MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (317) Was kann „Apple Music“, was die Konkurrenz nicht kann? Uns taxfrei rührige Märchen erzählen.
Sie wollen ein modernes Märchen hören? Gerne doch.
Es geht so: der reichste Konzern der Welt möchte noch mehr Geld verdienen und startet ein neues Service. Es nennt sich „Apple Music“ und fungiert, nomen est omen!, als technische Plattform, die weltweit Musikproduzenten (also Musiker/innen und ihre Labels und Verlage) mit Konsumenten und Fans verbindet. Per Streaming. Was schlichterweise bedeutet, dass es keine Handelsware mehr gibt – nicht einmal mehr schnöde Datenpakete, die dauerhaft gespeichert werden*). Dafür aber ein Abonnement, das Zugriff auf eine schier unschöpfliche Datenbank bietet. Quasi die grösste virtuelle Jukebox der Welt.
Blöderweise gibt es dieses Service schon. Mehrfach. Der Platzhirsch heisst „Spotify“ und erfreut sich auch hierzulande wachsender Beliebtheit. Was wird nun Apple als Konkurrent, der mit Verspätung in den Markt drängt, anders, frischer, besser machen? Kurz gefasst: kaum etwas. Um aber dennoch für Aufhorchen zu sorgen, hatten die Marketing-Experten in Cupertino, USA eine forsche Idee: eine dreimonatige Gratis-Testphase für jedermann, der das Angebot unter die Lupe nehmen möchte. Die Sache hatte einen Haken: nicht nur der Plattform-Betreiber wollte an dieser Aktion nichts verdienen, sondern auch die Lieferanten sollten es nicht. Sie hätten ihre Musik dem Giganten Apple kostenlos zur Verfügung stellen sollen.
Es kam, was kommen musste: ein Aufschrei. Zuerst schreckstarr leise, dann immer lauter. Labels, Vertriebe, Interessensverbände und nicht zuletzt die Urheber erhoben Protest. Apple zeigte sich ungerührt, ja trotzig. Dann aber – und hier gleitet die Story ins Märchenhafte ab – meldete sich Taylor Swift zu Wort. Ein weiblicher Pop-Star, jung, schön, charismatisch. Und mit Millionen Followern auf Facebook und Twitter verbunden. „Wir bitten Sie nicht um kostenlose iPhones“, liess sie Tim Cook und sein Streaming-Team wissen. „Bitte verlangen sie von uns nicht, dass wir unsere Musik ohne Gegenleistung zur Verfügung stellen.“
Die Botschaft wurde erhört. Apple schwenkte plötzlich um. Die gute Fee Swift lobt, pardautz!, den vormaligen Bösewicht nun lautstark. Und lässt ihr neues Album „1989“ exakt hier exklusiv – Spotify darf sich aus der Ferne grämen, Swift hatte schon vor Monaten ihr Repertoire zurückgezogen – vertreiben.
Mein Instinkt sagt: etwas an dieser Geschichte ist faul. Oberfaul. Aber die Welt will nun mal Märchen hören. Am liebsten per kostenlosem Audio-Stream.
Anm.: *) Apple Music bietet – via iTunes Store – eine „Buy“-Funktion, die dauerhaftes Abspeichern ermöglicht.