Archive for August, 2015

Drohnenkrieg

30. August 2015

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (326) Werfen Sie mal einen Blick gen Himmel: kreist da eine Drohne? Es werden bald mehr werden.

Drohne mit Kamera

Als ich das allererste Mal davon hörte, hielt ich es – zugegeben – für einen Witz. Das weltgrösste Online-Versandkaufhaus Amazon wolle in Zukunft seine Pakete per Mini-Drohnen ausliefern, hiess es.

Jeff Bezos, der Amazon-Gründer, hatte das nicht als Vision in den Raum gestellt („Ich weiß, das klingt nach Science Fiction, ist es aber nicht!“), sondern als handfestes Vorhaben seines Unternehmens. 2013 war man schon mitten in der Erprobungsphase. Die unbemannten Luftfahrzeuge – 8 Motoren, Tragkraft 2,3 Kilogramm – würden von lokalen Logistikzentren aus starten und könnten binnen einer halben Stunde jeden Konsumenten erreichen. Nur die Genehmigung der Behörden stünde noch aus.

Mit meiner von Staunen durchzogenen Skepsis – der Technikexperte Sascha Pallenberg („Mobile Geeks“) erklärte den Plan sogleich zur „Marketing-Luftnummer des Jahres“ – war und bin ich nicht allein. Zugleich tauchen aber immer mehr Meldungen über ähnliche Pläne auf. Und immer mehr ganz reale Drohnen am Himmel. Sony – im Verbund mit dem japanischen Robotik-Experten ZMP – stellte erst unlängst den Prototyp eines Senkrechtstarters für Firmenzwecke vor. In jedem Elektrogroßmarkt und spezialisierten Online-Shop liegen die Dinger längst reihenweise in den Regalen.

Unbemannte Flugkörper, Miniatur-Helikopter und skurill geformte Drohnen, meist bestückt mit Action Cams, schwirren, kreisen und trudeln über unseren Köpfen. Und machen nicht nur manchen Nachbarn, sondern zunehmend auch die Behörden nervös. Die „just for fun“-UFOs sind latent absturzgefährdet, behindern den Flugverkehr und werfen vielfältige juristische und legistische Fragen auf. Einen an Nutzwert und –Last orientierten Regelbetrieb gibt es noch nirgendwo. Ausser beim Militär.

Aber auch andere Mächte haben die – je nach Anzahl der Rotoren – Quadro-, Hexa-, Okto- und sonstigen Multicopter am Radar. Der US-Bundesstaat North Dakota erlaubt demnächst mit Tasern und Reizgas bewaffnete Polizei-Drohnen. Schmuggler, Drogenhändler und technikaffine Kriminelle halten mit eigenen grenzüberschreitenden Entwicklungen dagegen. Medizin-Drohnen sollen auf raschestem Wege Defibrilliatoren und Medikamente transportieren.

Spielzeug für Erwachsene? Der amerikanische Munitions-Hersteller Snake River Shooting sieht das anders. Die Flugkörper seien die am schnellsten wachsende Bedrohung „für Freiheit, Privatsphäre und Sicherheit.“ Folgerichtig bietet man ein wirksames Gegengift für die Invasion der Roboter-Insekten: ferromagnetische Drohnen-Munition für die haushaltseigene Schrotflinte. Die Jagd ist eröffnet.

Werbung

Schweigeminute

24. August 2015

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (325) Die digitale Sphäre ist ein idealer Durchlauferhitzer für Medien-Aktionismus. Aktuelles Beispiel: die „Schweigeminute (Traiskirchen)“.

raoulhaspel_001

Ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich diese Kolumne rasch und beiläufig formuliere. Ich habe gerade Besseres zu tun. Im wahrsten Sinn des Wortes.

Im Augenblick versuche ich herauszufinden, wie die zuständigen Ansprechpartner bei Apple und Amazon heissen. Und wie man sie an einem Freitagnachmittag erreichen könnte. Denn ich möchte versuchen – ahnend, dass ich damit scheitern werde –, diesen Giganten der digitalen Welt von einem grossen Wunder im kleinen Österreich zu erzählen. Und sie dazu zu bewegen, ihren Teil dazu beizutragen. Das kostet die Konzerne eventuell ein paar Euro, bringt dafür aber jede Menge Aufmerksamkeit. Und Respekt.

Es ist so: vor ein paar Tagen wurde ein junger Mann bei uns im Büro vorstellig. Ein Künstler, der eine Idee hatte. Wie wäre es, dem lauten Getöse und Getriebe des Alltags und dem lärmenden Hickhack der Politik und Medien etwas entgegenzusetzen? Und zwar gezielt in der akuten Frage der Flüchtlichtlingswelle und des beschämenden Umgangs damit. Der Mann heisst Raoul Haspel, sein Vorschlag ist mittlerweile auf Platz eins der Download-Charts gelandet. Und wird wohl bald auch, dazu muss man kein Wahrsager sein, die offizielle Ö3 Top 40-Hitparade erobern.

Zu hören ist – nichts. „Schweigeminute (Traiskirchen)“ ist kein Song, der Robin Schulz, Sido oder Helene Fischer Konkurrenz machen will. Er zwingt uns nur zu einem kurzen, irritierenden Moment des Nachdenkens. Nebeneffekt: die Einnahmen aus dem Download der Sechzig Sekunden-Stille gehen an Organisationen, die im Flüchtlingslager Traiskirchen mehr bewirken können und wollen als der träge Staatsapparat Österreichs.

Das Echo war – und, ja, ich gebe zu, als Medien-Profi und Labelbetreiber hat mich das auch überwältigt – enorm. Von der „ZiB“ bis zur „Zeit“, vom „Spiegel“ bis zur „FAZ“, von der BBC bis zu „Le Monde“ gab und gibt es breite Berichterstattung. Natürlich tauchten auch gleich kritische Stimmen („Eigenwerbung!“) und wissende Spötter auf, die meinten, Raoul Haspel hätte seine Idee bei John Cage („4’33“), der Schweizer Caritas oder sonstwem geklaut. Es gibt aber kein Copyright auf Schweigen, wie lang es immer dauern mag. Und die digitale Moderne mit ihren ultrakurzen „Click/Like/Share/Buy“-Um- und Durchsetzungs-Halbzeiten ist ein wunderbarer Durchlauferhitzer für positiven Aktionismus dieser Bauart…

Pardon, grad’ läutet das Telefon! Ich hoffe, die Corporate Social Responsibility-Abteilung von Amazon oder Apple ist dran. Wir hören uns (nicht).

Aus-Zeit

14. August 2015

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (324) Reflexion, Baby! Warum Abschalten oft mehr bringt als Hochaktivität – jedenfalls dem non-maschinellen Wesen Mensch.

Lem Memoiren

„The future’s so bright I gotta wear shades“ sangen einst die US-Country-Rocker Timbuk 3. Freilich war das eher skeptisch gemeint denn zukunftsgläubig. Jedenfalls rutscht mir der Satz immer ins Gedächtnis, wenn ich – wie jetzt gerade – im Freibad im nördlichen Niederösterreich herumliege und mit der Seele baumle. Jack Nicholson-like mit schwarzer Ray Ban-Sonnenbrille vor den Augen, die Sonne brennt gnadenlos.

Und die Lektüre ist keine allzu leichte. Stanislaw Lems „Memoiren, gefunden in der Badewanne“ habe ich zuletzt in der Pubertät verschlungen – ohne damals zu verstehen, worauf der polnische Science Fiction-Philosoph hinauswollte. Das Buch nochmals aus dem Regal des Feriendomizils hervorzuholen, macht jedenfalls anno 2015 doppelt Sinn. Und, wie fast immer bei Lem, auch mächtig Spaß.

Denn die bereits 1961 verfassten „Memoiren“ (eigentlich: „Aufzeichnungen eines Menschen des Neogen“) lesen sich wie eine prophetische Zustandsbeschreibung der Jetzt-Zeit. Rezensenten etikettieren das Buch wahlweise als „satirische Farce“, „surrealistische Anti-Utopie“ oder „eine Schmähschrift auf die absolute Bürokratie und den totalen Polizeistaat, in dem alles und jeder gelenkt, einem geheimen Zweck untergeordnet und von Spitzeln überwacht wird.“ (so Lems deutscher Verlag Suhrkamp). Dass die Geschichte in einem Land namens „Ammer-Ku“ spielt – ein kaum verhohlener Fingerzeig auf die USA – ist so trefflich wie nebensächlich.

„Was dort das stets am Leib getragene Dechiffriergerät, ist hier das permanent Informationen ein- und auslesende und umwandelnde iPhone“, resümierte die Neue Zürcher Zeitung. „Was im Roman das Monster einer papierlastigen Bürokratie, sind heute aus dem Netzverkehr zusammengesaugte Riesenarchive und digitale Datenbunker – die nicht nur, wie wir inzwischen wissen, von Milliardensummen, sondern vor allem von einer universalen Paranoia des Verdachts gespeist werden.“

Man tut gut daran, bisweilen das Smartphone auszuschalten, den Alltag abzuschalten und in das Reich vergilbter Zukunftsprognosen und gewitzter Anti-Utopien abzutauchen. Reflexion, Baby! Jede Denkmöglichkeit ist in Big Data-Land längst Realität. Die Science Fiction-Elite von damals – jedenfalls ihre hervorragendsten Vertreter wie Lem, Philip K. Dick oder J. G. Ballard – wusste so einiges über den Pappenheimer Mensch. Und, nein, es ist kein Stilbruch, sich die Lektüre auf den E-Book-Reader runterzuladen. NSA & Co. lesen auch im Urlaub gerne mit.

Schutzengel an Bord

9. August 2015

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (323) Mit „OnStar“ setzt Opel auf die smarte Verbindung von maschineller und menschlicher Intelligenz.

Opel OnStar

Ich blätterte die aktuelle Ausgabe der „AutoRevue“ durch, bekanntermassen die eleganteste Fachzeitschrift der Motorwelt, und stolperte über einen Satz. Eigentlich war es nur eine Bildunterschrift. „Worauf es mittlerweile bei Autos sehr ankommt“, stand da zu lesen, „ist ein gewaltiger Bildschirm und die dort spielbaren Möglichkeiten der Informationstechnologie.“ Soweit, so banal. Erst recht im Vergleich mit den zukunftsdeuterischen Informationen und grenzphilosophischen Kommentaren im Rest des Hefts.

Aber die knappe pragmatische Erkenntnis trifft den Nagel auf den Kopf. Jedenfalls dachte ich das still bei mir, als General Motors Austria dieser Tage den neuen Opel Astra vorstellte. Man konnte das Auto – für den Hersteller ein wichtiges Volumen-Modell, in der hiesigen Zulassungsstatistik Nummer 2 in seiner Klasse gleich hinter dem VW Golf – noch nicht fahren. Nur anschauen. Und mit dem Design-Chef, dem Connectivity-Experten und den lokalen Spitzenmanagern plaudern.

Nun: zum Design kann man nur gratulieren, zum generellen Opel-Aufschwung – die Marke setzt nach ihrer existenzbedrohlichen Krise inzwischen sehr auf Dynamik und Lifestyle – dito. Was mich interessierte, war „OnStar“. Ein System, mit dem man einen markanten Vorsprung zu sonstigen Brot- & Butter-Herstellern herstellen will. Der neue Astra hat es als erstes europäisches GM-Modell vom Start weg an Bord.

Kurzgesagt handelt es sich bei „OnStar“ um einen automatisierten Notruf mit zusätzlichen Kompetenzen. Die computerisierte Intelligenz des Fahrzeugs wird genutzt, um etwa im Fall eines Verkehrsunfalls selbsttätig Kontakt mit der Opel-Europazentrale in Luton (Grossbritannien) aufzunehmen. Wesentlich ist, dass dort keine Schaltkreise tätig werden, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. Da in jedem Astra in Zukunft auch serienmässig eine SIM-Card verbaut ist, klingeln die „OnStar“-Engel durch, ob man etwas tun könne und, wenn ja, was. Im Extremfall verständigen sie Rettung und Polizei. Man kann die netten Damen und Herren – bis dato sind es 56 Callcenter-Cracks – per Knopfdruck aber auch nach dem Reifendruck fragen. Oder nach der nächsten Tankstelle.

Eine interessante Perspektive. Denn Opel wird sich solch ein Service nicht aus Jux leisten. Apple Car Play und Android Auto – um die kommenden Connectivity-Systeme beim Namen zu nennen – hat (bald) jeder. Den elektronische Schutzengel „eCall“ sowieso, weil demnächst EU-Pflicht. Den persönlichen Butler hätte ich aber eher in der Luxusklasse vermutet.

Überraschungseffekt

1. August 2015

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (322) Muss es immer ein Apple iPhone sein? Die Antwort darauf fällt überraschend eindeutig aus.

lg-leon-lte

Im Urlaub tat mein iPhone plötzlich keinen Mucks mehr. Es liess sich nicht mehr laden, nicht mehr starten, kurzum: nicht mehr sinnvoll nutzen.

Nun besitze ich noch ein Modell – unter Insidern: ein 4S –, das Lifestyle-Aposteln und Gadget-Freaks wahrscheinlich längst als obskures Museumsstück erscheint. Es ist aber keine vier Jahre alt, äusserlich noch gut in Schuss und hat mir bislang treue Dienste geleistet. Ob sich die Reparatur des Teils noch lohnt – wahrscheinlich ist ja nur der Akku ex –, werde ich wohl in Kürze wissen. Ich frage da inzwischen doch lieber den verschmitzt lächelnden Shopbetreiber ums Eck als den offiziellen Apple-Service, der für Routine-Handlangungen ungeniert Apothekenpreise verrechnet.

Um die Zeit zu überbrücken, wo mir das Gerät nicht zur Verfügung steht, habe ich ein Ersatzhandy erstanden. Ja, ich gestehe: ein Billig-Teil mit Android-Betriebssystem (Version 5.0.1 „Lollipop“) namens LG Leon. Das Ding sieht zwar klar weniger wertig aus als ein iPhone (doch keinesfalls unedel), kostet aber auch tatsächlich nur einen Bruchteil des Prestige-Bombers. Keine 130 Euro nämlich.

Was mich nun echt überrascht hat – man merkt meine Marktferne und Interessenlosigkeit, was den ewigen Strom neuer und neuester Handy-Marken und -Modelle betrifft –, war die Qualität des LG. Und die Ausgereiftheit von Android (die man als Apple-Jünger ja gern ungeschaut leugnet). Das Mobiltelefon kann alles, was man braucht und auch alles darüber hinaus, was man längst gewohnt ist von Smartphones. Das Display ist ausreichend hell und scharf, die Bedienung flüssig, die Kamera passabel. Die Sprachqualität ist besser als beim alten 4S. Das Leon beherrscht auch LTE, und, ja, es ist ein wahrer Segen, auf Standard-Netzteile (Micro-USB) und einen Slot für SD-Erweiterungskarten (Apple, schau oba!) zugreifen zu können. Mit den 8 Gigabyte On Board-Speicher kommt man klarerweise nicht weit.

Das ist übrigens der Grund, warum ich das betagte iPhone nochmals zum Leben erwecken will: die darin fix verbauten 64 Gigabyte Speicher haben damals richtig Geld gekostet. Vielleicht reichts ja noch zur Zweitkarriere als überqualifizierter iPod. Denn ich überlege ernsthaft, das LG Leon als Erstgerät zu behalten.

Eventuell sollte man öfter konservative Komfortzonen verlassen und neue Hard- und Software testen? Den Sparstrumpf freut’s wohl. Ich geh’ jetzt und werf’ mal einen Blick auf das neue Windows 10. Oder gar Linux als ewige Alternative.

%d Bloggern gefällt das: