Archive for Juni, 2016

Tagtägliche Erleuchtung

26. Juni 2016

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (365) Überdimensionale, hochauflösende TV-Monitore machen Beamer im Wohnzimmer zunehmend überflüssig.

TV Zukunft

Die Lust auf wandfüllende TV-Bilder ist nach dem Ausscheiden der österreichischen Nationalmannschaft bei der Fußball-EM in Frankreich deutlich zurückgegangen. Zumindest bei mir.

Man muß schon ein bekennender Sport-Fanatiker sein, um nun jedes weitere Match zu verfolgen – wobei: das Live-Erlebnis im Stadion kann kein noch so scharfer, noch so großer, noch so moderner Screen ersetzen. Und auch kein High-End-Beamer. Oder doch? Die hochauflösenden Bilder, die man uns als Bit-Strom mitten ins Wohnzimmer schickt, zeigen ja die Angst des Tormanns vor dem Elfmeter, wie sie auch Peter Handke nicht lebensnäher beschreiben könnte. Schweißtropfen für Schweißtropfen. Und Zeitlupenwiederholungen gibt es in „real life“ nicht.

Und, ja, spätestens beim Finale werden wir uns alle wieder um ein probates Schau-Erlebnis kümmern. Freund Z., der einen sauteuren JVC-Projektor sein eigen nennt (laut seiner Aussage „der Ferrari unter den Beamern“) und gern auch für ein adäquates kulinarisches Rundherum sorgt, gilt in meinem Bekanntenkreis als erste Adresse für den Genuß derartiger TV-Highlights.

Angefixt von der meterbreiten Bilddiagonale in seinem Haushalt, habe ich selbst auch einen Beamer erstanden. Einen, hüstel, deutlich billigeren. Und, ja, das BenQ-Gerät mit immerhin 3000 Lumen Leuchtkraft kann im Direktvergleich sogar einigermassen mithalten – jedenfalls soweit, dass ich nicht den zehnfachen Preis für einen Projektor auszugeben bereit wäre. Aber eine notorische, weil prinzipielle Schwäche können beide Lichtkanonen nicht verbergen: eine gewisse Flauheit und Flachheit des Bildes. Zumindest, solange man den Raum nicht verdunkelt.

In diesem Zusammenhang wurde ich an eine Exegese erinnert, die mir der ORF-Experte M. schon vor Jahren zukommen hat lassen: die nachdrückliche Unterscheidung von Auf- und Durchlicht. Dargestellt am Beispiel von Kirchenfenstern, den „ersten Bildschirmen“. Dem staunenden Volk zur allgemeinen Erbauung und Erleuchtung zur Verfügung gestellt von der römisch-katholischen Kirche, dem, so M., „wahrscheinlich scharfsinnigsten, sicher langlebigsten und vermutlich (…) erfolgreichsten Medienhaus der Geschichte.“ Eine zumindest nicht unoriginelle Betrachtung.

Meine These lautet weit nüchterner: wenn die LCD- und OLED-Schirme (und was immer technisch noch kommen mag) in immer grössere Dimensionen wachsen und zugleich – der 4K-Standard ist längst definiert – noch schärfer, kontrastreicher, hochauflösender, preisgünstiger werden, ist ihre Zukunft eine strahlend helle. Nur für Beamer seh’ ich fortan eher schwarzgrau.

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Abseitsfalle

25. Juni 2016

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (364) Wettfieber unter Televisionären: verschwindet der Beamer nach der Fußball-EM endgültig im Schrank?

Beamer

Mein Fernseher kommt nur noch selten zum Einsatz. Ja, bei Diskussionssendungen, ausgewählten Politik- und Kulturbeiträgen oder Großereignissen drücke ich mit einer gewissen Verlässlichkeit die On-Taste. Die „Zeit im Bild“ sehe ich mir inzwischen meist am Laptop an, wann und wo immer mir gerade danach ist. Der Rest des Programms (und das gilt nicht nur für den ORF) scheint für Menschen konzipiert zu sein, die nichts Tröstlicheres mehr in ihrem Leben suchen und finden. Und, ja, der Flatscreen mit einer Diagonale von 50 Zoll – das war vor einigen Jahren noch gigantisch, heute ist es fast schon Mittelmaß – ist natürlich der Bildschirm der Wahl, wenn DVDs, BluRay-Discs oder Netflix ins Spiel kommen.

Womit wir wieder einmal dem schon – vergleichsweise antiquiert wirkenden – Terminus „Heimkino“ nachspüren. Halt! War da nicht noch was? Ja: Sport. König Fußball regiert doch gerade das Geschehen! Die Anbieter von Fernsehgeräten verkaufen in solchen Phasen zwischen zehn und zwanzig Prozent mehr als sonst, frohlockt der Österreich-Chef von Samsung in einem „Kurier“-Interview. Der alte, noch funktionierende TV-Monitor wird in der Regel ins Kinder- oder Schlafzimmer verfrachtet, ins Wohnzimmer kommt ein neuer Schirm mit mehr Zoll und Pixel. Und dem einen oder anderen unerwarteten Talent – etwa dem, seine Besitzer auszuspionieren („Dazu sage ich gar nichts“, so der zitierte Samsung-Manager. „Dazu gibt es offizielle Stellungnahmen der Konzernleitung.“)

Was mir aber doch recht deutlich auffällt: kaum jemand spricht mehr von Beamern und Projektoren. Auch in den Verkaufsprospekten der Elektromärkte spielen sie nur mehr eine untergeordnete Rolle. Sind sie aus der Mode geraten? Können sie nicht wirklich mithalten mit 75 Zoll-4K-Schirmen? Hat niemand mehr das Bedürfnis nach metergroßen Bilddiagonalen? Fehlt es an Innovationen? Ist der Markt gesättigt? Fragen über Fragen. Ich muss das jetzt mal ernsthaft recherchieren.

Denn: gelegentlich verspreche ich Dinge, die ich dann nicht halte. Nicht absichtlich freilich, sondern dem unerbittlichen Verdrängungswettbewerb neuer und neuester Technik-Highlights geschuldet. Aber der so lange schon geplante Testvergleich zwischen einem Billig-Beamer (ich habe extra einen BenQ TH681 erworben) und einem zehnmal so teuren Exemplar muss jetzt – oder nie – über die Bühne gehen. Der Besitzer des High End-Geräts ist Fußballnarr. Und damit genügend abgelenkt, um über das absehbare Kabel-Wirrwarr in seinem Wohnsalon nicht in Verzweiflung zu verfallen.

Ungeheuer Maschinensteuer?

12. Juni 2016

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (363) Eine “Maschinensteuer” brauchen wir nicht, tönt es aus konservativen Industrie- und Politik-Bastionen. Und was, wenn doch?

Kassomat

Der Job einer Supermarkt-Kassierin ist sprichwörtlich: mühsam, oft stupide, unterprivilegiert, schlecht bezahlt. Aber es ist ein Job. Und die Damen – ich sehe kaum Männer an den Kassen – meines Stamm-Einkaufszentrums in Wien-Favoriten machen ihn gut. So gut, dass Kunden nicht selten ein Lächeln über die Lippen kommt. Ein flotter Gruß. Und das eine oder andere Wort der Anerkennung für die routinierte, gelassene, zügige Abwicklung der Konsumentenschlange vor der Bezahlschranke. Hart erarbeiteter Respekt.

Nun hat die Geschäftsleitung der Supermarkt-Kette beschlossen, Selbstabwicklungskassen zu installieren. Versuchsweise zunächst. Zusätzlich zu den personalisierten Kassen gibt es jetzt Automaten („Kassomat“), die es ermöglichen, seinen Einkauf selbst abzurechnen. Es klappt nicht auf Anhieb (und oft, ähnlich wie bei den Ticketautomaten am Flughafen, nur unter absurden Widerspenstigkeiten) – aber es ist wohl die Zukunft.

Noch flüchten sich die humanoiden Kassen-Profis in die Perspektive, dass Maschinen fehleranfällig sind, der Erklärung bedürfen und überwacht werden müssen. Aber es liegt die Ahnung eines Umbruchs in der Luft. Die netten Damen mit den flinken Fingern werden ihren Job verlieren. Die Supermarkt-Kette wird vice versa mehr Profit machen. Solange es noch Supermärkte, wie wir sie heute kennen, gibt.

Ich mag das Wort „Maschinensteuer“ nicht. Es ist kalt, es ist technokratisch, es verheisst – und, ja, ich bin selbst Unternehmer – nur eine drückende Steuer mehr. Aber wir werden als Gesellschaft nicht umhin kommen, über das Thema „Arbeit im 21. Jahrhundert“ zu reden. Und die bereits heute deutlich merkbaren Faktoren, die unsere Vorstellung davon und die gelebte Praxis des Arbeitsmarkts auf den Kopf stellen. Das Automatenkassen-Exempel ist in diesem Kontext fast banal, aber plakativ. Disruptive Technologien und Entwicklungen nennen es Experten, eine neue industrielle Revolution (Kennziffer 4.0), das „Internet der Dinge“, das auch vor unserem Büro nicht halt macht. Vor dem Fabrik-Fließband. Und erst recht vor der Computerkasse.

Weltumspannende Konzerne, die mehr und mehr unseren – zunehmend digitalen – Alltag bestimmen, gerieren sich als Garanten des Fortschritts und omnipotenter Glücksverheissungen. Der Staat als jahrtausendealte Institution der menschlichen Selbstorganisation hat da vergleichsweise graues Haar am müden Kopf, die Politik sieht dito alt und verbraucht aus. Und oft, Stichworte: Arbeits- und Finanzmarkt, Migration, Bildung, Umwelt – unendlich ratlos. Man könnte darob ins Philosophieren kommen, Aufsätze schreiben, ganze Bücher.

Als Nebenerwerbs-Kolumnist, der nicht automatisch der Depression zuneigt, stelle ich nur eine einzige Frage: werden uns die retten, die – wie Politikroboter – reflexhaft Zeter und Mordio schreien, wenn die Idee einer „Wertschöpfungsabgabe“ (das ist ein viel schöneres und trefflicheres Wort als „Maschinensteuer“, es gibt auch noch andere) auch nur andiskutiert wird?

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