Last Man Standing

19. Juli 2015

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (320) MP3, das Format, das die digitale Musikrevolution beflügelte, ist zwanzig Jahre alt. Und sieht immer noch einigermassen frisch aus.

MP3

Da kann Neil Young noch soviel wettern und zetern: er wird den digitalen Geist im gegenwärtigen Musik-Business nicht mehr in die Flasche zurückzwingen.

Ganz unrecht hat die knorrige Rock’n’Roll-Legende ja nicht, wenn sie von „the worst quality in the history of broadcasting or any other form of distribution“ spricht, also dem Status Quo der vielen Download- und Streaming-Services, die die CD dennoch längst alt aussehen lassen. Youngs Fazit: er zieht sein Ouevre von Spotify, Apple Music, Deezer & Co. ab. Spötter meinen ja, der „Heart of Gold“-Schöpfer höre selbst wohl nicht mehr richtig – denn nur wenigen Feingeistern gelingt es, den Unterschied zwischen 320kbit-MP3-Files und höherwertigen Quellen präzise zu orten – und er wolle wohl den von ihm mit entwickelten „Pono“-Player promoten.

Wie immer auch: die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Streaming ist auf dem Vormarsch. Quasi unaufhaltbar. In diesem Zusammenhang registriert man mit Erstaunen, dass das dafür wesentliche Audio-Format – MP3 – mittlerweile den zwanzigsten Geburtstag feiert. Es war ausnahmsweise nicht Silicon Valley, wo die Audio-Revolution seinen Ausgang nahm, sondern eine Arbeitsgruppe am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen in Deutschland unter der Leitung von Prof. Karlheinz Brandenburg. Was man im Sinn hatte, war eine brauchbare Audio-Qualität bei der Übermittlung digitalisierter Töne via Internet. Was nach jahrelanger Tüftelei herauskam, hatte für Musikbranche die „Sprengkraft einer Atombombe“, wie es das Avantgardemagazin „de:bug“ beschrieb.

Ich erinnere mich noch haargenau daran, dass ich 1998 in einem „Zeit“-Artikel das Thema erstmals aufgriff – und unter Kollegen (ich arbeitete damals in Hamburg als Manager für die Plattenfirma MCA) nur Hohn und Spott erntete. „Das ist doch nur etwas für Computer-Nerds!“, so der Tenor. „Wie soll so etwas die prächtige, mächtige Musikindustrie gefährden?“

Nun: binnen weniger Jahre ist kaum ein Stein auf dem anderen geblieben. Zwar gibt es immer noch silbrig glänzende Compact Discs und einen bemerkenswerten Vinyl-Retro-Hype, aber allein der Umstand, dass Apple nochmals einen neuen iPod auflegt, wird schon staunend belächelt. Und Neil Young wird, so meine Prognose, auch nicht auf ewig der „Last Man Standing“ inmitten des Mainstreams des Musikvertriebs sein (was sich freilich in verschiedene Richtungen deuten lässt).

Um Audio-Qualität geht es ja bei dieser Diskussion, auch wenn Young und andere Prediger anderes verkünden, eher nicht. Ungelöst sind inmitten des Streaming-Hypes dagegen wesentliche Fragen: wie sollen Künstler/innen in Zukunft gerecht bezahlt werden? Werden sich Fans an Abo-Modelle gewöhnen? Werden Spotify & Co. je profitabel sein? Kann man überhaupt noch von einer Musikindustrie sprechen? (und hätte eine negative Antwort nicht auch positive Implikationen?) Und: wie lange wird es dauern, bis auch das Format-Kürzel MP3 vergessen sein wird?

2 Antworten to “Last Man Standing”


  1. […] mir herumzutragen“, schrieb ich vor vierzehn Jahren. „Und ich bin gerne bereit, für qualitativ hochwertige MP3-Kollektionen zu bezahlen.“ Von Spotify, Apple Music, Deezer & Co. – und Streaming […]


  2. […] stirbt irgendwo auf der Welt ein Kätzchen.“ Andere rieten zur dringenden, weil zwingenden Sublimierung der Tonträger, die vor gerade mal dreißig Jahren noch das Nonplusultra der digitalen Moderne […]


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