MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (373) Der Kia Sportage der vierten Generation demonstriert nicht die Zukunft des Automobils, aber eine ebenso preiswerte wie opulente Gegenwart.
„Das Auto als Freiheitsmaschine hat keine Zukunft“. Solche Überschriften – online nachzuschlagen in der Süddeutschen Zeitung – sind nicht gerade die ideale Begleitmusik, um einen aktuellen SUV zu bewerten. Aber mein Resümee nach einwöchiger Testnutzung eines KIA Sportage 2.0 CRDI fällt radikal anders aus: dieses Auto ist die leistbare Freiheitsmaschine der Gegenwart. Was in Zukunft sein wird, weiß kein Mensch.
Wie komme ich zu solch einem Urteil – das für Fortschrittsgläubige auf einen Affront hinausläuft? Nun: eigentlich sind mir SUVs (Sport Utility Vehicles) als Fahrzeuggattung eher unsympathisch – zu voluminös, oft protzig-hässlich, technisch meist unnütz überzüchtet. Zugleich ist diese Kategorie aber im Autohandel die mit Abstand erfolgreichste der letzten Jahre. Was einiges über unsere Zeit und alternde Gesellschaft aussagt. Andererseits sollte man nicht zu geschmäcklerisch an die Sache herangehen. Und Phänomene als Journalist tunlichst kühl analysieren.
Was mir beim aktuell getesteten Kia Sportage der vierten Generation, zugegebenermassen schwer fällt. Man schlüpft in dieses Fahrzeug hinein wie in einen Handschuh: alles sitzt, passt, funkt, als stünde das Auto seit Jahren in der eigenen Garage. Der Kia-Werbespruch „The power to surprise“ trifft es exakt: da definiert ein vormaliger südkoreanischer Billigsberger die leistbare SUV-Klasse neu.
Wobei „leistbar“ relativ ist: die Listenpreise für den Sportage beginnen bei 24.000 Euro, die getestete, mit allem Schnickschnack (Vierradantrieb, Automatik, Bi-Xenon-Scheinwerfer, autonomes Notbremssystem etc. usw.) ausgerüstete Platin-Edition überspringt dann locker die 40.000 Euro. Aber ich war und bin wirklich überrascht, wie komplett, robust, durchdacht und vergleichsweise vernünftig dieses Auto ist. Quasi eine Alltags-Benchmark individueller Old School-Autoerotik. Und, ja, es geht natürlich immer (auch) um die Befriedigung des eigenen Ich.
Freilich auch bei der gegnerischen Fraktion: engstirnigen Moral- und Zukunftsaposteln, selbsternannten Verkehrsplanern und unbedingten Autohassern. Ihre Befriedigung leitet sich zumeist aus einfachem Distinktionsgewinn ab: seht her, diese SUV-Deppen! Wollen einfach nicht aufs Rad, auf die Eisen- oder Strassenbahn, auf ein Elektrowägelchen umsteigen! Sorry to say: man sollte den Instinkt von Millionen Käufern, die ihr hart erarbeitetes Geld für Mobilitäts-Prothesen auf den Tisch legen, nicht unterschätzen.
Das „ekstatisch-suizidale James Dean-Modell des Autofahrens“, wie es die „Süddeutsche“ polemisch nennt, ist – sorry again (und zwar in jeder Hinsicht) – alles andere als von gestern. Jedenfalls, solange die Bahn bummelt und Tesla & Co. im Selbstfahrmodus in kreuzende LKWs krachen. Haben denn Unfreiheitsmaschinen eine Zukunft?