugt, rauscht das Geld nur so ins Kontor. Der Hebel heisst Crowdfunding. Väterchen Staat hat davon – mit der üblichen Verspätung – auch schon gehört und versucht die Spielregeln für das Modell nun in ein „Alternativfinanzierungsgesetz“ (AltFG) zu fassen. Wenn damit auch der vermeintliche Wildwuchs auf längst etablierten und gut funktionierenden Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter, Startnext, wemakeit, Indiegogo oder Companisto in ein bürokratisches Korsett gezwängt werden soll, wäre das kontraproduktiv.
Ein mündiger Konsument wird wohl nur dort direkt und höchstpersönlich investieren, wo er einen klaren, individuell attraktiven Gegenwert erwarten darf – ganz im Gegensatz zu den windigen Papieren und wahnwitzigen Konstrukten, die freundliche Bankberater so gern aus der Lade ziehen. Oft direkt unter den Augen höchstbezahlter Aufsichtsorgane und vermeintlich (und bisweilen auch wirklich) strenger Gesetzeshüter.
Genug gemotzt. Denn dieser Tage ist mir wieder ein höchst erfreulicher Fall untergekommen, wie es auch anders geht. Voilá!: das Wiener Unternehmen Freygeist (dessen Head-Office aus formalen Gründen in Berlin residiert) sammelt gerade das nötige Startkapital ein, um ein äusserst schickes E-Bike zu bauen. Ein „Smart Engineering“-Vehikel, das keine plumpen Anbauten oder extraschweren Bauteile benötigt – und sich somit äusserlich von einem gewöhnlichen Fahrrad nicht unterscheidet, aber doch jede Menge zusätzlicher Kraft auf Knopfdruck bietet. Verbunden ist das Vorhaben mit einem sehr ambitionierten Business-Plan, der den Markt der „Urban Professionals“ weltweit beackern will. Wir haben es hier quasi mit dem Äquivalent von Tesla für zwei Räder zu tun.
Die Aussichten sind gut: noch während der laufenden Kampagne auf der deutschen Crowdfunding-Plattform Companisto unterzeichnete Freygeist einen Vertrag mit dem Spezialisten German Answer. Die deutschen Fahrradleichtbau-Profis konnten als Partner für Entwicklung und Produktion des 12 Kilogramm leichten Design-Elektrobikes gewonnen werden. Die Crowdfunding-Phase wurde aktuell verlängert, das maximal zu erreichende Kapital von 1,5 Millionen Euro ist in greifbarer Nähe. Die Vision des Unternehmer-Trios Martin Trink, Usama Assi und Stephan Hebenstreit könnte sich glatt zur Erfolgsstory auswachsen.
Interessiert? Wenn ja: handfeste Fakten können nicht schaden. Wie sich der Prototyp fährt, berichte ich Ihnen nächste Woche.