Archive for Januar, 2017

Wertanlage

28. Januar 2017

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (395) Wenn Sie eine wirklich gutes, kompaktes, modernes Musiksystem kaufen wollen, könnte die Suche ein Ende haben.

lindemann-musicbook

Wer sagt, dass Hören nicht auch Optik, Haptik und die Erotik des Technischen umfasst, lügt. Zumindest kann ich dies reinen Gewissens für den HiFi-Bereich postulieren – dort, wo das Streben nach audiophilem (also: möglichst wirklichkeitsnahem) Hörgenuss fliessend in den leicht esoterischen Berich von High End, Highest End und ultimativem (also: oft jenseits der Aufnahmerealität angesiedeltem) Wohlklang übergeht. Das Auge hört mit.

Den meisten Menschen, die Musik und ihre technische Reproduktion im Alltag mögen, ist derlei ja weitgehend egal. Leider. Sofern es halbwegs probat klingt, nicht zu arg nach Plastikschrott aussieht und das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt, tut’s jede durchschnittliche Stereoanlage. Für den Rest vom Fest – den mit gehobenen Ansprüchen – hätte ich hier und heute einen Fingerzeig: ein kompaktes, wirklich durchdachtes, superb aufspielendes Gerät zu einem noch bezahlbaren Preis. Es kommt aus Deutschland. Und hört auf den Namen Lindemann, Modell music:book 25.

Aufgefallen ist mir das Kästchen – denn um ein solches handelt es sich vom Format her, gewandet in elegantes Aluminium – schon vor Jahren. Mittlerweile wurde es vom in der Nähe von München angesiedelten Hersteller in vielfacher Weise weiterentwickelt. Ich will Sie nicht mit Details langweilen (allein die Erörterung der Frage, warum Lindemann so sehr auf das Digitalformat DSD setzt, würde Bände füllen) – aber es gibt kaum etwas, vom Apple-Streamingprotokoll AirPlay abgesehen, das dieses Musikbuch nicht kann. Files und Streams entgegennehmen, CDs abspielen, Internet-Radio ertönen lassen, Schallquellen wohlig rund und doch detailreich, akkurat und transparent verstärken. „This system is part of the quiet revolution that is taking place in audio today“, schreibt der britische Journalist Alan Sircom – zurecht.

Weil ich eingangs vom Faktor der äusseren Anmutung schwadronierte: Lindemann setzt auf Understatement. In Kombination mit wirklich cleveren und, ja, schön gemachten Detaillösungen (allein der Drehregler für die Lautstärkeregelung oder das bernsteinfarbene OLED-Display verdienen Höchstnoten). Dass hier Profi-Technik so augenfällig mit Wohnzimmertauglichkeit Hand in Hand geht, gibt es ganz selten am Markt – mir fiele gerade noch die Naim-Kompaktanlage Mu-so ein. Die kostet deutlich weniger, ist meinem Geschmack nach aber auch verschmockter.

Und eigentlich auch nicht direkt vergleichbar. An das Lindemann music:book 25 müssen Sie noch einen Verstärker (empfohlen: der ebenfalls getestete, optisch passende Digital-Durchlauferhitzer music:book 55) und zwei Lautsprecher anhängen. Oder, vielleicht günstiger und keineswegs schlechter, Aktivboxen. Möglicherweise sogar kabellose. Dann aber hat’s rasch ein Ende mit der Suche nach dem besten HiFi-Equipment für den Rest des Lebens.

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Last Exit Landesgericht

20. Januar 2017

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (394) So kann, darf und wird es nicht weitergehen mit Facebook. Eine gute Nachricht – oder doch eher nicht?

fb-nachrichten

Nicht schon wieder Facebook, werden Sie sagen. Nicht schon wieder der Zeigefinger. Darauf, dass dieses vordergründig harmlose kommerzielle Unterhaltungsangebot – das die Plattform ja sein will und weithin auch ist – mehr und mehr Fragwürdigkeiten, Probleme und Sorgen generiert. Kritik wie ein Magnet anzieht. Und somit immer stärker in die Bredouille gerät. Wäre ich Börsenmakler, würde ich dazu raten, die Aktie dieses Metamedienunternehmens abzustossen. Dringend.

Warum? Weil „Fratzenbuch“, wie es im Volksmund gerne genannt wird, zunehmend in den Schwitzkasten genommen wird. Von der Politik. Von der Justiz. Und von den eigenen Nutzern. Wenn es stimmt, was der grüne Parlamentsabgeordnete Karl Öllinger berichtet, haben Marc Zuckerberg & Company demnächst ein Riesenproblem. Öllinger wurde vom Landesgericht Wien nach dem Mediengesetz Paragraph 6ff („Üble Nachrede“) zu einer Geldstrafe von fünfhundert Euro verurteilt. Weil er beleidigende Postings nicht sofort gelöscht hatte. Wohlgemerkt: nicht seine eigenen. Sondern Kommentare anderer. Wiewohl es der Polit-Profi nicht an Aufmerksamkeit mangeln lässt – wenn auch nicht rund um die Uhr. Verständlicherweise.

„Wenn das Urteil in der Berufung bestätigt wird“, schreibt Öllinger, „dann hört sich für mich Facebook weitgehend auf.“ Wohl nicht nur für ihn. Wenn man dafür haftbar gemacht werden kann, was andere Leute in diversen Threads, die man initiiert hat, an Dreck absondern, ist das Beleidigten-Business absehbar. Und das Ende der Social Media-Welt, wie wir sie kennen. Die Anwälte reiben sich schon die Hände.

Facebook selbst, vordergründig unbeteiligt, kann – wie in der Frage der sogenannten Fake News – nur symbolisch gegensteuern: durch So-tun-als-ob. Aber man bekommt wohl auch durch rasch angeheuerte Agenturen, die das ungezügelt wabernde Kommmunikations-Wirrwarr nach Lügen, Fälschungen und Absurditäten durchforsten, die Sache nicht grundsätzlich in den Griff.

Die – ernsthaft geplante! – Kennzeichnung von „Falschem“ endet spätestens bei Meinungen, Vermutungen, bewusst Unsinnigem, schlechten Witzen und guten Parodien. Und, ja, Realität und Satire sind in Zeiten wie diesen nicht mehr zweifelsfrei unterscheidbar. Auch für Professionisten nicht.

Man möge doch den „gesunden Menschenverstand“ forcieren, um Fake News zu identifizieren, höre ich allseits Kommentatoren raunen. Bildung! Bildung! Bildung! Aber wenn man heutigen Schülern nicht mal mehr probat Schreiben, Lesen und Rechnen beibringen kann, wird’s leider auch mit der viel komplexeren Medienkompetenz nicht klappen. Von grundsätzlicher Höflichkeit ganz abgesehen. Strafen als letztes (und höchst fragwürdiges) Allheilmittel werden jedenfalls eines bewirken: die rasche Flucht aus Facebook – in weniger riskante Alltagsablenkungen.

Des Kaisers neue Konzerthalle

14. Januar 2017

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (393) Habe ich der Chefredaktion schon vorgeschlagen, diese Kolumne täglich zu bringen? Es gäbe gute Gründe dafür. Und weniger gute.

saal

Der „Maschinenraum“, also diese Kolumne, existiert nicht nur auf Papier. Die Redaktion stellt ihn auch ins Netz, der Autor ebenfalls. Die mit dem gewitzten Redaktionssystem WordPress erstellte persönliche Textesammlung kann – dank weiterführender Verlinkung und gelegentlicher nachträglicher Aktualisierung – deutlich mehr. Es wundert mich immer ein wenig, dass dies seitens der Chefredaktion offenbar als privates Hobby betrachtet wird, aber es soll mir und uns recht sein.

Auf Facebook habe ich, weil mir ja manchmal fad ist, noch einen (in jedem Sinn des Wortes) weiteren Maschinenraum installiert. Als regelmässig genutzte, öffentlich zugängliche Themen-Fundgrube, getarnt freilich als „pragmatischer Partykeller“, weil man für mehr als 5000 Facebook-Freunde kein privates Profil mehr verwenden darf. Zwar nutze ich die umstrittene Kommunikations-Plattform fast nur für propagandistische Zwecke. Manische Selbstinszenierung, Star-Rummel und Followerzahlen-Fetischismus erscheinen mir dann doch eher unsympathisch.

Arbeit ist es aber in jedem Fall (die einen nicht gerade selten von „wirklicher“ Arbeit abhält). Insofern muss ich die oft gehörte Unterstellung, ich wäre doch „ständig auf Facebook“ präsent, also quasi hyperaktiv, zurückweisen. Zwischen zwei Uhr morgens und dem folgenden Vormittag geb’ ich Ruh’. Zumeist.

Die „Maschinenraum“-Gruppe, zu der ich Sie herzlich einlade!, fungiert auch als Notizbuch. Seit Anfang des Jahres hab’ ich bereits mehr – zumindest meinem Geschmack nach: höchst interessante – News, Technik-Topics und philosophische Aufsätze zusammengetragen, als ich bis in den tiefsten Sommer hinein aufgreifen kann. Leider.

Zu allem Unglück (oder ist es Glück?) veralten manche Themen rasant. Die Meldung, dass der iPhone-Fabrikant Foxconn fast alle seiner Arbeiter durch Roboter ersetzen will, kratzt kaum jemanden mehr. Fatalerweise. Die Frage, warum heutige Autos so hässlich sind, ist schon wenige Tage nach der Detroit Motorshow eine Nebensächlichkeit. Die Aussicht, dass es bald Laptops mit drei Displays zum Ausklappen – für fortgeschrittene Gamer – geben könnte, entlockt im rasanten Stakkato des Fortschritts und unerbittlichen Sog des Markts erst recht keine „Ah“- und „Oh“-Rufe! Lassen Sie mich wissen, wenn Sie trotzdem meinen Senf dazu kosten möchten.

Um eine aktuelle Beobachtung komme ich – erst recht nach meinem Ausritt in die Gefilde der Hochkultur letztens – sowieso nicht herum: die bei der Eröffnung vielbestaunte Elbphilharmonie in Hamburg – quasi der modernste, kühnste, vorgeblich bestklingende Konzertsaal Europas, wenn nicht der ganzen Welt – hat, sagen Experten, eine gewöhnungsbedürftige Akustik. Um es einmal vorsichtig zu formulieren. Das wäre ja der Treppenwitz schlechthin: 789 Millionen Baukosten, modernste Audiotechnik und ein Satz heisser Ohren.

Es muss einem nicht zwingend als Mieselsucht ausgelegt werden oder als notorische Abneigung gegen elitäre Gigantomanie: das Thema wird uns erhalten bleiben.

Da capo al fine

1. Januar 2017

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (392) Der Anlauf, der Oper eine Zukunft zu geben, möge doch bitte ohne pseudoprogressives Wortgeklingel auskommen.

Zuschauerraum der  Wiener Hofoper

Oper geht mir – und ich stehe wohl eher nicht unter dem Generalverdacht der Musik- und Kulturferne – am Allerwertesten vorbei.

Nun: eine Aussage wie diese wird in der „Presse“, einem der österreichischen Zentralorgane des Bildungsbürgertums, nicht ohne Widerspruch bleiben. Aber ich sage Ihnen gerne, warum ich mit dem Genre (und, damit einhergehend, fast mit dem gesamten Fundus klassischer Musik) wenig bis nichts anzufangen weiß: das Verhältnis von Aufwand und Wirkung ist von bestürzend negativer Dramatik.

Freilich ist ein mächtiger Klangkörper wie jener der Wiener Philharmoniker per se beeindruckend – und ich achte auch jeden echten Kenner und Liebhaber retrospektiver Kulturentwürfe. Im 21. Jahrhundert ist jedoch der mit Millionen an Subventionsgeldern festgemauerte heilige Gral der Hochkultur weithin zum gesellschaftlichen Distinktions-Schaulaufen, pompösen Touristenspektakel und leicht miefig riechenden Ritual verkommen. Mit dem Hier und Heute hat es kaum etwas zu tun. Insofern kann mir, pardon!, auch das Neujahrskonzert gestohlen bleiben.

Was haben solch apodiktische Geschmacksurteile aber in einer Technikkolumne verloren? Sie haben mit jener kulturpolitischen Entscheidung zu tun, die knapp vor Weihnachten für Aufhorchen und Schlagzeilen sorgte: die Neubesetzung der Direktion der Wiener Staatsoper ab September 2020. Eine „Oper 4.0“ wurde in diesem Kontext in Aussicht gestellt – oho! Ob der kecken Ansage, getätigt vom Kulturminister, müssten ja – sofern es sich nicht um reines Wortgeklingel handelt – gleich zwei Evolutionsstufen übersprungen werden. Und das in einem Umfeld, das sich gemeinhin halsstarriger und strukturkonservativer kaum denken lässt.

Selbstverständlich wurde bei der Vorstellung des Operndirektors 4.0 auch alles an Schlagwörtern beschworen, was Fortschrittlichkeit, Aufbruchsstimmung und eine neue Radikalität des Denkens suggeriert – von der „größten Materialschlacht der Welt“ (in Konkurrenz mit der TV-Serie „Breaking Bad“?) bis zur zwingenden Vernetzung mit digitalen Plattformen. Was fehlte: Virtual Reality! Ernsthaft.

Aber gibt es derlei – teils groteske – Modernisierungsversuche und Marketingaktionismen nicht schon längst?  Hat man all die lachhaften Libretti und verzopften Stoffe nicht hundertmal mit routiniert inszeniertem Furor umgekrempelt? Und darf Oper nicht einfach das bleiben, was sie ist: ein erneuerungsresistentes, hermeneutisches Mausoleum des zeitlos „Wahren, Guten, Schönen“? Der Eckpfeiler eines weltumspannenden Business-Perpetuum Mobiles? Ein Mythos, der sich selbst genügt?

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: wenn ich höre, dass der Job eines Chefs der wichtigsten Bühne dieses Landes darin besteht, „einer Maschine Kunst abzupressen“, dann unterschreibe ich das als Technik-Kolumnist glatt. Aber der hehre, annähernd pathetische Anspruch ist doch von Zweifel durchsetzt, ob es sich wirklich um eine Maschine handelt. Und Kunst nicht nur ein Vorwand ist. Wenn es Bogdan Roščić – in seiner zukünftigen Paraderolle als Erbe Gustav Mahlers – gelingt, mich nochmals in diesem Leben in das Haus am Ring zu locken und Anna Netrebko & Co. tatsächlich relevant für mein Dasein erscheinen zu lassen, hat er gewonnen.

Glückauf! Leicht wird das nicht.

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