MASCHINENRAUM. Die Kolumne in der „Presse am Sonntag” (394) So kann, darf und wird es nicht weitergehen mit Facebook. Eine gute Nachricht – oder doch eher nicht?
Nicht schon wieder Facebook, werden Sie sagen. Nicht schon wieder der Zeigefinger. Darauf, dass dieses vordergründig harmlose kommerzielle Unterhaltungsangebot – das die Plattform ja sein will und weithin auch ist – mehr und mehr Fragwürdigkeiten, Probleme und Sorgen generiert. Kritik wie ein Magnet anzieht. Und somit immer stärker in die Bredouille gerät. Wäre ich Börsenmakler, würde ich dazu raten, die Aktie dieses Metamedienunternehmens abzustossen. Dringend.
Warum? Weil „Fratzenbuch“, wie es im Volksmund gerne genannt wird, zunehmend in den Schwitzkasten genommen wird. Von der Politik. Von der Justiz. Und von den eigenen Nutzern. Wenn es stimmt, was der grüne Parlamentsabgeordnete Karl Öllinger berichtet, haben Marc Zuckerberg & Company demnächst ein Riesenproblem. Öllinger wurde vom Landesgericht Wien nach dem Mediengesetz Paragraph 6ff („Üble Nachrede“) zu einer Geldstrafe von fünfhundert Euro verurteilt. Weil er beleidigende Postings nicht sofort gelöscht hatte. Wohlgemerkt: nicht seine eigenen. Sondern Kommentare anderer. Wiewohl es der Polit-Profi nicht an Aufmerksamkeit mangeln lässt – wenn auch nicht rund um die Uhr. Verständlicherweise.
„Wenn das Urteil in der Berufung bestätigt wird“, schreibt Öllinger, „dann hört sich für mich Facebook weitgehend auf.“ Wohl nicht nur für ihn. Wenn man dafür haftbar gemacht werden kann, was andere Leute in diversen Threads, die man initiiert hat, an Dreck absondern, ist das Beleidigten-Business absehbar. Und das Ende der Social Media-Welt, wie wir sie kennen. Die Anwälte reiben sich schon die Hände.
Facebook selbst, vordergründig unbeteiligt, kann – wie in der Frage der sogenannten Fake News – nur symbolisch gegensteuern: durch So-tun-als-ob. Aber man bekommt wohl auch durch rasch angeheuerte Agenturen, die das ungezügelt wabernde Kommmunikations-Wirrwarr nach Lügen, Fälschungen und Absurditäten durchforsten, die Sache nicht grundsätzlich in den Griff.
Die – ernsthaft geplante! – Kennzeichnung von „Falschem“ endet spätestens bei Meinungen, Vermutungen, bewusst Unsinnigem, schlechten Witzen und guten Parodien. Und, ja, Realität und Satire sind in Zeiten wie diesen nicht mehr zweifelsfrei unterscheidbar. Auch für Professionisten nicht.
Man möge doch den „gesunden Menschenverstand“ forcieren, um Fake News zu identifizieren, höre ich allseits Kommentatoren raunen. Bildung! Bildung! Bildung! Aber wenn man heutigen Schülern nicht mal mehr probat Schreiben, Lesen und Rechnen beibringen kann, wird’s leider auch mit der viel komplexeren Medienkompetenz nicht klappen. Von grundsätzlicher Höflichkeit ganz abgesehen. Strafen als letztes (und höchst fragwürdiges) Allheilmittel werden jedenfalls eines bewirken: die rasche Flucht aus Facebook – in weniger riskante Alltagsablenkungen.