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Ich bin ein Gedankenverbrecher

9. Dezember 2013

Wollen wir die totale Überwachung? Die Frage ist eine aufreizend ohnmächtige: wir haben sie ja schon – die annähernd lückenlose, realpolitisch sanktionierte und ungeniert praktizierte Überwachung unseres Planeten. Und unser aller Leben. Nicht die Geheimdienste sind dafür verantwortlich, nicht das Militär, der Kreml, die Chinesen oder der US-Präsident – wir sind es selbst. Täter, Opfer, Beobachter und Beobachtete zugleich.

DATUM

Ich schreibe diesen Text aus der Sicht eines ehemals Arglosen. Bald ist Weihnachten, man heisst die vorgeblich stillste Zeit des Jahres willkommen oder auch nur ein paar arbeitsfreie Tage. Und doch herrscht – kaum offen artikuliert, aber weithin spürbar – eine seltsame Aufgeregtheit, eine unterschwellige Aggression, eine dumpfe Unzufriedenheit und Furcht vor dem, was kommen mag.

In Österreich hat man gerade eine Wahl hinter sich gebracht. Sie bestätigte jene politischen Kräfte im Amt, die man zwar weithin als Teil des Problems und nicht der Lösung identifiziert hat, aber für deren Erneuerung oder gar Ablösung der gesellschaftliche Wille fehlt. Konservativismus rules OK. Immerhin gelten der Rechtspopulist Strache und seine Recken weiten Kreisen der Bevölkerung nicht als Heilsbringer. Noch nicht (aber das ist vielleicht zu pessimistisch gedacht und im Gesamtkontext vergleichsweise bedeutungslos). Dass die Chefetage mit zunehmenden Struktur- und Finanzproblemen zu kämpfen hat und draus resultierenden Erklärungsnöten, wird als lässliche Routine gesehen, jedenfalls als bewältigbare Aufgabenstellung.

Was werden spätere Generationen über diese Zeit denken, wissen, schreiben? „Sie fühlt sich an wie ein zunehmend surrealistisches Spektakel, eine Einführung auf kommende Ungeheuerlichkeiten“, habe ich öffentlich notiert, eine „Versuchsstation des Weltuntergangs“. Karl Kraus zu zitieren ist wohl doppelt bedenklich: er war unter jenen, die den Ersten Weltkrieg erahnten, aber lange schwieg – bevor er zu einer intellektuellen Abrechnung in Form des Theaterstücks „Die letzten Tage der Menschheit“ ansetzte. Nun: wir schreiben nicht 1913, sondern das Jahr 2013. Bislang hat die Menschheit überlebt.

Wenn Sie meinen, derlei Pathos sei intellektueller Ironie oder gar Zynismus geschuldet und die Lage vielleicht ernst, aber nicht hoffnungslos, verlassen wir das enge, aber irgendwie doch wärmende Menschennest Österreich (in dem seit jeher die Regel gilt, die Lage sei zwar hoffnungslos, doch gewiss nicht ernst). Öffnen Sie das Fenster zur Welt: diese Gesellschaft befindet sich im Krieg.

Es ist, wiewohl seitens der Vereinigten Staaten von Amerika der „Krieg gegen den Terror“ zur herrschenden Doktrin erklärt wurde, kein angekündigter, öffentlicher, offener Krieg. Man kennt auch den Gegner nur vage. Wir erinnern uns: nach dem Fanal der Ereignisse des 11. September 2001 wurden umgehend Osama Bin Laden und sein Netzwerk al-Quaida zu Symbolen einer antagonistischen, dunklen Machtsphäre (v)erklärt. Aber der saudiarabische Terrorpate mit den sanften Gesichtszügen ist längst tot. Von einer US-Spezialeinheit exekutiert. Und al-Quaida weitgehend nur mehr ein Mythos. Mission accomplished. Man könnte meinen, es könne wieder Entspannung und Alltag einziehen auf diesem Planeten. Das Gegenteil ist der Fall.

Es herrscht weiterhin Krieg. Wer ist der nächste Bin Laden? Oder auch nur ein vereinzelter Irrer, der meint, einen Druckkochtopf mit Sprengstoff und Nägeln und Flüchen füllen zu müssen? Jede Regung, Äusserung und Spur humanen Lebens steht unter dieser Prämisse unter strikter Beobachtung. Kommunikation ist Big Data-Terrain. Der Grosse Bruder längst Realität. Die Enthüllungen des „Whistleblowers“ – was für ein schnödes Etikett für eine unendlich mutige Tat – Edward Snowden zeigen nur auf, was man längst ahnte: wir bespitzeln uns gegenseitig. Rund um die Uhr. Allseits. Allerorten. Stehen unter Generalverdacht. Stellen uns selbst unter Generalverdacht. Es gibt keine Feinde mehr, weil es auch keine Freunde mehr gibt.

Jede Grundsatzerklärung, jedes Gesetz, selbst die Deklaration der Menschenrechte ist ein Relikt aus fernen, besseren, eventuell aber auch nur naiveren Zeiten. Zeiten, in denen man nicht wissen konnte oder musste, was sich hinter harmlos funkelnden Namen wie „Prism“, „Echelon“, „Tempora“, „Indect“ oder Kürzeln wie „NSA“ oder „GCHQ“ verbirgt. Die Menschheit befindet sich im Krieg mit sich selbst. Und jede Partei hat ihre Spähtruppe.

Nur tu felix Austria nicht. Oder doch? Jedenfalls war bei einigen Damen und Herren – zuvorderst aus der Politik – die Überraschung groß, als herauskam, dass die Sachlage so ist, wie sie ist. Die Innenministerin unseres kleinen Landes fühlte sich bemüssigt, demonstrativ empört zu sein. Der Bundeskanzler eilte in die EU-Zentrale. Der Verteidigungsminister – zuständig nicht zuletzt für den hiesigen Geheimdienst – schwieg. Und schweigt bis heute. Und ein paar Pappenheimer, darunter ich, spazierten frischfröhlich zu einer Villa in Wien-Pötzleinsdorf, die augenscheinlich als dezent getarnte Datenkrake und Abhörstation der US-Behörden dient. Mitten in einer gut situierten Stadtrandgegend. Bewacht von der Wiener Polizei. Eine Operettenkulisse: in Berlin spioniert man das deutsche Parlament und die Bundeskanzlerin bequemerweise von der amerikanischen Botschaft aus, die nur ein paar hundert Meter vom Reichstag entfernt liegt. Aber auch hier scheint die Empörung für jene, gegen die sie sich richtet, bewältigbar.

Neben der globalen Überwachung des Telefonverkehrs, des Internets und jeder Form elektronischer Kommunikation, dem Anzapfen von Kupferkabeln und Glasfaserleitungen und der kaum verhohlenen “Kooperation” mit IT-Konzernen wie Google, Apple, Microsoft oder Facebook, der Kollektivsammlung von Verkehrsdaten, Computerkassen und GPS-Standortbestimmungen findet selbst eine Protokollierung des altertümlichen Briefverkehrs statt. Zumindest im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten. Absender und Empfänger werden vom U.S. Postal Service gescannt – rund 160 Milliarden Briefe, Pakete und Postkarten pro Jahr. Immerhin: in die Poststücke reinzuschauen traut man sich angeblich nur auf richterliche Anordnung. Angeblich.

Die solchermassen gesammelten Beobachtungen machen nur einen Bruchteil der Datenmengen aus. Daten, die, von Experten analysiert und bewertet, vielfältig nutzbar sind. Um – Stichwort „Vorratsdatenspeicherung“ – seine Schäfchen denkbarpräzise einschätzen zu können, in ihrem Konsumverhalten genauso wie in Hinsicht auf individuelle Anomalien und Verhaltensauffälligkeiten.

Ich teile nicht die Enttäuschung über dieses unendlich absurde, aus Sicht der Big Data-Handelsagenten aber nur konsequente Szenario, denn sie beruht weitgehend auf Ahnungslosigkeit. Was ich aber teile, ist die Wut. Denn was in den letzten Jahren passierte – und uns von ahnungslosen, verlogenen, machtlosen, erpressten (weil nunmehr grundsätzlich erpressbaren) oder gekauften Politikern verschwiegen wurde und wird –, ist, was der Experte Bruce Schneier in einem Kommentar für den „Guardian“ in klare Worte fasste: „Regierung und Industrie haben das Internet verraten und uns auch.“

Die paternalistische Tschopperl-Beruhigungsgeste, in der sich seit der aktuellen Enthüllungswelle von Barack Obama abwärts alle Verantwortlichen üben, lautet: dies alles passiere ja nur zu unserem eigenen Schutz. Und wer nichts zu verbergen habe, habe gewiss auch nichts zu befürchten. Tatsache ist: seit 2005 sind durch Terrorismus pro Jahr im Schnitt 23 Amerikaner ums Leben gekommen, die meisten im Ausland. “Mehr Leute sterben durch herabfallende Fernseher”, so die “New York Times”, “und 15mal so viele sterben, weil sie von der Leiter stürzen.” Seit 2001 haben die USA 8.000.000.000.000 Dollar für „Heimatschutz“ und Bürgerbespitzelung ausgegeben. Der militärisch-industrielle Komplex? In der Tat. It’s business, stupid!

Das Geschäft mit der Angst funktioniert simpel. Passiert nichts, hat man „es verhindert” – und plädiert dafür, noch mehr in Überwachung zu investieren. Passiert etwas, hat man “es gewußt” – und plädiert dafür, noch mehr in Überwachung zu investieren. Für jene, die das Paranoia-Business betreiben, eine Gelddruckmaschine. Unter vorsätzlicher Umgehung aller ethischen und gesetzlichen Spielregeln. Terrorprävention ist das Geschäftsmodell der Stunde. Die Handelsware ist Angst. Man – wer? – kassiert Millionen, Milliarden, Billionen aus Steuergeldern (also: von uns allen), die anderswo fehlen (uns allen nämlich), um vage Eventualitäten mit horrenden Absurditäten zu bekämpfen. Paranoia rules OK.

Was aber, wenn diese Erkenntnis und die daraus resultierende Bestürzung Über- und Gegendruck zeitigt? Er muss sich nicht in Internet-Bastelanleitungen für Druckkochtöpfe manifestieren. Seltsamerweise wirkt aber unsere Politik, unsere Zivilgesellschaft, unser Gemeinwesen weithin uninteressiert, träge, geradezu sediert. Operierten Geheimdienst nicht immer geheim? Was soll man da schon dagegen tun? Es herrscht Krieg, aber was geht er uns an?

Nicht nur ausgewiesene Verschwörungstheoretiker greifen zur These, dass die wenigen Ausnahmeexemplare inmitten der allgemeinen gesellschaftlichen Apathie – die notorischen Bedenkenträger, die Systemkritiker, die Snowden-Gefolgsleute – längst „getagged“ sind. Punziert. Im Visier der Datensammler und Geheimdienstfertigen. Ja: wir sind erpressbar. Quasi auf Knopfdruck. Eventuell durch Umstände, von denen wir selbst noch gar nichts ahnen. Oder gar wissen. Begehen wir nicht alle in unserer unendlichen Harmlosigkeit und Naivität – man hole wieder einmal die abgegriffene „1984“-George Orwell-Ausgabe aus dem Regal – „Gedankenverbrechen“? Täglich, stündlich, minütlich?

Die absichtsvolle Fragestellung und Verknüpfung all dieser Worte, Beobachtungen und Gedanken ist, so sich „Datum“ zum Abdruck entschliesst oder dieser Blog die Zeit überdauert, auf ewig festgehalten im kollektiven Speicher. Wo man früher Artikel mit der Schere ausschnitt und, mit Randnotizen bekritzelt und in Dossiers eingeklebt, im Aktenschrank oder Kellerarchiv bunkerte, reicht heute die elektronische Indizierung. Tagged: Walter Gröbchen, anno 2013 Staatsbürger der demokratischen Republik Österreich, ist ein Gedankenverbrecher. Er meint, es zähle nun einmal zu den ehernen Gesetzen der Menschheit, dass Bespitzelung Aversionen weckt. Generalverdacht Hass. Druck Gegendruck. „Was man vorgeblich zu verhindern versucht, generiert man so erst recht. Systematisch. Todsicher.“

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich schrieb diese Worte aus der Sicht eines ehemals Arglosen.

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Her mit der Quote!

19. Mai 2008

Eine parlamentarische Enquete diskutiert im Juni die Lage der Musiknation Österreich. Dazu ein konkreter Fingerzeig.

Österreich ist eine Musiknation. Zumindest in den Sonntagsreden der Politiker. In Wahrheit ist Österreich ein potemkinsches Dorf. Der Staat pflegt mit Milliarden-Aufwand seine Hochkultur-Mausoleen und gibt einen Pfifferling, oder, wenn’s hochkommt, zwei auf zeitgenössisches Musikschaffen. Das real schrumpfende Kulturbudget ist auf ewig verplant, akute Probleme – von den Musikschulen für den Nachwuchs bis zur Copyright-Frage im digitalen Zeitalter – werden in wortreichen, aber absehbar handlungsarmen Parlaments-Enqueten entlüftet. Oder gleich elegant entsorgt.

Aber lassen wir diese eventuell zu pessimistische, vorauseilend nüchterne Einschätzung der Grosswetterlage. Und üben uns in Detailschärfungen. Werfen wir einen Blick auf die grösste Medienorgel des Landes, den ORF. 86 Prozent des Musikprogramms (Durchschnitt aller ORF-Sender 2006, Quelle: AKM) ist vorwiegend angloamerikanisch geprägt. Für heimische Klänge, egal ob Klassik, Pop oder Volkstümliches, deutsch-, englisch- oder sonstwie-sprachig, bleiben 14 Prozent. Auf Ö3 sind es gar nur 5 Prozent. Damit liegt die “Musiknation” so ziemlich am Schluss der europäischen Vergleichsstatistik. Für den Export heimischer Musikprodukte abseits der Wiener Sängerknaben ist ein derartiges Aufmerksamkeitsdefizit im eigenen Lande eine katastrophale Startbasis. Das fehlende Glied „Airplay“ in der Wertschöpfungskette lässt Investitionen auf breiter Basis kaum zu, zumal in einer Branche, die akut von einem radikalen Strukturwandel gebeutelt wird.

Abgesehen von nackten Zahlen gibt es aber auch soetwas wie eine “gefühlte Temperatur”, ein Kultur-Kleinklima, das wechselseitiges Interesse, Respekt und Dialogwilligkeit voraussetzt. Hier zeigt sich ein noch prekärerer Status Quo: trotz gross aufgeblasener Marketing-Aktionen wie “Die neuen Österreicher” gibt es kaum eine(n) Musiker(in), der/die sich der genannten Tugenden erfreuen darf. Ö3 hat sich, aus Gründen, die noch zu erörtern sein werden, der im ORF-Gesetz festgeschriebenen “angemessenen Berücksichtigung und Förderung der österreichischen künstlerischen und kreativen Produktion“ weitgehend selbst enthoben.

Warum? „Die Österreicher wollen euch nicht hören“, rechtfertigen sich die Verantwortlichen. Unabhängige Umfragen ergeben ein anderes Bild, und zwar eine deutliche Forderung nach einem ausgewogenen Programm mit lokalem Bezug. Im Ausland ist dies selbstverständlich: Radios in Europa, selbst private, kommerzielle Stationen senden im Durchschnitt rund 40 Prozent (!) Musik ihres jeweiligen Landes. (Selbst)bewusst und mit Erfolg, da und dort auch durch eine Quotenregelung festgeschrieben. An sendefähigem Material mangelt es keineswegs. Auch hierzulande natürlich nicht, auch wenn das die Ö3-Musikredakteure und ihre slicken Berater nicht hören wollen.

Für Kenner der Szene ergibt sich ein zunehmend schizophrenes Bild: während in der hiesigen Kreativ-Szene, nicht zuletzt gefördert durch punktuelle Mikro-Finanzinjektionenen aus dem Umfeld des Bundeskanzleramtes („Österreichischer Musikfonds“) oder der Stadt Wien (departure), Aufbruchsstimmung herrscht und die Quantität und Qualität des aktuellen Pop-Ausstosses gewaltig ist, mangelt es an einem direkten Draht zum Publikum. Ausnahmen – explizit sind hier FM4 und Ö1 zu nennen, die aber für Mainstream-Repertoire eher ungeeignete Spielfelder sind – bestätigen die Regel. Der ORF scheint eher an Pensionisten-Seditativa á la „Musikantenstadl“ und Befriedigung repräsentativer Hochkultur-Lobbys interessiert zu sein als an einem kreativen, konstruktiven, seriösen Umgang mit Pop in all seinen Facetten. Daß hier demoskopisch die breiteste Zielgruppe zwischen sechs und sechzig Jahren vertreten ist, sollte aber auch den „Amadeus“-Abwinkern am Küniglberg zu denken geben.

Was tun? Diskutiert, argumentiert, agitiert wird seit Jahren. Nach Einschätzung engagierter Interessensvertreter der Gewerkschaft, der Wirtschaftskammer, der Musikindustrie und letztlich der Betroffenen selbst fast immer knapp am Rand purer Zeitverschwendung. Der ORF übt sich in Beleidigtheiten, Abwiegelung und Gegenstatistiken. Und merkt immer noch nicht, daß er eigentlich mit den Content-Produzenten in einem Boot sitzt. Kultur und Medien sind kommunizierende Gefässe, und von einer erhöhten Wertschöpfung im eigenen Land würden nicht nur die hier lebenden und arbeitenden Musikschaffenden profitieren, sondern auch der ständig auf seinen “Public Value” pochende (und dahingehend auch immer stärker unter EU-Druck geratende) und die “österreichische Identität” beschwörende öffentlich-rechtliche Mediengigant. Man könnte jetzt endlos Wesen und Auftrag des „Öffentlich-Rechtlichen“ erörtern, die Querfinanzierung von Minderheiten-Programmen durch die „Cashcow“ Ö3 ins Treffen führen oder über Kultur, Kommerz, Gott & die Welt radebrechen… Der Punkt ist: eine Erhöhung des Österreicher-Anteils vertreibt absehbar weder Hörer noch die Werbewirtschaft – warum blockiert man dann stur eine mögliche, ja hoch wahrscheinliche Win-Win-Situation für alle Beteiligten, ORF inklusive?

Nun denn: her mit der Quote! Einer Quotenregelung für mehr österreichische Musik im österreichischen Radio, wie immer sie im Detail auch aussehen mag. Weil eine derartige Forderung offenbar der einzig mögliche (und auch konkret denkbare) Katalysator ist, eine eingeschlafene oder nie wirklich ernsthaft geführte Diskussion mit entsprechender Dringlichkeit aufzuladen. Und das stupend uniforme “Nein, unmöglich!” kühler Radiomanager und ihrer weithin desinteressierten, dafür umso gluckenhafter auftretenden Vorgesetzten aufzubrechen.

Kollegen argumentieren, eventuell liesse sich der Zugang zum Publikum nach europäischem Standard auch auf freiwilliger Basis einrichten, wie es in der Schweiz (Charta 2004) gelungen ist. Meine Erfahrung sagt: in Österreich drückt man sich vor einer klaren Sprache und Lösung. Ja, auch mir war die Vision, Denken mit Prozentzahlen lenken zu wollen, ideologisch lange suspekt. Popkultur ist per se eine in jeder Hinsicht gern grenzüberschreitende, kosmopolitische (und gewiss historisch stark angloamerikanisch geprägte) Kultur, und jegliche Form von chauvinistischem „Mir san mir!“-Nationalismus liegt mir fern. Was aber nicht dazu führt, lokale, regionale, nationale Strukturen, die ja auch ihre Historie und ihre kulturellen Eigenheiten, Merkmale und Vorzüge haben, hintanzustellen. Das hat mit Selbstbewusstsein zu tun, mit Identität und, ja, auch, mit einem wirtschaftlichen Spielraum.

Wenn man sich in diesem Kontext einmal von der Vorstellung löst, Quoten wären per se uncharmant, zwänglerisch (Steigerungsform: semistaatskommunistisch) oder dem freien (?) Spiel der Kräfte zuwiderlaufend, erkennt man rasch die damit verbundene Hebelwirkung. Egal ob es sich um die Durchsetzung einer Frauenquote in Führungspositionen oder einen merklichen Anteil heimischer Kulturproduktion im heimischen, gebührenfinanzierten ORF dreht.

Und, um die Diskussion noch ein wenig anzuheizen: wenn schon, denn schon. Ich bin dafür, die Quote auch für private Radios einzuführen. Verpflichtend. Denn deren Musikchefs schauen wie das Karnickel auf die Schlange Ö3. Und programmieren natürlich österreichische Musik auch nur dann, wenn sie Gnade beim Marktführer gefunden hat (Ausnahmen bestätigen die Regel). Sorry: im Kampf gegen Ignoranz, Blasiertheit und Publikumsferne ist mir (fast) jedes Mittel recht. Also her mit der Quote! Und mitten hinein in die Arena der Pro- und Kontra-Argumente. Eventuell kommt man dann letztlich sogar ohne sanfte Daumenschrauben des Gesetzgebers aus.

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