MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (335) Die „Netzneutralität“ ist Geschichte. Oder: wie uns die Politik fortwährend für dumm verkauft.
Wissen Sie, wer Paul Rübig ist? Ich wusste es bis vor kurzem auch nicht.
Auf der löblichen Internet-Plattform meineabgeordneten.at kann man zu Herrn Rübig – korrekterweise: Kommerzialrat Ingenieur Magister Doktor Paul Rübig – nicht nur nachlesen, dass der gelernte Schmied eine Privatstiftung eingerichtet hat, diverse universitäre Lehraufträge besaß, an allerlei Firmen (Wassertechnologie, Wärmebehandlung etc.) beteiligt ist, seinen Präsenzdienst bei den Gebirgsjägern in Absam geleistet hat und lange Jahre Vizepräsident der Paneuropabewegung war, sondern auch seine aktuelle Funktion erfahren. Voilá: Rübig ist österreichischer EU-Abgeordneter. Und zugleich Schatzmeister der ÖVP-Delegation im Europäischen Parlament.
Nun gut, werden Sie sagen, ein fleissiger, geschäftstüchtiger Mann – aber was kümmert’s mich? Die Antwort betrifft uns leider bald alle: Rübig zählt zu jenen Entscheidungsträgern, die die Abschaffung (oder zumindest Aufweichung) der Netzneutralität vorangetrieben und mitbeschlossen haben. Dieses harmlose Wort steht für ein Grundprinzip des freien Internet: die gleichberechtigte Übertragung von Daten unabhängig von Sender, Empfänger, Inhalt und Anwendung. Experten, darunter der World Wide Web-Begründer Tim Berners-Lee, warnen seit Jahren vor der Aufopferung dieses Grundrechts des digitalen Zeitalters auf dem Altar kommerzieller Interessen.
Forsche Politiker wie Kommerzialrat Rübig ficht das nicht an, im Gegenteil. Er überzeugte als „Telekom-Sprecher“ die ÖVP-Mitstreiter/innen im EU-Parlament, gegen Roaming-Gebühren und für eine „Verordnung über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet“, die er selbst mitformuliert hat, zu stimmen. Kenner der Materie orten darin einen Kuhhandel mit unabsehbaren Folgen.
Der Treppenwitz folgt aber erst. Weil diese Vorgänge doch einige kritische Stimmen und Reaktionen zeitigten, erklärt uns der EU-Parlamentarier im Radio und auf seiner eigenen Homepage, was Sache ist. „Wenn alle anfangen, „House of Cards“ runterzuladen“, so Rübig, „darf das nicht dazu führen, dass der normale Surfer im Stau steht.“ Und, man ahnt es: die Netzneutralität sei nicht gefährdet, sondern – im Gegenteil – erst durch wackere Ritter wie ihn tatkräftig und dauerhaft geschützt. Netzneutralität und „Verkehrsregeln für spezielle Dienste“ seien ja „kein Widerspuch“. Was immer mit den Spezialdiensten gemeint sein mag; die TV-Serie „House of Cards“ streamt ja der „normale Surfer“, oder etwa nicht?
Wie zum Hohn erläuterte Timoetheus Höttges, Vorsatzvorsitzender der Deutschen Telekom AG, raschest, was er unter der Rübig-Doktrin versteht: „Gesicherte Qualität für ein paar Euro mehr“. Wer nicht in die Tasche greifen mag, darf schon mal gewöhnungstechnisch–vorsorglich auf die Kriechspur wechseln.