MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (338) Es ist ein denkwürdiger Moment, Virtual Reality erstmals live und leibhaftig zu erleben.
Es gibt diese speziellen Augenblicke im Leben.
Wir erinnern uns an den ersten Kuss, den mutigen Sprung vom Zehn-Meter-Brett im Freibad, den überraschenden Anruf des Personalberaters. Eventuell auch Tragisches – den Moment, als wir vom Tod von Jochen Rindt oder John Lennon erfuhren, den Ort, wo wir mit schreckgeweiteten Augen die Geschehnisse von 9/11 verfolgten, das Gefühl, das uns beim Abschied von der geliebten Großmutter begleitet hat. Manchmal weiss man im Augenblick des Geschehens selbst, dass es sich – strikt subjektiv – um einen memorablen, denkwürdigen Vorgang handelt, der einen sein restliches Leben lang begleiten wird.
Nun mag diese Einleitung reichlich pathetisch wirken, wenn man über eine beiläufige PR-Vorführung eines Unternehmens berichtet, die dieser Tage in einem Wiener Aussenbezirk vonstatten ging. Diese Firma nennt sich „Agentur für digitale Transformation“, heisst Exozet und ist in Berlin, Babelsberg und Wien aktiv, u.a. für Konzerne wie Red Bull, Audi, den Axel Springer Verlag und die Deutsche Telekom. Im Auftrag des ORF war und ist man massgeblich an der technischen Umsetzung der „TVThek“, des äusserst löblichen Streaming-Archivs für ORF-Eigenproduktionen (das bald um eine „Radiothek“ ergänzt wird), beteiligt.
Welchen unvergesslichen Moment hat mir nun Exozet beschert? Die Antwort lautet: die Erkenntnis, was Virtual Reality bedeuten könnte, im wirklichen Leben. Denn bislang war es ein blutleerer, theoretischer Begriff, der zwar seit Jahr und Tag in der Fachpresse herumgeistert, aber kaum je greifbar war. Schon in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte ich mir auf der „Ars Electronica“ in Linz eine Datenbrille aufgesetzt und war damit relativ unbeeindruckt herumgetappt. Hier aber, in einem Konferenzraum in Ottakring, manifestierte sich die Vision. Eine computergenerierte, künstliche Realität, die für einige Minuten zu frappierender Wirklichkeit wurde. Eine nachhaltige Vorahnung der Zukunft.
Für Beobachter muss ich wie ein plumper Tanzbär gewirkt haben, der – zuerst eine bereits käuflich erwerbbare Brille, die ein Android-Smartphone als Monitor nutzt, vor den Augen, danach ein fortgeschrittener Prototyp – seltsame Figuren in einem leeren Raum dreht. Aber ich befand mich anderswo: auf der Bühne mit U2, im kambodschanischen Dschungel und mitten in einem Kunstwerk, das ich selbst geschaffen hatte. Dreidimensional, leuchtkräftig, unfassbar (sic!) realistisch. Und dabei nur ein Binärcode, weggewischt auf Tastendruck.
Die Beschreibung des Erlebten würde diese Kolumne sprengen. Probieren Sie es selbst aus! Hier eröffnen sich – und es ist ausnahmsweise kein banaler Werbespruch – neue Realitäten.