Archive for Oktober, 2016

Liebhaberwert

29. Oktober 2016

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (383) Erinnert sich noch jemand daran, was ein iPod war? Schade eigentlich, dass Apple ihm keine Zukunft zudenkt.

apple-ipod

Diese Kolumne kommt allmählich in ein Alter, in dem man schon ins eigene Archiv hinabsteigen kann, um fündig zu werden. Zumal mein persönlicher Blog – zu erreichen  unter groebchen.wordpress.com – bis ins vorige Jahrhundert, ja Jahrtausend zurückreicht.

Hier finden sich nicht nur alle 383 bis dato erschienenen „Presse am Sonntag“-Beiträge (übrigens oft in erweiterter Form und durchwegs mit hilfreichen links versehen), sondern auch Artikel, Glossen und Texte aus jenen Jahren, in denen ich Journalismus vorrangig als probates Mittel betrachtete, um den Geheimnissen des Wirtschaftslebens auf die Spur zu kommen.

Der erste Eintrag, der das Stichwort „iPod“ enthält, datiert vom Februar 2002. Ich habe das recherchiert, weil Apple dieser Tage glatt den 15. Geburtstag seines einst revolutionären MP3-Players vergessen hat. Am 21. Oktober 2001 lancierte der heutige Konzerngigant, der damals noch ziemlich in der Krise steckte, jenes Gadget, das die Musikindustrie auf den Kopf stellen sollte. Einerseits, weil es ungeniert das verfemte Piraten-Format MP3 kommerziell nutzte, anderseits, weil damit die weitere Entwicklungsschiene – über den 2003 eröffneten iTunes Music Store bis zum ersten iPhone anno 2007 – quasi vorgezeichnet war.

Mit der explosionsartigen Vermehrung von Smartphones wurde ein reines Musikabspielgerät jedoch zunehmend obsolet. Dennoch trauere ich dem iPod – ich besitze immer noch drei Exemplare, darunter einen „Classic“ mit 120 Gigabyte-Festplatte und freilich auch den Erstling, der wahrscheinlich schon Liebhaberwert hat – nach.

„Ich liebe die Idee, meine gesamte Plattensammlung im Hosensack mir mir herumzutragen“, schrieb ich vor vierzehn Jahren. „Und ich bin gerne bereit, für qualitativ hochwertige MP3-Kollektionen zu bezahlen.“ Von Spotify, Apple Music, Deezer & Co. – und Streaming generell – war damals noch keine Rede. Es ist witzig und traurig zugleich, die trägen (und teilweise absurd falschen) Reaktionen der Chefetagen von Universal, Sony, Warner Music & Co. nachzulesen. Davor ist übrigens auch Apple nach dem Ableben seines Gründers Steve Jobs nicht gefeit: der Konzern beschränkt sich auf die Fortschreibung des Erwartbaren.

Darf ich mir als Konsument mit Ausblick auf 2017 etwas wünschen? Ein auf Musikgenuss pur spezialisiertes iPhone nämlich. Eines, das für die Post-MP3-Ära (also das Abspielen von HiRes-Files) optimiert ist. Extra edel gestaltet. Mit exklusiver Abspielsoftware. Soundtechnisch höchstwertigem Innenleben. Mit altertümlichen Kopfhörer-Anschluß. Idealerweise auch mit SD-Karten-Speicherweiterung. Meinetwegen aber ohne Telefonfunktion.

Womit wir wieder – zurück in die Zukunft! – beim iPod gelandet wären.

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Fehlersuche

23. Oktober 2016

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (382) Nutzwert, Baby! willhaben.at, Österreichs größter digitaler Marktplatz, ist (k)ein Überraschungserfolg. Gottseidank.

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Es ist ja nicht unlustig, irgendwie. Einige Kolleginnen und Kollegen der Medienbranche reichen gerade einen Artikel herum, der die Überschrift „What If The Newspaper Industry Made A Colossal Mistake?“ wie eine Monstranz der Erkenntnis vor sich her trägt.

Die Conclusio dieses Artikels lautet, dass die Zukunft von Papiermedien in Papier liege und nicht in Smartphones, iPads und Virtual Reality. Zwar würden immer mehr Käufer der Print-Ausgaben verloren gehen, aber nicht von den Online-Leserzahlen jener Zeitungen und Magazine kompensiert werden. Im Klartext: wer etwa „Die Presse“ nicht mehr liest, aus welchen Gründen auch immer, wechselt auch nicht zu „DiePresse.com“.

No na! Die Kernkompetenz von Holzmedien liegt freilich in Holzmedien. Und dass viele ihrer Web-Äquivalente oft, zu oft eine gewisse Talent- und Visionslosigkeit in punkto Gestaltung, Usability und Grundverständnis elektronischer Medien offenbaren, ist zwar anno 2016 – nach vielen Jahren Lehrgeld – erstaunlich, aber auch einer unternehmerischen Halsstarrigkeit geschuldet. Einer konservativen Denkart, Unlust  und Verzagtheit, die verhindert, dass das Business insgesamt eine Zukunft hat.

Ein Beispiel: „Der Spiegel“ berichtet in seiner vorwöchigen Ausgabe über ein chinesisches Social Media-Phänomen namens Weixin („WeChat“). Es handelt sich um eine Art eierlegende elektronische Wollmilchsau, die viele Funktionen vereint, die hierzulande diverse Apps benötigen. 800 Millionen Menschen in China seien, stand da zu lesen, Weixin regelrecht verfallen. Wohlan!, möchte man den „Spiegel“-Strategen zurufen: warum baut ihr das Ding nicht einfach nach? Und überrollt damit den westlichen Markt? Reverse Engineering hat doch auch die Chinesen ungeniert nach vorne katapultiert!

Man kann mir nicht nachsagen, ich würde Papier nicht wertschätzen. Ich liebe es. Den Geruch, die Haptik, die Druckerschwärze. Wenn man etwas daraus machen will, jenseits öder „Das haben wir immer schon so gemacht“-Routine und „Jetzt sparen wir uns mal zu Tode“-Defensive, ist es ungebrochen ein wunderbares Format. Und eine analoge Zukunftsnische par excellence. Aber es ist absurd, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf Facebook (!) regressive Selbstversicherung zu inszenieren, die eine Online-Denkschrift samt Deeplinks und „Share It On Twitter“-Button als Grundlage hat. Die Wahrheit ist doch – und wir kennen sie alle –, dass nur die geschickte Kombination von On- und Offline, die präzise Placierung und Vermarktung journalistischer Inhalte (ich weigere mich, das Wort „Content“ in den Mund zu nehmen) und wechselseitige offensive Offenheit Relevanz und Ertragsstärke garantieren.

Medienmanagement bedeutet stärker denn je, das Zauberwort Querfinanzierung durchzudeklinieren. Und nicht wie ein Kaninchen vor der Schlange zu verharren. Insofern ist es erfreulich, einer aktuellen Jubelmeldung der Plattform willhaben.at gewahr zu werden, man hätte die 4 Millionen-Anzeigen-Grenze geknackt. Der elektronische Marktplatz – zur Hälfte im Besitz der Styria Media AG (der auch „Die Presse“ gehört) und zur anderen Hälfte des norwegischen Konzerns Schibsted – ist ein Riesenerfolg. Und womit? Mit Recht. Der Nutzwert, die Beliebtheit und Reichweite dieses 2006 gegründeten Portals sind fulminant.

Und wenn solch eine simple Idee – quasi die Kleinanzeigen-Sektion einer Zeitung ins 21. Jahrhundert zu transferieren – mit dazu beiträgt, den Kern eines Medienunternehmens zu stärken und ihren Papier- und (jawohl: und) Webprodukten eine solide Existenzbasis zu verschaffen, soll es uns allen mehr als recht sein.

Oh Lord, Won’t You Buy Me…

16. Oktober 2016

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (381) Ab sofort das Dilemma jedes Motor-Journalisten: wie sage ich’s meinen Lesern? Zukunftstauglichkeit als neuer Imperativ – ein elektrifizierendes Thema.

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Früher war alles einfacher. Scheinbar zumindest. Ein Auto war ein Auto war ein Auto – und es wurde als greifbare, fahrbare, letztlich weithin leistbare Einlösung des Fortschritts- und Freiheitsversprechens wahrgenommen. Sozialer Aufstieg materialisierte sich nicht nur, aber auch als motorisierter Haufen Blech. Und ein Mercedes galt, wenn ich mich recht erinnere, als besonderer Ausweis finanzieller und sonstiger Potenz.

Bekennenderweise besaß ich eine zeitlang, es ist gar nicht so lange her, einen Mercedes-Benz der Baureihe W123. Es war eine 230er-Limousine in Lindgrün, die sich fuhr wie ein Donauschleppkahn und Benzin soff, als hätte ihr Hersteller nie etwas von der Ölkrise der siebziger Jahre gehört. Der Kilometerstand war erstaunlich niedrig, weil der Vorbesitzer damit quasi immer nur zum Jahresservice in die Werkstatt (und wieder retour) rollte, der Wagen sonst aber hauptsächlich in der Gegend herumstand.

Ein wirkliches Oldtimer-Liebhaber-Exemplar. Nachhaltigkeit pur. Ich hab’ es trotzdem verkauft, mit Gewinn – ich nenne nun mal keine Datscha mit Riesen-Tiefgarage mein eigen. Und auch, weil bei jedem Zwischstopp, vor allem am Land, die Kaufangebote mit Anmerkungen wie „Ans der letzt’n guat’n Autos!“ nur so durchs Vorderfenster schneiten.

Was ist nun anno 2016 ein gutes Auto? Ich meine damit vorrangig: ein vernünftiges Vehikel. Eines, das unseren im Vergleich zu jener Hochblüte der Massen-Mobilisierung durch Technik heute weit kritischeren Zeitgeist im Hinterkopf hat, auf die Vorzüge des motorisierten Individualverkehrs aber nicht verzichten mag. Im Sommer fuhr ich also im Rahmen einer kleinen Testreihe einen aktuellen Mercedes: eine E-Klasse-Limousine. Eigentlich wollte ich das brandneue Kombi-Modell T (weil vordergründig geräumiger und mithin vernünftiger), aber die E-Klasse ist durch die Bank der Urmeter luxuriöser Basis-Fortbewegung. Und sie repräsentiert den Stand der (Diesel-)Technik. Absolut. Dachte ich. Bis vor wenigen Tagen.

Sie haben es auch gelesen: Deutschland will ab 2030 keine Autos mit Benzin- oder Dieselmotoren mehr neu zulassen. Sowohl SPD- wie unionsregierte Bundesländer befürworten ein Verbot für nicht emissionsfreie Antriebstechnologien. Die Grünen sind sowieso d’accord, nur die Gewerkschaften (General-Argument: Arbeitsplätze!) und Mercedes-Chef Dieter Zetsche sind vorerst dagegen. Österreich wird, egal was Provinz-Politiker heute verkünden, mitziehen. Ich werde also meine Kolumne zur E-Klasse nochmals überdenken. Unter dem strikten Imperativ der Zukunftstauglichkeit. Die Gegenwart ist, perdu!, schon Vergangenheit.

Mein Kampfradler!

7. Oktober 2016

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (380) Botschaft an einen Freund: die notorische Fixiertheit der Radfahrer/innen-Fraktion auf das Feindbild Auto ist, sorry to say, kontraproduktiv. 

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Sagen wir mal so: Freund D. werde ich mit dieser Kolumne nicht von den Vorzügen motorisierter Fortbewegung überzeugen können. Will ich es überhaupt?

D. ist überzeugter Radfahrer. An sich ein sehr sympathischer Wesenszug, zumal als Mitbewohner einer Millionenstadt, die – wie jede moderne Metropole – ein Problem mit zuviel Autoverkehr hat. D. ist aber ein, hm, sehr überzeugter – ich verkneife mir die absichtsvolle Zuschreibung „militanter“ – Radfahrer. Und er kommuniziert das so nachdrücklich wie unablässig. Man kann das nun ebenfalls für sympathisch, weil notwendig erachten, man kann (und darf es hoffentlich auch) ein bissl schrullig finden, man könnte aber auf den missionarisch-aggressiven Ton seiner Anti-Auto-Predigten auch genervt reagieren. In Kenntnis der progressiven Denkart und liebenswerten Persönlichkeit von D. reagiere ich meist mit milde gestimmter Gelassenheit. Zumal ja auch einiges an Wahrheit in einer radikalen Sicht der Verkehrsproblematik steckt.

Neulich aber bin ich richtig erschrocken. Denn D. schrieb öffentlich, dem grösstmöglichen Facebook-Leserkreis zugedacht, von der „totalen Zerstörung der Welt“ durch eine „von Adolf Hitler erfundene Autoreligion“. Ich kann hier die ganze Epistel nur auszugsweise wiedergeben, aber Hersteller und Nutzer von Kraftfahrzeugen werden als „wahnsinnige Sekte“ beschrieben, die ober- und unterirdische „Weihestätten“ für „nutzlose Kultobjekte“ errichte – gemeint sind damit wohl Parkgaragen. Die Anhänger der „blechernen Todesmaschinen“ würden nur einen Antichristen kennen: den Radfahrer. Pardon: den „glücklichen, freien, selbstermächtigten, mit geschärften Sinnen“ dahinradelnden Anti-Hitler.

Sorry: das ist nicht lustig. Selbst wenn D. nur provokative Thesen alternativer Vordenker – wie etwa das Bild der „Heiligen Kuh“ Automobil des Kulturanthopologen Marvin Harris – paraphrasiert, hat die Heiligsprechung einer bestimmten Denkart und Bevölkerungsgruppe durch die Herabsetzung, ja Verdammung aller Andersdenkenden und -handelnden noch nie funktioniert. Á la longue. Pardon, Maschine retour: sie hat freilich immer funktioniert. Zumindest für einen bestimmten, historisch betrachtet meist kurzen Zeitraum. Bevor es zur Explosion kam. Es ist das Funktionsprinzip totalitärer Regimes, Religionen und Ideologien. Ihr unausweichlicher Niedergang ist in der Regel mit Gewalt verbunden.

Wohlan: unsere Welt ist im Umbruch begriffen. Gerade auch, was unseren mobilen Alltag betrifft. Gut so. Ich wünsche D. und uns dennoch (und zwar nicht nur metaphorisch, auch strikt real) dass Verbrennungsmotoren nicht durch Waffenräder ersetzt werden.

Aber hallo!

5. Oktober 2016

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (379) Apple-Computer waren einst revolutionär, schick und sauteuer. Heute macht uns das doppelt sentimental.

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„Hello again.“ So wird man gleich beim Eingang einer kleinen, feinen Ausstellung begrüsst, die dieser Tage in Wien stattfindet. Sie trägt den launigen Titel „40/20“ – was einerseits auf den Gründungszeitpunkt des Digital Lifestyle-Giganten Apple anspielt (vor vierzig Jahren in einer Garage in Cupertino, Kalifornien, USA – oder auch nicht), andererseits auf das zwanzigjährige Firmenjubiläum des namhaften hiesigen Apple-Händlers Tools At Work verweist.

Dass „40/20“ in den Räumlichkeiten der sozial engagierten Upcycling-Werkstätte Gabarage in der Schleifmühlgasse in Szene geht, ist – jenseits jeder Sentimentalität ob einer einstmalig revolutionären StartUp-Klitsche – ein feiner Kontrapunkt zur Ankündigung von Apple, demnächst den ersten österreichischen Produktpräsentations-Protzpalast (neudeutsch: Flagship Store) eröffnen zu wollen. In der Kärntner Straße, wo sonst.

Zurück zur Ausstellung. Zu sehen sind zahlreiche Geräte und Designer-Stücke aus vier Jahrzehnten Computergeschichte – nicht ausschliesslich von Apple, sondern auch von NeXT, dem kurzzeitigen Firmen-Intermezzo des Visionärs Steve Jobs. Man steht also staunend vor dem selten gesichteten schwarzen NeXT-Kubus – dessen Softwarearchitektur anno 1989 die Grundlagen für das heutige Mac-Betriebssystem OSX lieferte –, und schon eilt der Ideenspender und Kurator der Ausstellung herbei, um einen Power Mac G4 Cube aus dem Jahr 2000 danebenzustellen. Dann einen MacMini aus dem Jahr 2005. Letztlich kommt ein aktuelles iPhone obendrauf.

Was uns der gute Mann namens Gerhard Walter – man kennt ihn in der Szene unter dem Kürzel „GeWalt“ – damit verdeutlich, ist: die Leistungsstärke der Geräte nahm (und nimmt) in jenem Maß zu, in dem ihr Volumen schrumpft. Was Teenager heute ganz selbstverständlich an Computerpower in ihrer Hosentasche mit sich herumtragen, wäre uns Apple-Jüngern der achtziger und neunziger Jahre noch wie Science Fiction erschienen. Oder, mehr noch: wie durchgeknallte Fantasy.

Noch interessanter als all die liebevoll zusammengetragenen Geräte – ist es wirklich schon so lange her, dass man sie ausgemustert hat? – sind aber jene Artefakte, die man in der Regel rascher und gründlicher entsorgt als massive Hardware: Bedienungsanleitungen, Prospekte, Werbematerialien, Zeitschriften und Firmenunterlagen jener Zeit. Sie künden von erstaunlicher Naivität, unbedingtem Fortschrittsglauben und freilich auch von Mondpreisen, die man für ein paar Megabyte zu zahlen bereit war.

Ich muss mal bei Herrn Walter ernsthaft nachfragen, ob wir alle einst so jung waren. Und das Geld nicht brauchten. Hello again.

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