Archive for November, 2015

Neue Wirklichkeiten

29. November 2015

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (338) Es ist ein denkwürdiger Moment, Virtual Reality erstmals live und leibhaftig zu erleben.

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Es gibt diese speziellen Augenblicke im Leben.

Wir erinnern uns an den ersten Kuss, den mutigen Sprung vom Zehn-Meter-Brett im Freibad, den überraschenden Anruf des Personalberaters. Eventuell auch Tragisches – den Moment, als wir vom Tod von Jochen Rindt oder John Lennon erfuhren, den Ort, wo wir mit schreckgeweiteten Augen die Geschehnisse von 9/11 verfolgten, das Gefühl, das uns beim Abschied von der geliebten Großmutter begleitet hat. Manchmal weiss man im Augenblick des Geschehens selbst, dass es sich – strikt subjektiv – um einen memorablen, denkwürdigen Vorgang handelt, der einen sein restliches Leben lang begleiten wird.

Nun mag diese Einleitung reichlich pathetisch wirken, wenn man über eine beiläufige PR-Vorführung eines Unternehmens berichtet, die dieser Tage in einem Wiener Aussenbezirk vonstatten ging. Diese Firma nennt sich „Agentur für digitale Transformation“, heisst Exozet und ist in Berlin, Babelsberg und Wien aktiv, u.a. für Konzerne wie Red Bull, Audi, den Axel Springer Verlag und die Deutsche Telekom. Im Auftrag des ORF war und ist man massgeblich an der technischen Umsetzung der „TVThek“, des äusserst löblichen Streaming-Archivs für ORF-Eigenproduktionen (das bald um eine „Radiothek“ ergänzt wird), beteiligt.

Welchen unvergesslichen Moment hat mir nun Exozet beschert? Die Antwort lautet: die Erkenntnis, was Virtual Reality bedeuten könnte, im wirklichen Leben. Denn bislang war es ein blutleerer, theoretischer Begriff, der zwar seit Jahr und Tag in der Fachpresse herumgeistert, aber kaum je greifbar war. Schon in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte ich mir auf der „Ars Electronica“ in Linz eine Datenbrille aufgesetzt und war damit relativ unbeeindruckt herumgetappt. Hier aber, in einem Konferenzraum in Ottakring, manifestierte sich die Vision. Eine computergenerierte, künstliche Realität, die für einige Minuten zu frappierender Wirklichkeit wurde. Eine nachhaltige Vorahnung der Zukunft.

Für Beobachter muss ich wie ein plumper Tanzbär gewirkt haben, der – zuerst eine bereits käuflich erwerbbare Brille, die ein Android-Smartphone als Monitor nutzt, vor den Augen, danach ein fortgeschrittener Prototyp – seltsame Figuren in einem leeren Raum dreht. Aber ich befand mich anderswo: auf der Bühne mit U2, im kambodschanischen Dschungel und mitten in einem Kunstwerk, das ich selbst geschaffen hatte. Dreidimensional, leuchtkräftig, unfassbar (sic!) realistisch. Und dabei nur ein Binärcode, weggewischt auf Tastendruck.

Die Beschreibung des Erlebten würde diese Kolumne sprengen. Probieren Sie es selbst aus! Hier eröffnen sich – und es ist ausnahmsweise kein banaler Werbespruch – neue Realitäten.

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Amadeus, Amadeus

22. November 2015

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (337) Warum der Besuch der „Klangbilder“-HiFi-Messe in diesem Jahr besonders verlockend ist…

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Es ist ja nicht so, dass die Leut’ Niedrigpreise verachten. Im Gegenteil. Insbesondere wenn gegeben ist, was landläufig unter einem guten Preis-/Leistungs-Verhältnis verstanden wird. Probate Ware und nachhaltige Qualität auch für den schmalen Geldbeutel fasziniert mich in der Regel mehr als güldener Zierrat oder das letzte Quäntchen Raffinesse, das mit exorbitanten Kosten verbunden ist.

Dennoch standen einige Freunde dem vorwöchigen Ratschlag, es in punkto Plattenspieler einmal mit dem japanischen Direktdreher Audio Technica LP120-USB zu probieren, skeptisch gegenüber. Wie soll ein Gerät, das unter 300 Euro kostet, mit weit teureren Vorbildern und Konkurrenten mithalten können? Gewiss: das Gehäuse ist aus Plastik und nicht aus gebürstetem Aluminium, und da und dort regiert zweifellos der Rotstift. Es gibt auch kaum noch Langzeit-Erfahrungen (wie mit dem unkaputtbaren Technics SL-1210). Aber die Funktionalität stimmt, und noch hat kein noch so kritischer Profi-Nutzer ein Haar in der Suppe gefunden.

Ich verstehe aber auch, dass man sich von der Masse absetzen will. Gerade die High End-Fraktion der Audio-Hardware-Industrie lebt davon. Dann aber plädiere ich für wirkliche Exaltiertheit, sprich: den Bau oder Erwerb von Einzelstücken. Oder zumindest Geräten aus Klein- und Kleinstserien. Und hätte gleich einen aktuellen Liebling bei der Hand: den „Amadeus“ der Wiener Lautsprecher Manufaktur. Ersterer ist ein leistungspotenter integrierter Class D-Verstärker im eleganten Retro-Technik-Look, letzteres trotz des Namens ein Innsbrucker Unternehmen.

Martin Schützenauer heisst der Entwickler, Andreas Steiner der Geschäftsführer – und die beiden ehemaligen Spitzensportler beweisen heute Gehör und Geschick. Neben Boxen-Eigenentwicklungen und einer superb klingenden Luxus-Boombox („Wunderkind“) sind es nun vor allem die Voll-, Vor- und Endverstärker, die Aufmerksamkeit erregen. Benannt nach Mitgliedern der Habsburger Kaiserfamilie, gefallen vor allem Optik, Haptik und Akuratesse der Konstruktionen. Und man kann wohl – das ist wahrer Luxus! – noch die eine oder andere individuelle Note anregen.

Wie klingt nun der „Amadeus“? Ich gestehe: das blieb bisher ungetestet. Aber ich werde am kommenden Wochenende zur grössten österreichische HiFi-Messe „Klangbilder“ (27.-29.11., Arcotel Kaiserwasser Wien) pilgern. Und dort schnurstracks den Raum der Wiener Lautsprecher Manufaktur ansteuern. Mit hohen, nein: höchsten Erwartungen.

Postscriptum: ich war heute auf der Klangbilder HiFi-Messe im ARCOTEL Kaiserwasser Wien – und, ja, die Wiener Lautsprecher Manufaktur hat mich nicht enttäuscht. Im Gegenteil. You gotta hear this!

Ersatzlaufwerk

21. November 2015

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (336) Was kann – mitten im Vinyl-Revival – den legendären Plattenspieler Technics SL-1210 ersetzen?

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So ist das, wenn man versucht, Theorie und Praxis auf Deckung zu bringen. Man findet sich mitten im Trubel der Eröffnung eines Geschäftslokals in Wien-Neubau wieder. An diesem Ort, der eine nicht unoriginelle Kreuzung aus Plattenladen und Audio-Greisslerei (Schwerpunkt: Vintage HiFi) repräsentiert, dreht sich vieles, wenn auch nicht alles um das Thema Vinyl. Mit Recht: denn das Comeback dieses altertümlichen Tronträgers ist ebenso fulminant wie mittlerweile weithin bekannt. Wer da ein Geschäft vermutet, beweist eventuell einen Riecher. Noch besser, wenn man den Betreibern auch Fachverstand und Herzblut unterstellt.

Apropos Geschäft: ich werde einen Teufel tun, Ihnen den Namen und die genaue Adresse dieses Shops zu nennen (man würde mich ungenierter Schleichwerbung zeihen, zurecht). Nur soviel sei verraten: es befinden sich einige weitere Record Stores und HiFi-Spezialisten in nächster Nähe. Weil zu vermuten ist, dass die Konkurrenz auch positive Aspekte zeitigt – sei es in punkto allgemeiner Anziehungskraft des Viertels oder Repertoireverbreiterung für Vinyl-Liebhaber –, kann man sich umgehend drängenden Konsumentenfragen widmen. In diesem Kontext und vor Weihnachten lautet eine der meistgehörten: zu all den schönen Scheiben welchen Plattenspieler kaufen?

Nun hat jeder einschlägige Dealer – nachdem hier lange Jahre eine rechte Marktflaute zu verzeichnen war, die insbesondere der österreichische Hersteller Pro-Ject für sich nutzen konnte – heute wieder eine feine Auswahl parat: von altbekannten Marken wie Thorens, Dual, Rega, Denon und Teac bis hin zu Exoten wie Music Hall, Clearaudio oder Funk Firm. Von Spitzenlaufwerken wie dem Linn Sondek LP12 soll hier erst gar nicht geschwärmt werden… Fast alle dieser Geräte sind solide Dreher für die Stereoanlage daheim, haben aber auch Nachteile: sie sind filigran, wollen gepflegt und sensibel behandelt werden und werden via Gummiriemen angetrieben.

Jene Hobbyisten aber, die den Plattenreiter (kurz: DJ) in sich erwachen spüren, mögen aber unbedingt ein robustes Arbeitstier mit Direktantrieb erwerben. Die Messlatte legt hier der legendäre Technics SL-1210, der ungebrochen hoch im Kurs steht (auch preislich), aber einen Nachteil hat. Einen entscheidenden: er wird nicht mehr gebaut. Technics hat zwar mittlerweile vage einen Nachfolger in Aussicht gestellt, aber genaueres weiss man nicht.

Nun gibt es unzählige Nachbauten, Klone und Derivate des SL-1210. Das meiste davon Schrott. Mit einer Ausnahme. Und die heisst Audio Technica LP120-USB. Kostet nicht mal die Hälfte des Originals – und kann alles. Tipp: Händler ausfindig machen (muss nicht der in Wien-Neubau sein), zuschlagen, Spaß haben.

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