Elektroautos sind alltäglich geworden. Oder doch nicht so ganz? Es gibt erkennbare Hindernisse auf dem Weg in die Zukunft.
Lassen Sie Ihren Gleichmut daheim, wir bewegen uns ohne Umwege mitten hinein in ein Spannungsfeld. Eine Industriezone, in der aktuell ein Gewitter sondergleichen tobt: die Sphäre der Elektromobiliät. Bis vor einigen Jahren war diese Zone das (fast) exklusive Jagdrevier des US-Innovators Tesla, nun haben – nach anfänglicher Zögerlichkeit – auch die deutschen, französischen, japanischen und koreanischen Ex-Platzhirschen Fahrt aufgenommen; sie bauen ihre Fertigungsstraßen immer massiver in Richtung E-Autos aus und um. Tesla dagegen steckt in der Krise. Und dann wären da noch die Chinesen, von Byd bis Nio und unzählige Newcomer-Marken mehr, die freilich noch nicht alle die Exporthäfen beliefern. Gottseidank!, hört man da europäische Konzernbosse stöhnen, denn Fahrzeuge „made in China“ können längst mit VW, Fiat, Mercedes, Renault, BMW und Audi mithalten. Oder sie gar überflügeln – in der Qualitätsanmutung, in der Reichweite und in ihrer demonstrativen systemischen Fortschrittlichkeit.
Aber spielt der Konsument mit, egal ob China-Kracher oder Elektro-Volkswagen? Die Lage ist unübersichtlich: einerseits steigt der Marktanteil von E-Autos beständig an (was auch an den teils ungebrochen üppigen Förderungen liegt), anderseits machen sich das hohe Preisniveau der Mehrzahl der Elektromobile und eine anhaltende Verunsicherung in Sachen Infrastruktur, Öko-Nutzen und Zukunftsperspektive bemerkbar. Manche Experten orten aktuell einen Stimmungsumschwung.
Und die Vorreiter haben unfreiwillig die Bremse angezogen. Teslas Modell Y dürfte zwar 2023 der meistverkaufte Pkw der Welt gewesen sein (1,23 Millionen Exemplare!), den US-Konzern plagen trotzdem – auch abseits der Spinnereien seines Chefs Elon Musk – Probleme: Gewinneinbruch und fallender Aktienkurs, Qualitätsmängel, Fahrzeug-Rückrufe, der Ausstieg von Autoverleihern wie Sixt, Streitereien mit Gewerkschaften in Skandinavien und und und. Auch US-Konkurrent Ford drosselt die E-Auto-Produktion, um „ein optimales Gleichgewicht zwischen Herstellung, Umsatzwachstum und Rentabilität zu gewährleisten“ (sprich: die Börsen-Kurve zu kratzen). Von der Volvo-Tochter Polestar liest man, dass der Mutterkonzern nicht mehr die Anlaufverluste (mit)tragen will – und die Nischenmarke ganz zum China-Partner Geely wandert. Toyota-Chef Akio Toyoda prognostiziert gar für Verbrenner einen beständigen Marktanteil von 60 Prozent. E-Cars würden, so Toyoda, niemals den globalen Automobilmarkt dominieren.
Die Politik Chinas – sie bestimmt den Industriekurs des Landes – scheint dem japanischen Industriemagnaten recht zu geben: ein Verbot von Benzinmotoren steht nicht zur Diskussion. Es könnte, global betrachtet, auch die US-Präsidentschaftswahl ein Zukunftsfaktor werden: Donald Trump gilt als Gegner der Elektromobilität, er würde wohl demonstrativ Unterstützungen streichen – mit drastischen Folgen auf dem labilen Markt. In Europa (und mittendrin im, laut Bundeskanzler Nehammer, „Autoland“ Österreich) hält man allerdings an der Doktrin der Verbrenner-Ablösung bis 2035 fest, begleitet von zaghaften bis lautstarken Einwänden aus der Schlüsselindustrie Deutschlands, möglicherweise auf das falsche Pferd zu setzen.
Bequem ist es freilich, dieses Pferd. Ich teste aktuell einen VW ID.7, das Elektro-Flaggschiff des Volkswagen-Konzerns (sieht man vom neuesten Porsche Macan ab). Fast fünf Meter Länge, über zwei Tonnen Gewicht, ein 286 PS starker Motor im Heck mit 545 Newtonmeter Drehmoment, wichtiger allerdings: 532 Liter Kofferraum (mal drei bei umgeklappten Rücksitzlehnen) und eine Reichweite von nominell bis zu 621 Kilometern. Realistisch sind es dann doch deutlich weniger. Die Speicherkapazität der Batterie beträgt 77 Kilowattstunden – bei einer Ladezeit von nur 28 Minuten auf 80 Prozent. Soweit ganz brauchbar. Auch die zurückhaltende, fast elegante Gestaltung des Außen- und Innenraum-Designs kann etwas. Ob man sich allerdings wirklich einen Volkswagen, nomen est omen!, um 75.000 Euro in die Garage stellen will, bleibt die Schlüsselfrage. Für einen ganzen Konzern nämlich: in China, liest man, sei der ID.7 jedenfalls ein gigantischer Flop. Das hat das Fahrzeug nicht verdient! So angesagt es in den sozialen Medien auch sein mag, über die vermeintliche Rückständigkeit der deutschen Automobilindustrie zu lästern: ganz verlernt haben die Ingenieure im VW-Werk Emden ihr Handwerk nicht. Jedenfalls freue ich mich darauf, ihr „State of the Art“-Produkt gegen, sagen wir mal: einen Byd Han, Hyundai Ioniq 6 oder ein Tesla Model 3 antreten zu lassen und einen nüchternen Vergleich zu ziehen.
In die Breite des Alltagsverkehrs eindringen werden all diese Elektrokutschen nicht. Vox populi fordert leistbare, kompakte, praxistaugliche Fahrzeuge – und klar erkennbare, nachhaltige Vorteile der Elektro-Technik. Nur dann wird die Last eines Neukaufs zur Lust werden – Lust auf eine mantraartig beschworene Zukunft des Individualverkehrs. Zwar ist immer wieder von einer „Rabattschlacht“ am Auto-Markt die Rede und beinahe jeder namhafte Hersteller stellt ein Billigmodell für unter 25.000 oder gar 20.000 Euro in Aussicht, aber die wirklichen Preis-Leistungs-Wunder lassen auf sich warten.
Es wird Zeit, dass Volkswagen die Altkunden-Kartei neu adressiert.
(Das Feuilleton No. 2 / Jänner 2024)