Archive for Februar, 2017

Hörtest

25. Februar 2017

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (398) MQA heisst der neue Fetisch für HiFi-Freunde. Aber bringt er wirkliche Klangverbesserung?

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Wer schlagartig schlechter hört, weiß um den Wert eines intakten Gehörorgans. Jedenfalls hängt im weiten Reich der Musikreproduktion so unendlich viel nicht von teuren HiFi-Geräten, armdicken Kabeln und technischem Schnickschnack ab, sondern von der Raumakustik. Und, mehr noch, von der höchstpersönlichen Befindlichkeit.

Schon ein Schnupfen kann einem die beste Aufnahme vermiesen. Ein freundlicher Hals-Nasen-Ohren-Arzt sagte mir neulich, ich möge mich vergleichsweise glücklich schätzen, weil ich immer noch besser dran sei als die meisten aktiv musizierenden Mitmenschen („Darunter viele Philharmoniker!“). Gegen den Gebrauch von Kopfhörern – ich teste gerade intensiv Sonys MDR-1000X – hatte er nichts einzuwenden. Das gibt Hoffnung.

Aber werde ich je wieder zu den Menschen zählen, die treffsicher den Unterschied zwischen einem banalen MP3-File und hochauflösenden, tunlichst verlustfreien HiRes-Formaten zu würdigen wissen? Da schwirrt zum Beispiel seit einiger Zeit die Kunde von einem neuen Wunder-Audiocodec durch einschlägige Foren und Fachzeitschriften: MQA.

Die Abkürzung steht für „Master Quality Authenticated“ und soll somit eine Art Garantiesiegel für eine höchstmögliche Annäherung an die Originalaufnahme abgeben. Hardware-Manufakturen wie Meridian, Pioneer oder Onkyo forcieren seine Verbreitung, aber auch Plattenfirmen – warum sagt man, nebstbei, immer noch Plattenfirmen? – wie Warner Music oder Universal. Seit Jänner hat auch der Streaming-Dienst Tidal MQA im Angebot.

Was kann das neue, abwärtskompatible Format besser als alle bisher existenten (darunter bekannt gute wie FLAC oder DSD)? Tontechniker und HiFi-Experten sagen: es bettet die Atmosphäre der Aufnahme akkurater ein. Und transportiert mehr an Information, Feinzeichnung und Klangqualität. Der Herausgeber des renommierten Magazins „Absolute Sound“, Robert Harley, klassifiziert MQA als „die signifikanteste Audio-Technologie meines Lebens.“ Klingt zugegebenermaßen verlockend.

Die notwendigen Datenmengen sind dennoch überschaubar – ideal also für eine neue Streaming-Dimension. Jedoch: es bedarf (zumindest im Idealfall) spezieller, zertifizierter Hardware. Und das ärgert wiederum die Konkurrenz. Der britische High End-Vorreiter Linn etwa warnt: „MQA is bad for music“. Und führt zuvorderst das Argument ins Feld, dass Meridian & Co. über Lizenzzahlungen die gesamte Verwertungskette vergolden wollen. Zwangsweise.

Wie immer auch: weite Kreise hat das neue Format noch nicht erreicht. Aber in Audiophilen-Zirkeln tobt die Schlacht pro und contra. Ich werd’ mir wohl demnächst probeweise das eine oder andere MQA-File reinziehen. Aber vorher gilt es, den Hörnerv und die Haarzellen im Innenohr auf eine neue, sensiblere, eventuell leisere Ära einzustimmen.

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Selbstzünder und Spätzünder

12. Februar 2017

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (397) Der neue Opel Zafira zeigt EU-Politikern und ihrer frisch entdeckten Diesel-Aversion elegant den Zeigefinger.

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Ich war jetzt einige Tage mit einem neuen Opel Zafira als Testfahrzeug unterwegs. Das ist ein Modell, das mir sehr liegt – eine, anders als so viele SUVs, wirklich geräumige und dabei immer noch kompakte Familienkutsche. Die sich, aus guten Gründen, geschmeidig verkauft. Und so Opel einmal fast vor der Pleite bewahrt hat. Nebstbei: ich nutze auch privat einen Zafira, freilich die erste Serie, Baujahr 2000. Und war insofern gespannt auf einen Vergleich der Generationen.

Um es vorwegzunehmen: das Ding fuhr sich anders als mein alter Opel. Nicht nur, dass mit jeder Nachfolgegeneration mehr und mehr Luxus draufgeschlagen wird (das adaptive LED-Licht ist eine wirkliche Verbesserung, auf die nervenden Zeigefinger und Warntöne der alles überwuchernden „Fahrerassistenz“-Elektronik würde ich liebend gern verzichten) – es lag auch am Dieselmotor des Testmodells. Der Schub von unten heraus, also aus niedrigen Drehzahlen, ist ja ein Vorzug des aufwändigeren Motorprinzips. Nominell ist mein zerschrammter Benziner mit Automatik etwa gleich stark, der getestete 2.0 CDTI Ecotec mit Schaltgetriebe spart – bei mehr Agilität – aber doch deutlich beim Verbrauch. Sowohl was das Volumen betrifft als auch die Kosten pro Liter. Fast die Hälfte nämlich. Gut, alles andere wäre beim rasanten Fortschritt der Technik fast schon verwunderlich.

Und doch knicken die Zulassungszahlen für Dieselmodelle ein. Verunsicherung allerorten! Und die hat nicht nur mit dem systematischen Abgaswerte-Schwindel des ehemaligen Diesel-Vorreiters Volkswagen zu tun. Sondern auch mit der Unberechenbarkeit der Politik im Bermuda-Dreieck BrüsselBerlin-Wien. Man schwankt. Und schwenkt – eventuell radikal. Es ist schon kurios: wenn man nach nachforscht, was denn eigentlich der Grund für die steuerliche Bevorzugung von Diesel-Kraftstoff gegenüber Benzin ist, findet man kaum Stichhaltiges.

Ursprünglich ging es darum, Traktoren und Landmaschinen mit billigem Sprit zu versorgen und den gewerblichen LKW-Verkehr „vor dem internationalen Kostenwettbewerb zu schützen“. Zu einem Zeitpunkt, als der Selbstzünder mit seinem prinzipiellen Vorteil des besseren Wirkungsgrades im Personenverkehr kaum noch eine Rolle spielte. Ab Mitte der achtziger Jahre änderte sich das drastisch – heute sind mehr als die Hälfte aller Autos, die auf unseren Strassen unterwegs sind, Dieselschlucker. Hier wurde eine Industrie und eine Bevölkerungsgruppe jahrzehntelang massiv subventioniert. Die Kritik daran wächst. Zurecht. Und es ist nicht nur eine Frage der Umwelt, sondern eine des Prinzips.

„Der neue Zafira liefert genau das, was man von moderner deutscher Ingenieurskunst erwartet“, lese ich im Prospekt. Ehrlich gesagt: ich erwarte mir da mehr. Und doch ist es, abseits aller Diesel-Bedenken, zutreffend: weil dieses Modell (wie alle anderen Opel-Fahrzeuge neuester Generation) auch ein wirklich innovatives, elegant verstecktes Fahrradträgersystem („FlexFix“) an Bord hat. Chapeau!

Learning the hard way

4. Februar 2017

MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (396) Die “Schule 4.0” steht im Arbeitsprogramm der Regierung. Die Laptop-Verkäufer freuen sich schon.

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Man hat einen Plan gefasst. Endlich. Unter dem betont sachlichen Titel „Für Österreich. Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2017/2018“ finden sich, begleitet von wohlgesetzten Einleitungsworten und staatstragenden Unterschriften, allerlei Punkte, Vorhaben und Zielvorgaben zu unser aller Zukunft im Netz.

Die Absender heissen Kern, Mitterlehner & Co. – und endlich hat man das Gefühl, dass unsere Regierungsspitze den Reformstau der letzten Jahre zumindest als solchen erkannt hat. Und eine gewisse Chance des Machterhalts für die etablierten Strukturen in Management-Aktionismus wittert. Dass viele dieser Themen schon im Arbeitsprogramm 2013 standen, ohne konkrete Folgen – darüber sei hier gnädig hinweggesehen.

Oder doch nicht? Denn: durch das demonstrative Einsetzen von Arbeitsgruppen allein wird’s nicht klappen mit der Zukunft. Die lautstarke Ansage, „weltweiter Vorreiter in der neuen 5G-Technologie“ werden zu wollen, muss etwa mit entsprechenden Finanzmitteln und Investitions-Vorteilen unterfüttert werden – bislang hat Großväterchen Staat die Telekommunikationsanbieter ja vor allem als Melkkuh bei Frequenzauktionen und als Sponsoren der Politik gebraucht. Generell gilt es, darüber nachzudenken, wie weit ein gesellschaftlicher Rahmengeber überhaupt in das freie Spiel kommerzieller, untereinander heftig konkurrierender Anbieter eingreifen muß. Mag. Und ernsthaft kann.

Wirklich wunderlich wird es aber, wenn Selbstverständlichkeiten zu Zaubermitteln umgedeutet werden. Unter dem – per se schon arg bemühten – Schlagwort „Schule 4.0“ werden etwa allen Schüler/inne/n der Republik Österreich, real verwaltet von den Länder-Bürokratien, Gratis-Breitband-WLAN und „adäquate digitale Endgeräte“ (Tablets, Laptops etc.) versprochen. Heissa! Gilt ab 2020/21, der fünften oder auch erst neunten Schulstufe, dafür aber auch gleich für die Lehrer. Schon in den Volksschulen soll so – die Widersprüchlichkeiten der Planspiele vermag ich hier nicht aufzulösen – eine „Digitale Grundbildung“ inklusive „Medienbildung“ vermittelt werden.

Sorry to say: wer heute Kinder oder Jugendliche unterrichtet und keinen Mobil- oder Heimcomputer besitzt und nutzt (zur Not tut’s auch ein Smartphone), hat sich längst selbst disqualifiziert. Weil derlei ja seit Jahr und Tag kein teurer, exaltierter Ausweis einer progressiven Technik-Verliebtheit ist, sondern ein auch privat leistbares, essentielles Werkzeug zur Bewältigung des Alltags. Rund um den Globus. Und selbstverständliche Lebensrealität jedes Sechs- bis Achtzehnjährigen, mit allen Vor- und Nachteilen.

Man meint also ernsthaft, die Hardware-Ausrüstung wäre das Kernproblem? Vielleicht in einer strikt analog orientierten Waldorf-Schule in einem Provinznest. Selbst dort würde man aber als Inspirationsquelle Antoine de Saint-Exupéry googlen: „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ Konstruktive Geister, denen das zu sehr nach Hippietum und Herzensbildung klingt, dürfen – Eigenverantwortung, Baby! – John F. Kennedy zitieren: Frag‘ nicht was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!

Ich fürchte, da können die Schüler –  auch in ärmeren Schichten meist hochgerüstet mit High Tech-Spielzeug –  den Lehrern etwas beibringen. Und nicht umgekehrt. Bei derartiger programmatischer Hinterherstolperei – ist das wirklich alles, was man, von den Politik-Think Tanks bis zur Lehrergewerkschaft, von den Elternvereinen bis zur Wirtschaftskammer, am Kasten hat? – zündet dann auch ein frisch eingerichtetes „Future Learning Lab“ („Eine Initiative der Julius Raab Stiftung“) nicht mehr den dringend notwendigen gedanklichen Nachbrenner.

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